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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 21
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Neue Graphik und Liebhaberbücher
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Neue Bücher und Zeitschritfen
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0739

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Neue Bücher und Seitf^riften

Schwer, das Spezififdje diefer Blätter mit dlorten
zu um'reißen, die, ganz aus Gefühl geboren, zu
dem Gefühl des Genießenden hinftreben. n.
Neue Bücher und 3^fch)riften
£U i I lj e 1 m Fjaufenftein, Der Ifen-
t)eimer Ältar1
dlerk und Perfönlichkeit des Mathias Grüne-
wald find feit beiläufig zehn Jahren in den
Mittelpunkt des künftlerifchen Erlebens gerückt.
Viele der entfdjeidenden geiftigen Erfchütterungen
diefer Jahre, das neue Gefühl für die Gotik, die
Entdeckung des Greco, das (Herden neuer ma-
lerifcher Syntljefe, erhielten irgendwie beftätigen-
den Sinn durch die Bezugnahme auf Grünewalds
dlerk. Für die ungeheuere Menge der Mitläufer
mag die Begeiferung modifche Laune gewefen
fein; einigen immerhin zwingender Äusdruck
feelifcher Nötigung.
3ufälliger Änlaß fteigerte Intenfität und Fülle
des Erlebens. Seit Äusbruch des Krieges be-
fand fich das Hauptwerk des Meifters, der Ifen-
heimer Ältar, in München, mit Kriegsende wurde
er in der Älten Pinakothek, wo das ftärkfte
Jugendwerk — die Verfpottung — und die er-
habenfte Ältersfchöpfung — die Disputation
zwifchen Erasmus und Mauritius - hängen, zur
Schau geftellt. Laufende und 3ebntaufende
ftrömten herbei, wie man wohl in mittelalter-
licher 3ßit zu einem Gnadenbild wallfahrte:
3weifelnde und Ändächtige, Gläubige und Skep-
tiker. Einer mußte endlich kommen und das
dunkle Gewirr diefer taufend jungen fammeln,
Sehnfucht und Inbrunft von taufend Fjerzen
hinausfchreien.
Denn obfchon die Ätmofphäre von der ftrö-
menden Fülle diefes dlerkes gefchwängert war,
blieb das Erlebnis ungeformt. Vor geraumer
3eit hat Ä. Fj. Schmid mit vorbildlicher Sorg-
famkeit Katalog und Inventar zufammengetragen.
Kürzlich gab Oskar Fjagen in einem wichtigen
und ehrlichen Buch Äufbau und 3u|ammen-
faffung der fpezififch kunftwiffenfchaftlichen Pro-
bleme des Schaffens. Qm Grünewaid als Er-
lebnis, als Erfchütterung, als chaotifchen Schrei
geht nunmehr Fjaufenfteins Bemühung.
Fjaufenftein geftaltet den Problematiker Grüne-
wald. Die Problematik liegt im Schnittpunkt
der wirtfchaftlichen und geiftigen Diagonalen
des Jahrhunderts, der 3wiefpältigkeit von Grüne-
walds Gefühl und Glauben. Das dlerk, Geburt
diefer Problematik, ift Dokument der 3wiefpältig-
keit, der Skepfis. Freilich nicht etwa hinficht—

1 München 1919, Verlag GUalter Fjirth-

lieh feiner Verwirklichung, denn die ift reife füße
Frucht, aber in feiner feelifchen Grundlage.
Qm diefe zentrale Erkenntnis rankt fich hoch ft
differenzierte Betrachtung der Einzelheit und der
3ufammenhänge, vergleichbar etwa der viel-
ftimmigen Polyphonie des Straußfchen Orchefters.
Mit fubtilften Organen wird das gefamte dlerk
— im Mittelpunkt immer der Ifenheimer Ältar •—
auf jegliche Äußerung von Nerv und Gefühl ab-
getaftet. In vielfacher Brechung wirft der Schliff
des Spiegels das (Qerk dem Lefer entgegen.
Äuch der, der es genau zu kennen und zu be-
fit^en vermeinte, wird um viele Entdeckungen
bereichert Weggehen.
Gewiß fehen nicht alle Grünewald fo, wie
Fjaufenftein ihn fiet)t. Eine modifizierte, auch
eine polar gerichtete Einteilung ift möglich und
wahrfcheinlich. Vielleicht ift das (Qerk Grüne-
walds fo ungeheuerlich, daß es fich überhaupt
jedweder eindeutigen Formulierung weigert. Äber
das ift ja auch gar nicht wefentlicl). Keiner
kann anderes und mehr tun, als die dielt fixieren,
die ihn bewegt. Fjierin liegt höchftes 3iel: Kon-
feffion zugleich und Schöpfung.
Diefes Buch — freuen wir uns, daß endlich
folche Bücher über die Meifter gefchrieben wer-
den; von jüngft erfchienenen gehörtauch Meier-
Graefes Cezanne in die Reihe — ift Bekenntnis
der 3eit, nicht anders als Kokofchkas 3eicF)nung
oder Regers Kontrapunktik. Ätmofphäre von
dielt und 3eit ift Form geworden. Fjierin liegt
der zeitüberdauernde Sinn folcher Geftaltung.
Kurt Pfifter.
Buddf)i[ti[(±)G Plaftik1
Ein zweibändiges dlerk, mit einem trefflichen
Lafelband, das uns die große Kunft des Oftens
nahe bringt, darf von vornherein in Deutfchland
ftärkften Erfolges gewiß fein. Nicht nur, weil
rein künftlerifch das Lhema vorzüglich zu den
Lendenzen der 3eit ftimmt, fondern weil deutfehe
Geiftigkeit heute mehr denn je — nach dem mate-
rialiftifchen Größenwahn der lebten Epoche —
dem Qniverfalismus zuftrebt und völkifche Gren-
zen im metaphyfifchen Sinne nicht mehr gelten
läßt. Vor diefen dlerken erfteht kulturpfycho-
logifch das reine Bild eines auch irn kunft-
fchöpferifchen wundervoll abgeklärten 3entrums
bildender Kräfte, deren reine Sprache immer
noch dem müden Europa zu Lat und Eigen-
bewußtfein verhelfen kann. Fjier fühlt man im
intuitiven Erfaffen unferes eigenen dlollens die
Brücke von Jahrhunderten von felbft verfinken,
die einmal — hiftorifch gezimmert — Vergangen-
1 Karl Güitt), B u d d h i ft i) ct) e Plaftik in Japan
bis in den Beginn des 8. Jahrhunderts n. Chr.
Kunftverlag Schroll & Co. dlien 1919.

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