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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 13
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Kunstpolitik
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0431

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Die Zeit und der Markt

Kunft politik
Ul ü rtte m b e r g i fd) e Mufeen-
und Denkmalpflegefragen1
Von E. Gradmann-Stuttgart.
In Stuttgart find feit langem wichtige Mufeums-
fragen ungelöft. Die „Staatsfammlung vater-
ländifcßer Altertümer“, gegründet 1862, zugleich
als Kunftgewerbemufeum, ift noch immer nicht
zu einem eigenen Gebäude gelangt, fondern
zuletzt im Untergefcßoß des Bücberßaufes der
Landesbibliothek untergebracht, die ibrerfeits an
Raumnot leidet und dazu jeßt noch die ehe-
malige Fjofbibliotßek aufnehmen foll. Der
Übergang des Krongutes in Staatsverwaltung
gab der Leitung des Mufeums die Möglichkeit,
einen längft gehegten, aber unter dem König-
tum abgewiefenen GUunfcß wieder aufzunehmen
und fofort das Alte Schloß als Mufeumsgebäude
für die Altertümerfammlung, das biftorifcße Lan-
desmufeum zu verlangen, und fie hatte Erfolg.
Das Mufeum ftand bei Kriegsbeginn vor einem
Neubau. Im Jahre 1916, beim Regierungsjubi-
läum des Königs, hätte der Grundftein gelegt
werden follen; und noch während des Krieges
wurde ein Entwurf für einen neuen Bauplaij
— auf der die Stadt krönenden Ußlandsböbe —
ausgearbeitet. Diefe Pläne find vereitelt. Aber
das Alte Schloß hat eine beffere Verkehrslage
als alle die Baupläne, die wir jemals prüften.
Und fein trotziges Äußere, das heute noch die
Stadt beßerrfcßt, wie feine mannigfaltigen und
ftimmungsvollen alten Innenräume famt dem
Fjallenbof find für ein biftorifcßes Landesmufeum
unfcßät^bar und durch keine neuzeitliche Kunft
zu erfeßen. Dafür können einige Nachteile der
Lichtführung und die Schwierigkeiten der Fjei-
zung, auch der Raumverbindung wohl in Kauf
genommen werden.
Mit den 3infen des Baufonds, den ein vom
Mufeumsverein ins Leben gerufenes Komitee
gefammelt hatte, um der baupflicbtigen Staats-
finanzverwaltung unter die Arme zu greifen,
wird künftig das Mufeum, deffen planmäßige
Mittel nach wie vor dem Kriege außerordent-
lich befcbeiden find, größere Erwerbungen unter-
nehmen und fomit auch wieder auf dem aus-
wärtigen Kunftmarkt auftreten können.
Die Raumnot des Mufeums ift fo dringend, daß
es, um nur überhaupt ins Alte Schloß zu kommen,
vorläufig auf 3entralßeizung verzichten und auch
1 Vgl. aud) die früher im Cicerone erfd)ienenen Bei-
träge »Der Kunftbefitj der deutfct)cn Fürften".

die kirchliche Benützung der alten Schloßkirche
vorerft dulden muß, obwohl die Fjut des Mu-
feums dadurch gefährdet wird (denn der 3ugang
zu der Kirche geht über den FJof des künftigen
Mufeums, deffen Einzelräume fiel) mit Cüren und
Fenftern gegen die offenen Umgänge öffnen).
So ift im Sinne der Denkmalpflege für das Alte
Schloß geforgt.
Schwieriger ift die Aufgabe, eine angemeffene
und febonende Verwendung zu finden beim
Neuen Refidenzfcßloß famt der dahinterliegenden
Akademie und beim Landhaus Rofenftein famt
der (Uilbelma. Das Neue Schloß, ein einheit-
licher Rokokobau von Leopold Retti und Philipp
de la Guepiere, hat im größten Geil der Räume
noch eine einheitliche alte Ausftattung, aller-
dings meift aus der 3sit des Empire, und er-
mangelt in den meiften Crakten der befonderen
Verbindungsgänge, ift fomit ungeeignet für Ver-
waltungs- und auch für bürgerliche Cüoßnungs-
zwecke. Die ehemalige Militärakademie oder
Karlsfchule der Schillerzeit, ihrer Anlage nach
eine Kaferne, ift heute großenteils baufällig. Es
wäre aber für das biftorifcße Stuttgart und auch
für die bauliche Ulirkung des vorgelagerten
Neuen Scßloffes feßade, wenn die Akademie fo
umgebaut würde, wie es kaufmännifeße Be-
rechnung verlangt. Sie enthält nicht nur noch
einige denkwürdige und künftlerifcß ausgebildete
Räume, fondern ift auch als Ganzes mit ißren
lebhaft gruppierten Pavillons und niederen Trak-
ten, ißren ftillen ftimmungsvollen Fjöfen uncj
malerifcßen Durchblicken durch die Eorwege ein
eindrucksvolles Baudenkmal. Für den befeßeide-
nen 3weck einerVolksßocbfcbule, für dasEßeater-
mufeum u. dgl. wäre das Gebäude oßne weiteres
zu benutzen. Rofenftein, eine feßön aber abfeits ge-
legene Villa italienifcßer Art, erbaut von dem Fjof-
baumeifter Salucci um 1825, bat in feinen Fürften-
zimmern eine einheitliche, koftbare Ausftattung
aus der 3^it des Baues. Auch hier fehlen Kor-
ridore. Die bewegliche Ausftattung gehört der
herzoglichen Familie, die fieß aber möglicßer-
weife bereit finden ließe, die Einrichtung der
Fürftenzimmer famt der Galerie und den Plaftiken
ßierzulaffen, bezießungsweife an den Staat ab-
zutreten. Die maurifeße Villa müßelma ift mit ißren
Arcßitekturgärten eine Sehenswürdigkeit, aber mit
ißren ftuckierten und vergoldeten Sälen im Stil
der Alhambra zu nichts weiter zu gebrauchen.
Alfo eine Reiße von Gebäuden, die wert find
mitfamt einem Geil ißrer Ausftattung als Denk-
mäler erhalten zu werden oder gelegentlich der
ftaatlicßen Repräfentation zu dienen, im übrigen

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