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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 20
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Landsberger, Franz: Impressionismus und Expressionismus, [2], der neue Ausdruck
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0663

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Impreffionismus und Expreffionismus
II. Der neue Äusdruck Mit 17 Abbildungen I Von FRANZ LANDSBERGER
(Fortfetjung aus Qeft 19.)
Id) [teile im folgenden eine Anzahl expreffioniftifcher Klerke neben impreffioniftifche
ähnlichen Darftellungsgebiets in der Äbfidjt, den Äusdruck des Expreffionismus von
dem des Impreffionismus durch) den Vergleich) um fo deutlicher abzuheben. Klenn
hierbei Künftler wie van Gogh oder Mund) auf der Seite des Expreffionismus ftetjen,
fo ift es eben darum, weil ihr Äusdrucksverlangen bereits deutlich den neuen, fpäter
allgemeinen begangenen Kleg weift.
Ich beginne mit einem Fliederftilleben von Manet (Abb. 1). Über Eck geftellt eine
hohe, gläferne Vafe, die [ich weich vom Hintergründe löft, weich die Stiele und Blätter
durch)fcheinen läßt, Klie ein Springbrunnen überriefelt fie der flockige Blütenfchaum
weißen Flieders, deffen Dolden zärtlich zufammenfch)melzen.
Van Gogh malt Sonnenblumen (Abb. 2), die fchjon in der Form etwas Kompakteres,
in der Farbe etwas Grelleres haben. Ändere Expreffioniften wählen aus ähnlichen
Gründen Feuerlilie und Iris, Kaktee oder Calla. Die Sonnenblumen fteigen aus einer
kurzen, gequetfchjten Convafe, die von einem harten Kontur gleichsam in Feffeln ge-
fch)lagen wird. CCIie Raupen kriechen die Blumen aus ihrem Copfe, drängenden Lebens
voll. Bei Manet meint man den Duft zu riechen, hier fieht man dem Klachstum zu.
Die blühenden Kaftanien von Renoir (Abb. 3) geben ein Beifpiel für den impreffio-
niftifchen Landfchaftsftil. Bunt fch)illern die Bäume in Luft und Licht und fpiegeln
[ich, zarter noch und zerfloffener, im Kläffer wieder. 3wei junge Mädchen in hellen
Blufen leuchten wie Blumen in diefem Frühlingsbilde.
Van Gogh hat die Olivenbäume Südfrankreichs gemalt (Abb. 4). Ihn reizt der ge-
drückte, etwas kurze Stamm, der fich) gewaltfam veräftelt, fo wie ihn die kriechenden
Stengel der Sonnenblummen gereizt haben. Einem regellofen, gleichfam aufgepeitfch)ten
Boden entringen fich diefe Bäume, während oben — nicht das zerteilte [chmeichelnde
Licht, fondern — die Sonne felbft, brennend und fengend, entgegenftratjlt.
An die Landfchaft knüpfe ich ein paar Stadtdarftellungen. Hier ift ein Chema, das
die Expreffioniften befonders lieben, die Maler wie die Dichter und ebenfo die Archi-
tekten, die nun nicht mehr Landt)äufer bauen wollen, fondern Fabriken und Gafometer
und mit gewaltig-formender Hand ein ganzes Stadtbild geftalten möchten. Das rafende
Cempo der Großftadt wird als Reiz genoffen, wie es im Manifeft der Futuriften
heißt: „COir erklären, daß der Glanz der Kielt fich um eine neue Schönheit bereichert
hat: um die Schönheit der Schnelligkeit.“ Dann ift es der verwirrende Lärm in Könen
und Farben, der wie ein Echo den Äuffchjrei der modernen Seele beantwortet, Und
endlich ift es das Unheimliche der großen Stadt, das erregte Flammenfpiel ihrer Licht-
reklamen und Scheinwerfer, das Lauernd-Geheimnisvolle, das hinter verfchloffenen
Mauern fich birgt, während die Landfchaft den Charakter ausgebreiteter Offenheit trägt.
Sie war das bevorzugte Ch)ema der Impreffioniften.
Klenn Monet Paris malt (Abb. 5), fo fielet er auch die Stadt wie eine Landfchaft an,
von der Seine durdjfloffen, von Bäumen durchgrünt, von Spaziergängern belebt, in der
Ferne im Dunfte die Kuppel des Pantheon.
Delaunays Blick aus dem Fenfter (Abb. 6) gibt nichts als das Durcheinanderpurzeln
der Häufer und fchachtartigen Höfe. Hier gedeiht kein Strauch, alles Leben erftirbt,
wie tote Äugen glofeen die Fenfter aus den Leichnamen von Stein. Und über allem

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