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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 9
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Grautoff, Otto: Die Auflösung der Einzelform durch den Impressionismus
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Gerstenberg, Kurt: Revolution in der Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0277

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Revolution in der Architektur

übereinander bewegen ließen. Dadurch allerdings würden grundlegende Gefet^e der
Staffelmalerei verlebt und einem Gemälde Eigenfcßaften gegeben werden, die nicht
mehr geftatten würden, es als ein Merk der bildenden Kunft zu bezeichnen.
ßier handelt es fid) fcßon nicht meßr um die Äuflöfung der Einzelform, fondern um
die Äuflöfung der gefamten Bildform. Die Darftellung als Ganzes ift nicht mehr be-
grenzt und gefcßloffen, — die Darftellung könnte bis in die Unendlichkeit weiter-
geführt werden.
ßier fetjt ein neuer Abfcßnitt in der Formzertrümmerung der bildenden Fünfte ein.

Revolution in der Ärcßitektur Von KURT GERSTENBERG

Die ftarrfte, unbeweglichste der Fünfte erlebt nun auch ißre Erfcßütterung. Man muß
alle Begriffe von Proportion, Statik und Symmetrie ausfcßalten, wenn man
den Baupßantafien folgen will, die der Ärbeitsrat für Kunft in einer Äusftellung
für unbekannte Architekten in Neumanns graphifchem Fabinett der Öffentlichkeit vor-
führt. Malter Gropius und Bruno Uaut als Schirmherren ftoßen in die Crompete:
„Gibt es heute Architektur? Gibt es heute Architekten? Erwin von Steinbach, Sinan,
Äben Cencid, Diwakara, Pöppelmann — wagt es heute jemand, fid) angefichts diefer
erlauchten Namen ,Architekt1 zu nennen?“ Die Entwürfe derer, die nach Architektur
rufen und fud)en, füllen drei Säle. Im erften die Architekten alten Schlages. Viel
gotifche Struktur, aber wenig gotifcher Geift. Dann Großftadtarchitektur, ins Ämerika-
nifche gefteigert, Molkenkrat$erentwürfe für das größere Deutfcßland (vermutlich vor
dem November 1918 entftanden). In den anderen Sälen aber ift die mit Laft und Kraft
rechnende Mirklid)keit einer bunten Märchenphantafie gewichen, die unbekümmert um
technifcße Schwierigkeiten auf dem Papier baut. Als geiftiger Ahnherr wird Fj. Obrift
verehrt, von dem einige Photos nach Grabmalentwürfen aushängen, in denen zuerft
die Formauflöfungen und ftalaktitenartige Formhäufungen auftreten. Man kann vier
Gruppen fcheiden, die fid) alle wieder um einen Schritt weiter von dem, was bisher
Architektur hißß> entfernen. Die erfte Gruppe umfaßt die Baumeifter in Glas und
Eifen. Diefe alle hüben vermutlich Paul Scheerbarts Buch über Glasarchitektur ge-
lefen. Daß aber ein Dichter der Anreger war, braucht niemanden abzufd)recken.
M. Ä. Fjablik rechnet nod) mit gewohnten Raumformen. Ein Schautempel, der im
Polyeder abfd)ließt und ein Äusftellungsgebäude. Bei diefer gläfernen Stufenpyramide
wird in jedem Stockwerk die Äd)fe fo verfchoben, daß das näcßft höhere Grundriß-
quadrat, das mit den Eckpunkten auf den Seiten des unteren rußt, fid) entfprecßend
verkleinert. Dadurch wird für alle Stockwerke eine variierte Belichtung erzielt. O. Fjerzog
will keine ftereometrifcßen Formen geben, aber mit feinem Tempel, der eine Kuppel
aus Kriftallformen mit dolomitenartigen Pfeilern umgibt, ift er doch nicht über eine
naturaliftifcße Umkleidung gewohnter Strukturformen hinausgekommen. Erft Arnold
Copp weiß aus dem neuen Material neue Mirkungen zu ziehen. Sein Uotentempel,
ein 3entralbau aus Glas und Eifen, \)at außen zinnoberrote, innen blaue Glaswände

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