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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 15
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Kunstpolitik
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0516

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Die Zeit und der Markt

Kun ft politik
Äbbrud) des Palais Porzia
in München
Einem der edelften Bauwerke Münchens, dem
Palais Porzia, dem F)aus der Gefellfchaft „Mu-
feum“ droht der Abbruch.
Dem Kenner Münchens ift diefe Architektur,
die in Anlage und Dekoration zu den köftlich-
ften Eindrücken des Stadtbildes zählt, wohlver-
traut. 3uccali hat, 1693, den Palaft in der wür-
digen, zurückhaltenden Formfprache des italieni-
fchen Spätbarock errichtet; der Franzofe Cu-
villies überftreute, ein Vierteljahrhundert fpäter,
die Faffade mit leichtem Schmuckwerk. Italieni-
fcher und franzöfifcher Geift, die Formphantafie
des Barock und Rokoko hat, in Faffade und
Innenarchitektur, eine Leiftung voll graziöfen,
fubtilen Reizes gefchaffen.
Die Situation ift die folgende: Das Palais, das
einen buchmäßigen Wert von einer halben Mil-
lion Mark hat, gehört einer Gefellfchaft, die an
Stelle des unrentablen kleinen Baues einen
voluminöfen ertragreichen Backfteinwürfel er-
richten will. (Das Bauprojekt ift von der Firma
Fjeilmann & Littmann bereits ausgearbeitet.) Die
ftaatliche Auffichtsbehörde hat dem Projekt zu-
geftimmt. Die amtliche Denkmalpflege hat vor
den „großen wirtfchaftlicßen, finanziellen und
anderen Schwierigkeiten“ kapituliert und den
Bau preisgegeben. Im Stadtrat der Kunftftadt
München hat der zuftändige Referent auf eine
dahingehende Anfrage geäußert, von der Stadt-
verwaltung fei weder die Erlaubnis zum Ab-
bruch erteilt noch verfagt worden, da lediglich
derBefißer darüber verfügen könne. Die Stadt-
verwaltung habe die Staatsregierung auf die
Angelegenheit bereits aufmerkfam gemacht und
angeregt, Mittel zur Erhaltung des Mufeums
zur Verfügung zu ftellen. Die Sache, bemerkt
zum Schluß treuherzig der Berichterftatter, diente
zur Kenntnis.
Die Erregung über die finnlofe Verfcßleuderung
koftbaren Volksgutes in Preffe und Öffentlich-
keit, foweit fie fiel) überhaupt um künftlerifche
Dinge kümmert, ift allgemein und groß. An
einer von Fjaufenftein organifierten Proteftaktion
der „Münchner Neueften Nachrichten“ beteiligten
fiel) die hervorragenden Perfönlichkeiten der
Stadt.
Das Problem eines ftaatlichen Denkmalfd)uß-
gefeßes für Bayern, das uns vor folchen Über-
rafchungen fdßüßt, wird von neuem akut. Denn

das jämmerliche Fiasko der ftaatlichen Denk-
malpflege ift mit fänden zu greifen. Vor Cifch
empört man fiel) mit gut gefpieltem Eifer über
den Kunftvandalismus der Vorfahren oder re-
ftauriert unter Aufbietung des gefamten tech-
nifchen und wiffenfcßaftlichen Apparates irgend-
welche mediokre Eafel; und eine Stunde fpäter
gibt man mit bedauerndem Achfelzucken eine
feiten köftliche Kunftfchöpfung preis. Jahr-
hunderte haben das überkommene Kunftgut forg-
lich betreut und felbft die Generation, die die
gotifchen Dome „reinigte“, hat den Kern un-
verfehrt gelaffen. Gnd wir, die im 3eitalter der
Denkmalpflege leben, häufen wie die Vandalen.
Wie Ch. Eh. Fjeine in feinem Beitrag zu der
oben erwähnten Proteftaktion fagte: Es ift eine
Schweinerei. Kurt Pfifter.
Die Erhaltung des ehemals fürft-
lichjen Kunftbefit^es
Der Cag für Denkmalspflege, der in Berlin
tagte, hat eine Refolution angenommen, in der
es u. a. heißt, daß bei der Auseinanderfeßung
zwifdßen den fürftlicßen bäufern und den Staaten
die bislang im Befiß der Fürften befindlichen
Baudenkmäler, vor allem die Schlöffer und
fonftigen fiirftlichen Wofmfiße mit ihren Garten-
anlagen fowie ihre künftlerifch bedeutungsvollen
Ausftattungen als bedeutfame und unerfeßliche
3eugniffe deutfeher Kunft- und Kulturentwick-
lung dauernd erhalten bleiben füllen, ferner, daß
die Denkmäler, die dem Staate aus fürftlicßem
Befiß zufallen, nicht verwandt werden dürfen
zu einem 3weck, der ihre künftlerifche und ge-
fchichtliche Bedeutung beeinträchtigt und daß
auch die im Befiß der fürftlichen Familien ver-
bleibenden hervorragenden Kunftdenkmäler in
ihrer gefchichtlichen und künftlerifchen Eigenart
erhalten bleiben. Ferner wurde befchloffen, die
kirchliche Denkmalspflege durch Trennung von
Staat und Kirche nicht beeinträchtigen zu laffen.
Sammlungen
Die Neue Staatsgalerie in München
Nach langwierigen Vorbereitungen ift nunmehr
die Neue Staatsgalerie im Kunftausftellungsge-
bäude am Königsplaß, gegenüber der Glypto-
thek, in den Räumen alfo, in denen bisher die
Sezeffion auszuftellen pflegte, eröffnet worden.
Sie enthält den Befiß des Staates an Kunft der
Jahrhundertwende und der Gegenwart, während
die Neue Pinakothek, deren Wiedereröffnung

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