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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 24
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Spengemann, Christof: Kunst, Künstler und Publikum, 2, Werkentstehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0838

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II. Ulerkentfteljung

Kunft, Künftler und Publikum1
Von CHRISTOF SPENGEMANN

iele ftreben fchaffend zur Kunft.
Unfertige, die etwas wollen. Kreife mit
Programm und3iel. Sie gedenken, der Kunft
mit dem Intellekt und demGefd)ick beizukommen.
Freuen fiel) jeder neuenBravourleiftung: blenden-
der Cecfmik, raffinierter Farbklänge, forgfam ge-
fegter Formen, verblüffender Naturtreue, akademi-
fetjer Gefeljmäßigkeit, vornehmer Befctjränkung,
die den Meifter ankündigen foll, gemütsbewegen-
der Gegenftändlicßkeit, patßetifctjer Gebärde.


Äbb. 8. Edwin Scßarff.

Fertige, die fiel) in einem diefer Punkte ge-
funden haben; die feßön find wie Papageien
und immer dasfelbe jagen.
Lehrer, die Gewohnheitsmäßiges zum Gefetj
ergeben. Ulie Küfer füllen fie Flafcßen mit
gleichem Inhalt und kleben ein Etikett darauf.
Kunftg eiehrte, die entdecken, vergleichen, feft-
ftellen, richten und verwerfen.
Älle gehen im Kreife. Sehen nur fich felbft
und ihresgleichen —: nichts! Sie kommen und
gehen, werden geboren und fterben. Über
ihren Gebeinen blaut die Kunft in uner-
fchütterter Erhabenheit. —
Die wirklich Berufenen wollen nichts, —
fie müffen.
Sie kamen nicht aus dem Vorland nicht
aus der Umwelt: fie fielen vom Fjimmel.
Sie find nicht die gewandten Virtuofen:
fie haben das Erlebnis, das Gefühl, den
Geift, den Urfprung. Sie erfüllen fich, wie
es ihnen beftimmt ift. Dann kehren fie als
Sterne in den Fjimmel zurück. Manche
find groß; andere find klein. Viele fo
klein, daß man fie nicht fehen kann. Äber
Sterne find fie. Uleil pe vom Fjimmel ka-
men und wieder zu ihm gingen. Uleil fie
Künftler find und nicht Papageien. —
Vom Ulerk der Künftler will ich jeljt
fprechen. Nicht von dem, was heute ge-
fchaffen wird. Nicht von dem, was vor-
her beftand. Einfach vom Kunftwerk. Es
war im Änfang, erfchien immer wieder
einmal und wird nicht fterben, weil es
ewig ift.
Ulir dürfen dabei nicht an Konkretes
denken. Ulir müffen uns nur auf den
Boden ftellen, daß Kunft Erlebnis: Ge-
fühl ift. Immer und immer wieder: Kunft
ift Gefühl! * *
*
Ulandelnd breitet der Künftler die
Ärme zur Sonne.
Da fttirzt wohl manches herab. Rechts
— links — zwifchen den Ärmen hindurch
zur Erde. Er fchaut nicht hin. So groß
ift der Reichtum, fo endlos der Überfluß.
Bis ihm einmal etwas Befonderes zu-
fällt. Vielleicht ift es gar nichts Befonderes.
Ulird es nur, weil es in feinen Ärmen hängt.

1 Unter diefem Eitel veröffentlicht derVerfaffer
foeben im Verlag „Der 3wecrnann“i Fjann°ver,
fünf Kapitel zur Einführung in die heutige Kunft,
unter denen fid) auch die beiden an diefer Stelle
abgedruckten befinden. Die Schriftleitung.


J
Sitzende weibliche Figur. 1918.
 
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