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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 16
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Kunstpolitik
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0551

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Die Zeit und der Markt

Kun ft politik
Das Erbe der Habsburger
Von Guftav Hlallaf ch> ek.
Als man Änfang Juni die bisher abgefperrte,
ausgedehnte Gartenanlage des Kammergartens,
im Volksmunde „Kaifergarten“ genannt, die fich
hinter dem Neubau der Kaiferlichen Burg ent-
lang der Ringftraße hinzieht, dem allgemeinen
Befuche öffnete, zeigte fich auf der Rückfeite
des neuen Burgbaues in weithin fichtbaren Let-
tern die Monumentalinfchrift „Fjis aedibus in-
haeret concors populorum amor“. 3u gleicher
3eit aber tobte nicht bloß zwifchen den Nach-
folgeftaaten, in die das alte öfterreich)ifch-unga-
rifche Reich zerfiel, fondern auch innerhalb des
Kleinftaatgebildes Deutfchöfterreich felbft der
harte Kampf um die reiche Fjinterlaffenfchaft
der landesflüchtigen einftigen FJerrfcherfamilie.
Noch ift das Ende nicht abzufehen, noch felbft
die Befißfragen im einzelnen, was nämlich als
zum Privateigentum der Habsburger gehörig
gelten, was als Staatseigentum zur Aufteilung
gelangen follte, fo ungeklärt und wird es wohi
noch monate-, ja vielleicht jahrelang bleiben,
daß von einer zweckmäßigen 3ukunftsverwen-
dung eigentlich noch kaum ernfthaft die Rede
fein kann. Es fei daher in nachstehendem nur
kurz feftgeftellt, woraus in der Hauptfache das
künftlerifche Erbe der Habsburger befteht, wer
alles auf die Erbfchaft Hnfpruch erhebt und
welche Vorfchläge befonders bemerkenswerter
Ärt bisher bezüglich zweckmäßigfter Auswertung
gemacht worden find.
Der eigentlich hofärarifche Befifz, die fo-
genannten Krongüter, beftehen aus folgendem:
Das ödichtigfte ift der Riefenkomplex der Hof-
burg, einem ausgedehnten, verfchiedenften Bau-
perioden entftammenden Baukörper, über den
am umfaffendften der XIV. Band der Öfter-
reichifchen Kunfttopographie, vom kunfthifto-
rifchen Inftitut der k. k. 3ontralkommiffion für
Denkmalpflege 1914 in (Uien bei Anton Schroll
u. Co. herausgegeben auf mehr als dreieinhalb-
hundert Seiten und durch zahlreiche Abbildungen
bis zum 19. Jahrhundert belehrt. Dr. Moriz
Dreger zeichnet dafür verantwortlich. Von be-
fonders kunftgefchichtlichem Cüert ift davon
nebft zahlreichen hüftorifchen 3immern die unter
Kaifer Karl VI. zwifchen 1729 und 1735 von
Fifcher von Erlach d. J. errichtete fogenannte
„Spanifche oder öüinter-Reitfchule“, einer der
großartigften Fefträume der Barockzeit und das
von demfelben Architekten zwifchen 1722 und

1726 erbaute Hofbibliotheksgebäude mit dem
wundervollen Kuppelraum feines großen Biblio-
tßeksfaales. Von den im Hauptgebäude felbft
verwahrten Kunftgegenftänden kommen außer
den reichen Beftänden koftbarer Gobelins, be-
fonders die Schatzkammer mit den Kleinodien
und Reliquien des ehemaligen heiligen römifchen
Reiches deutfcher Nation und vielen anderen
Gegenftänden von größtem materiellen, kultur-
und kunftgefchichtüchen Hlerte und die fo-
genannte „geiftliche Schatzkammer des Haufes
Habsburg“ in Betracht. Im neuen Burgtrakt,
der eben erft kaum vollendet ift, befinden fich
die Fideikommißbibliothek mit ihrer alten und
reichhaltigen Porträtfammlung und die dem
Publikum bisher noch nicht zugänglich gemachte
Sammlung des Haufes Efte, deren Aufteilung
gerade vollendet war. Es fctdießen fich jenfeits
der Ringftraße, aber diefem Baukomplex zu-
gehörig, das kunfthiftorifche und das naturhifto-
rifctje Hofmufeum an. In den das Semper-
Hafenauerifche Prachtforum abfchließenden Bau-
lichkeiten der H°fftallungen ift noch auf die
große Reitfcßule und die „reiche Sattelkammer“,
fowie die fnftorifchen und Prunkwagen befonders
zu achten. (Heitere vier kaiferliche Sctjlöffer
liegen innerhalb der Bezirke von (Hien, im III.
das Belvedere, der untere Veil 1714, der obere
1721 bis 1723 von Johann Lukas von H'lde-
brand'für den Prinzen Eugen erbaut und mit
dem die beiden Baulichkeiten verbindenden
Stilgarten ein charakteriftifcbes Kunftdenkmal
feiner 3eit. im XIII. Bezirk das Maria Ojerefia-
nifche Schönbrunn, 1744 bis 1750 in Abände-
rung von Plänen des älteren Fifcher von Erlach
von Pacaffi erbaut, mit feinen unvergleichlichen
Parkanlagen und feinem intimen Schloßtheater
und unweit davon Hehendorf, gleichfalls eine
Schöpfung Maria Cherefias und Pacaffis vom
Jahre 1744, ein zwar räumlich befdrn'änktes,
aber in den Vertjältniffen und der Ausftattung
äußerft gelungenes Baudenkmal. Dazu kommt
noch im II. Bezirke das in einem großen Garten
gelegene Augartenpalais, in feiner heutigen Ge-
ftalt von Jofef I. nach der Cürkenverwüftung
als „alte Favorita“ wieder inftand gefegt und
hauptfächlich als hiftorifche Erinnerung an Jo-
fef II., weniger feinem Kunftwerte nach von Be-
deutung. Hnweit (Hien, am halben (Hege gegen
Baden zu, liegt dann Schloß Laxenburg, vor
allem von Maria Cßerefia und Jofef II. er-
weitert und ausgefcßmückt und auch mit einem
kleinen Cheater verfehen, berühmt durch feinen
romantifchen Park und die launifche Schöpfung
der Franzensburg in Geftalt eines mittelalter-

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