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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 5/6
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Kunstpolitik
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Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0160

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Kun ft politik — Sammlungen

Eine italienifcfye Stimme zum Kunft-
raub
„Corriere della Serra“ fcbreibt unter dem
24. Februar: Unbekümmert um die lärmenden
Protefte der Wiener 3eitungen feljt unter Mit-
wirkung des Generals Segre die italienifcbe Kunft-
kommiffion ihre Ärbeit in Klien fort. Dr. Gino
Fogolari, Prof. Paolo D’Äncona, Dr. Giulio Cog-
giola frnd mit der Auswahl befdjäftigt. Än
Änfprüdjen, die aus diefem Kriege berrü^ren,
find zu nennen die in Laibad) befindliche, aus
200 Nummern begehende Sammlung von 3eid)-
nungen von Tiepolo, die das Triefter Mufeum
aus der Sammlung von Sartorio geerbt bat.
Außerdem muß fid) in Laibacb viel aus der
Crieftiner Stadtbibliotbek ftammendes Material
— u. a. die Peirarcafammlung — befinden. Äus
dem erzbifcböflicben Palaft und aus dem Krfu-
linerinnenklofter in Görz wurden viele wertvolle

Goldarbeiten und Paramente verfcbleppt. Feld-
marfcball Boroeviö hat alle ibm erreichbar ge-
wefenen Villen, Sd)löffer, Kirchen und Paläfte
fyftematifd) ausgeplündert. Befonders batte er
es auf Bilder abgefeben. Belluno ift vollftän-
dig ausgeräumt worden; bisher wurden ledig-
lich 13 Kiften mit von dort ftammenden Bil-
dern im „Fjeeresmufeum“ entdeckt und zurück-
genommen. üdine ift dank der Tätigkeit des
Kliener Gelehrten Cietje glimpflich weggekom-
men. Ein Altarblatt von Ciepolo aus der Kirche
Santa Madonna della Puritä war nach Klien
gebracht worden und ift jegt zurückgegeben.
Äud) eine Madonna mit vierteiligen von Por-
denone wird demnäcbft aus Klien nach der
Kirche von Moriago, aus der es ftammt, zurück-
kehren. Klertvolle Codizes find entdeckt und
zurückgenommen worden, fo u. a. ein Fuldaer
Ritual aus dem 12. Jahrhundert. K. B.

Sammlungen
Die 3ukunft der Nationalgalerie
Der Direktor der Berliner Nationalgalerie,
Ludwig Jufti, verfendet eine — als Ipandfchrift
gedruckte — kleine Denkfcbrift über „die Na-
tionalgalerie und die moderne Kunft“, die er
dem Leiter des Minifteriums für Kliffenfcbaft,
Kunft und Volksbildung vorgelegt hat. Sie führt
den (Untertitel „Rückblick und Ausblick“ und ift
denn auch in ihrer erften Ipälfte wefentlid) eine
Änklage gegen die abfolute FJerrfcbaft Klil-
belms II. in Dingen der modernen Kunft. 3um
erften Male wird \)ier ausgefprocben — was
Nabeftebende freilich wußten und was fie zu
der ftets geübten Milde in der Beurteilung der
Ankäufe dieferSammlungen veranlaßte — welcher
Liften und ümwege es bedurfte, um wenigftens
das an moderner Kunft in die Nationalgalerie
zu bringen, was heute darin ift. Das wird ja
nun anders werden. Es wird felbftverftändlid)
fein, daß jeder Künftler, der das feinem Maße
nach beanfprucben kann, in die Nationalgalerie
aufgenommen wird, und der jeweilige Leiter
wird feine ganze Kraft darauf verwenden können,
daß er von jedem Künftler aud) wirklich die
wertvollften Arbeiten erwifcbt.
Der zweite Keil geht dann auf das ein, was
nun zu tun ift, und auf die Klege, die die frei-
gewordene Betätigung zu gehen hat, ohne frei-
lich) neue Gedanken beizubringen. Es bandelt
fich da, foweit die Nationalgalerie felbft in Frage
kommt, um zweierlei: um die Vollziehung der

Ankäufe und um die Darbietung des gefamten
Befibftandes.
Für die Ankäufe will Jufti nicht den Direktor
allein verantwortlich) fein laffen. Er weiß zwar,
und fagt es auch, daß diefe Methode unftreitig
die beften Ergebniffe liefern würde. Aber fie
fei unmöglich, undemokratifd), und fo fd)lägt
er vor, man folle dem Direktor eine Ankaufs-
kommiffion zur Seite ftellen, deren Mitglieder
aber nid)t von den beteiligten Kreifen, alfo in
erfter Linie von den Künftlern gewählt, fondern
vom Minifter ernannt würden. Ich muß ge-
geben, daß id) glaube, hierbei würde auch nur
eine neue Auflage der alten „Kunftkommiffion“
zuftande kommen, da ja gar keine Gewähr vor-
handen ift, daß der Minifter aud) die rechten
Leute ausfindig macht oder aud) nur die rechten
Fjelfer zu diefer Ausfindigmachung beranziebt.
Ich meine, wenn man fchon einmal fo weit
gegen den Grundfatj der Demokratie fündigen
zu müffen glaubt, daß man diefe Kommiffion
nicht aus allgemeinen Klablen der Beteiligten
hervorgehen läßt, fo foll man auch den Mut zur
Konfequenz haben, und die gefamte Macht dem
einen, dem Leiter der Sammlung in die Hände
legen. Da pd) Tein Klirken ja in kurzen Ab-
fcbnitten in vollfter Öffentlichkeit kontrollieren
läßt, wird es felbft dem geriebenften Nepotiften
fchwer werden, Schaden anzurichten, und id)
habe andererfeits noch nie gelben, daß wirk-
lich Großes und Gutes aus Kommifßonen t)er~
vorgegangen ift. Aud) aus den klügften und
fachverftändigften nicht. Qnd wer die Leitung
einer folcben Sammlung übernimmt, der muß

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