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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 14
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Uphoff, Carl Emil: Bernhard Hoetger
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0451

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Mit 10 Abbildungen / Von C. E. UPHOFF

Bernhard Hoetger

Die große Zeitwende, die feßerifcße Menfcßen fcßon des 19. Jaßrßunderts fieß als
unabwendbares Scßickfal vorbereiten [aßen, ift über uns gekommen.
Nun ift Stunde um Stunde ein rafendes Fallen und Vergeben. Nun ift ein
großes Gericßt der Menfcßen über die Menfcßen.
(Her geftern noch) auf Ußronen mit Rußm umpurpurt faß, fcßleicßt ßeute entlarvt als
ein kläglicßer fließt einßer.
(Her geftern noeß als Geiftiger und Füßrer ßoeß gepriefen wurde, der muß fieß ßeute

notgedrungen oder ge-
zwungen für unfäßig be-
kennen, den neuen Auf-
gaben aueß nur ins Geficßt
zu feßen.
Alle Größe der näßen
und fernen Vergangenßeit
ift fragwürdig geworden.
Ein tiefer Verdacßt ge-
gen alles Geftrige feßließ
fieß in die Menfcßen —,
ein feßlimmer Verdacßt
gegen alle, die Große und
Füßrer ßießen, die als
Große und Füßrer Acßtung,
Unterordnung und blinden
Glauben forderten.
Das Elend der unzäßli-
gen darbenden Leiber und
dürfenden Seelen reckt fieß
wie eine droßende Fauft
gegen den Fjimmel und
gegen das Vergangene.
Es wurde ißnen offen-
bar, daß fie betrogen und
zum Selbftbetrug verleitet
wurden.
Es wurde ißnen offen-
bar, daß fieß der Geift
zum öngeift und alfo
der Menfcß zum Unmen-
feßen verwandelte. Denn
Menfcß fein, das ßeißt
geiftig fein.
Geiftig fein aber ift die
Gabe zur inneren Scßau-
ung und zur feßöpferifeßen


Äbb. 1. Bernßard F>oetger. Eva.

Geftaltung neuer Lebens-
inßalte und Lebensformen.
Scßöpferifcß fein aber ift
das Vermögen, ungeform-
tem Geift und ungeform-
ter Materie lebenausftraß-
lende Lebendigkeit geben
zu können.
Die Füßrer von geftern
aber waren nießt geiftig
gerießtet, fondern kapita-
liftifcß. Sie lebten von
dem in der Gefcßicßte
aufgefpeießerten Geift als
von dem ißnen übererbten,
ißnen zur Nutznießung die-
nenden Geiftkapital.
Die Füßrer von geftern
waren aueß nießt feßöpfe-
rifeß. Sie vermoeßten die
überkommenen Formen
und Inßalte —, das über-
lieferte Leben nur zu va-
riieren und zu analyfieren.
Es feßlte ißnen die
Fäßigkeit zur inneren
Scßauung und feßöpferi-
feßen Geftaltung; fie wa-
ren ungeiftig und un-
künftlerifcß.
Ulenn aber den Füß-

1 Die hüiedergabe der
F)oetgerfcben ttlerke erfolgt
mit freundlicher Genehmigung
derKunfthandlung Fritz Gur-
litt, Berlin.
Die Schriftleitung.
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Der Cicerone, XI. Jatjrg., beft 14

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