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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 9
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Kunstpolitik
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Ausstellungen
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Kun ft politik — Ausheilungen

Oder: der Film zeigt die dem Maler ÖFilbelmfon
gewidmete Öland im National-Mufeum. Seine
Stellung innerhalb der neueren fcßwedifcbenKunft-
gefcßicßte wird kurz dargelegt. Dann wird der
Befcßauer in die Natur geführt, in der der Künftler
auf wuchs; er fießt ißn bei der Arbeit, beobachtet,
wie er feine Modelle auffucbt, feine Freiluftftudien
macht. Dazwifcben gelegentlich eine aufklärende
Bemerkung oder ein anregender Hinweis. Darauf
fleht man den Maler in feiner ölerkftatt, wo er
das im Sommer gefammelte Material zu Ge-
mälden verarbeitet, und fcbließlicb Rückkehr ins
Mufeum, wo ÖLlßelmfons Bilder nun Stück für
Stück durchgegangen und befcbrieben werden.
Intereffant ift der Entwurf zu einem Film über
Stil und Fjausrat der Renaiffance. Erftes Bild:
Renaiffanceporträts, an denen das Bezeichnende
in Cypen und Erachten dargelegt wird; Schilde-
rung des Milieus, das [ich diefe Menfcben fchufen.
3weites und drittes Bild: alsBeifpiele inScbweden
erhaltener Renaiffanceräume werden das Gefäng-
nis Johanns III. auf Gripsholm und Erichs XIV.
3immer in Schloß Kalmar gezeigt. Viertes Bild:
Vorführung der Renaiffancemöbel des Mufeums,
Schilderung ihrer Stileigentümlichkeiten und der
Fjerftellungsverfabren. Gegenbeifpiele moderner
Fälfcßungen, und Fjinweis auf die ünterfcßiede
zwifcben ihnen und den Originalen, An Gemälden
und Stichen wird ein Bild von der urfprünglichen
Verwendung und Aufteilung des Fjausrats Se"
geben. Fünftes Bild: die fabrikmäßige falfcße
Renaiffance der fiebziger und achtziger Jahre.
Secbftes Bild: Anfätje zu einer Erneuerung des
Möbelftils im Geifte, jedoch nicht in Nachahmung
der Renaiffance.
Der Plan ift, wie man aus diefen Mitteilungen
entnehmen wird, fauber durchdacht und verrät
den Kundigen. Seine grundfäßlicße Befprecßung
würde die Aufrollung des ganzen Kunfterzießungs-
problemes bedeuten und daher viel zu weit
führen. Es genüge zu bemerken, daß die An-
faßpunkte von Dr. Gauffin zweckmäßig gewählt,
freilich aber nicht erfcböpfend find: es fehlt die
Anknüpfung an die eigenen Lebenserfahrungen
und Lebensbedingungen der Befcbauer. Bedenk-
lich bleibt die Einfchiebung der immer unleidlichen
Legenden (oder find die Serien als illuftrierte Vor-
träge gedacht?). Immerhin lohnt der Verfuch —
wenn man ficb von vornherein gegenwärtig
hält, in welchen Grenzen er Erfolg haben kann.
Denn alle Vermittelung von Kunftwerken auf
dem ölege der Bildung und Erklärung bleibt
Kunfterziefmngs-Erfaß; organifcbe Kunfterziebung
kann allein aus einer Arbeit erwacbfen, die felbft
ihrer Natur nach zur Kunft in Beziehung ftebt
oder künftlerifcber Art ift. adr.

Ausheilungen
Neue Graphik lebender deut-
fdjer Meifter
Die moderne Abteilung des Kupferfticßkabi-
netts hat eine Ausftellung ihrer Neuerwerbungen
von deutfcben Meiftern eröffnet, die einen mu-
tigen Fifcbzug im Gewäffer der neueften Kunft
darftellt. ölenn man mit Recht den frifcßen
Geift der Nationalgalerie rühmt, die dem Ex-
preffionismus ihre Core auffcbließt, muß man
billig fagen, daß das Kupferfticßkabinett fcbon
um eine Pferdelänge voraus ift. Es gehört nun
fcbon zur Cradition guter Berliner Ausheilungen,
daß fie mit einer Verbeugung gegen Liebermann
beginnen. Seine Porträtlithographien und Strand-
radierungen, mit gewohnter Meifterfcbaft zu-
fammengeriffen, bedeuten aber nur eine quan-
titative Bereicherung des Kabinetts. Eine Über-
rafcfmng jedoch bieten die Novissima Corintbs.
Die fcbwarzweiße Sicherheit diefes großen Kön-
ners wird man in dem Fjarem und dem Gebar-
nifcßten (Schwarz 170, 171) bewundern. Allein
er wäcbft über den Impreffionismus hinaus; da
ift ein Blick über ein Balkongitter mit Blatt-
pflanzen quer über eine Straße (Scßw. 204), in
dem das rein materielle Subftrat zugunften höhe"
rer geiftiger Einheit erlifcbt. Im Gefolge diefer
beiden Großen tritt dann das folide Epigonen-
tum Röslers, Roricßts und Brockmanns auf. 3U
diefem Kunftkreis, in dem noch malerifcbe Kul-
tur zu Fjaufe ift, gehört auch Purrmann, ein fpät-
geborenes deutfcbes Renoireben. ÖFie febr er
als Maler überfcßäßt wird, zeigte jüngft die
3eichnungsausftellung bei Caffirer und er wird
auch nicht beffer dadurch, daß fämtlicße Mu-
feumsdirektoren ihre Gattinnen von ihm malen
laffen. Seine Graphik zeigt ihn aber auf refpek-
tabler F)öße. Am delikateften fcheint mir das,
Interieur mit einem ficb kämmenden Mädchen.
Bei diefer lichten Radierung ift die räumliche
Erfcbeinung mit ganz leife bnfebenden Valeurs
erreicht. Rudolf Großmann ift dagegen fießer
noch nicht nach feinem ölert eingefcßäßt. Als
Übergangsmeifter erweift er ficb bei der Radie-
rung des Leicbenbegängniffes des Kardinals
Fjartmann vor dem Kölner Dom, bei dem es ißm
nicht um die wimmelnde Bewegung, fondern
um die geballte Form geftauter Maffen zu
tun ift. Die übrigen Radierungen Großmanns
gehören der Parifer 3eü des Künftlers vor dem
Kriege an. Erwähnenswert find noch einige
reizende Sächelchen, die Pascin, der 3üle der
Dekadenz, radiert bat.
Das andere Lager, das expreffioniftifeße, ift

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