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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 3
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Der Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0085

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Der Kunftmarkt

Der Kun ft markt
Der Kunftmarkt der Entente im
ÜJeltkriege
Der Kunftmarkt der Entente im öleltkriege
hat fo ftarke Schwankungen durchgemacht, daß
fie felbft dem bemerkbar wurden, der nicht un-
gehemmt der Entwicklung zu folgen vermochte.
Bei dem unerwartet fchnellen Vorftoß der
deutfchen Fjeere im (Heften begann zunächft
eine lebhafte Flucht belgifchen Kunftgutes nach
England, fodaß fogar das Viktoria- und Älbert-
Mufeum davon eine eigene Husftellung machte.
Es wurde nicht nur viel in Sicherheit gebracht,
fondern noch vielmehr auf den Londoner Kunft-
markt geworfen, fei es von privaten Befitjern,
fei es von FJändlern, mir werden gut tun,
diefes Moment im Äuge zu behalten, je£t wo
feit Monaten in der Entente-Preffe fo viel von
den Kunftwerken die Rede ift, die wir aus
Belgien weggefchleppt haben follen, und für die
uns Qerr Bettenhove fd)on die Rechnung vor-
bereitet. Von diefer Rechnung wird fich viel-
leicht mit gebührender Kritik und mit einer
Forderung nach Revifion des Londoner Marktes
der erften Kriegsjahre nicht wenig abftreichen
laffen. F)ier wie in Frankreich müffen wir mit
der Möglichkeit rechnen, daß mit doppelter
Kreide gefchrieben wird, denn wir haben ja
bei uns im Lande felbft, ohne ihn durchaus ab-
leugnen zu wollen, relativ recht wenig von dem
großen 3uftrom von Kunftwerken aus den be-
feljten Gebieten gemerkt, den man uns jetzt,
wie manches andere, einreden will. Das gilt
auch für Frankreich. Der Vormarfch der
Deutfchen wirkte geradezu kataftrophal auf den
Parifer Kunftmarkt. Die wichtigften Kult-
handlungen fchloffen, die 3eitfd)riften hörten
zuerfcheinen auf, ja es ging an ein allgemeines
Vergraben von Kunftbefitj in ganz Frankreich-
Erft nach der Marriefchlacht begann fich der
Parifer Kunftmarkt ein wenig zu erholen. Ära
wenigften vermochten die erften Kriegsjahre
den Kunftmarkt von London zu beeinfluffen.
ölährend der Parifer Markt fo gut wie tot
war, hielt fich der Londoner Büchermarkt auf
feiner alten Fjöhe, und die Kunftauktionen
reagierten auf den Krieg lediglich durch ein
Sinken der Gemäldepreife, die immer dort eine
unfichere Angelegenheit gewefen waren. Denn
der englifche Bilderfammler von Qualität war
gewohnt, alles daheim zu kaufen, bloß Ge-
mälde fuchte er in Paris auf, weil ihm da der
eigene Markt doch ein bischen zu gemifcht

war. Mit all dem zeigte fich auch fteigende
(Inluft in London, eine (Inluft, die fich merk-
würdigerweife in einem Preisfturz für die kleinen
Objekte äußerte, während die großen durch-
wanden. Die (Ingunft des Krieges hat alfo in
London gerade entgegengefetjte Erfcheinungen
gezeitigt, wie fie jetjt bei uns hervorruft: es
fcheint, als würde unfer Markt in der 3ukunft
für große Objekte keine Aufnahme und gerade
den kleinen relativ gute Äusfichten bieten.
In diefen Niedergang des Entente-Kunft-
marktes hinein ftürmten die Amerikaner. Sie
waren die einzigen, die zunächft in diefern
Kriege nichts riskierten, aber bedeutend an
ihm gewannen. Nun wurde von den amerika-
nifchen Autoritäten die Parole ausgegeben, jetjt
oder nie könne Amerika, das bisher die teuer-
ften Preife bezahlte, zum wohlfeilen Käufer
werden. Europa fei beftürzt und brauche Geld,
Amerika habe das Geld. Eine Folge diefer
Bereitwilligkeit Amerikas, Kunft in größeren
Mengen aufzunehmen, zeigte fich darin, daß
all der europäifdbe KunftbeßS, der fich plötzlich
vom Markte abgefchloffen fah, nach Amerika
auswanderte.
Bereits 1914 kam eine recht gute Sammlung
alter Bilder aus verfchiedenen englifchen Privat-
fammlungen in die Änderfon - Galeries; fie
konnten aber erft mittelmäßige Preife erringen.
In den folgenden Jahren verftärkte fich der 3u-
ftrom kontinentaler Sammlungen und einzelner
Bilder nach Amerika in der unerhörteren (Heife,
Frick und (diedner konnten ihre Sammlungen
komplettieren, Frick mag allein 6—7 Millionen
Mark ausgegeben haben. Aus England kam
die Sammlung Lord Dembighs mit ihren be-
rühmten van Dycks in eine New-Yorker Kult-
handlung. Im Jahre 1917 führte Amerika für
105 Millionen Mark Kunft ein, das meifte davon
aus Frankreich. Aber auch Italien wollte nicht
Zurückbleiben, es erzielte mit einer einzigen
Äntiken-Äuktion in New-York 31/2 Millionen
Mark und verkaufte für 25 Millionen Lire den
vollkommenen Palaft Dovanzali. Es fei auf
Einzelheiten nicht weiter eingegangen — Frank-
reich wurde allein im Jahre 1917 zwei Rem-
brandts an New-York los, — die Folgen ftellten
fich jedenfalls bald ein. England mußte ein
Kunftausfuhrverbot erlaffen, wollte es nicht alle
Qualität aus Privatbefitj los werden, und in
Amerika ftellte es fich heraus, daß fich durch
die fortgefetjte europäifche Einfuhr und Über-
häufung des New-Yorker Marktes allein im
Jahre 1917 der (dert des amerikanifchen Kunft-
befi^es um 30 Millionen Mark verringerte.
Infolgedeffen erließ nunmehr Amerika feinerfeits

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