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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 24
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Steinmann, Ernst: Sammelleidenschaft der Bonaparte
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0842

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S a m m e 11 e i d e n f d) a f t der Bonaparte
Von ERNST STEINMANN
Id) mad)e mir nid)t viel aus den Frauen und aus dem Spiel. Es gibt überhaupt
nichts, das id) wirklicl) liebe. Ich) bin ganz und gar ein politifcl)es (Hefen“, fo l)at
Napoleon fiel) felbft einmal cl)arakterifiert, und es fel)lt nicl)t an 3eugniffen anderer
über ißn, dies Selbftporträt zu vervollftändigen. Sel)r l)art lautet das Qrteil des Ge-
nerals Landrieux, der feinerfeits von Napoleon nid)t minder hart beurteilt worden ift:
„Er verband in feinem Charakter die l)öd)fte Fähigkeit fd)amlos zu lügen mit einer
grenzenlofen Gier nacl) Macl)t und Reichtum. Er war der vollkommenfte FJeucßler, den
man fiel) vorftellen kann und dabei von einer Energie des Fjandelns, die fiel) nur mit
der der Soldaten vergleichen läßt, die er begeifterte, ißm Folge zu leiften.“
Daß ein folcßer Mann, der ganz Soldat und ganz Politiker war, zur Kunft kein
Verhältnis haben konnte, leuchtet von felber ein. Allen Bemühungen feines General-
direktors Denon ift es nicht gelungen, den Kaifer in diefer FJinficßt zu bilden, mochte
er ihm auch alle Gemächer in den Cuilerien und in Saint-Cloud mit den koftkarften
Gemälden fchmücken. Niemand hat in diefem Sinne das (Hefen Napoleons klarer er-
faßt als Cßaptal, einer feiner erften Minifter des Innern: „(Henn er die Künfte för-
derte,“ — fo fcßreibt er — „fo gefeßaß es aus politifcßen Rückßcßten oder aus der
Sucht zu glänzen, aber niemals aus der Empfindung heraus, die uns eine Nation nach
ihren Denkmälern oder den Schöpfungen ihrer großen Männer beurteilen läßt. Oft
habe ich ihn fagen hören, die Pyramiden in Ägypten und der Körperbau des Riefen
Friou hätten ihn von allen Dingen, die er gefehen, am meiften in Erftaunen gefegt.
Es war feltfam, ihn zu beobachten, wenn er eiligft durch das glänzende Mufeum feiner
Fjauptftadt dahinfd)ritt. Alle Kunftwerke aller 3ßiten ließen ißn im Grunde völlig kalt.
Er blieb überhaupt nirgends ftel)n, und wenn man feine Aufmerkfarnkelt auf dies
oder jenes Stück zu lenken verfucßte, fragte er nur gleichgültig: von wem ift das —
dabei fagte er kein (Hort und zeigte nicht die mindefte Bewegung. Da ihm auch für
die moderne Kunft jegliches Verftändnis fehlte, fo glaubte er immer, der fei der befte,
der gerade feine Gunft befaß.“
Aber als es galt, die Cuilerien und Saint-Cloud als Kaiferlicße Refidenzen herzu-
richten, da war ißm gerade das befte gut genug. 3war ließ er im Publikum ver-
breiten, er feße es ungern, wenn die beften Gemälde plötzlich in feinen Scßlöffern
verfeßwänden; in (Hirklicßkeit aber brachten feine und noeß viel meßr Jofepßinens
Forderungen felbft Denon zur Verzweiflung.
Seit dem 19. Februar 1800 hatte fieß Bonaparte in den Cuilerien häuslich eingerichtet.
„(Hir leben in beftändigem Kampf mit unfern Nachbarn in dm Cuilerien,“ feßrieb einer
der Mufeumsadminiftratoren am 1. Juni 1801 an Dufourny nacl) Italien; „alle Hage
verlangt man von uns Bilder erften Ranges. Man mußte wenigftens teilweife naeß-

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