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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 13
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Kirchner, Joachim: Franz Heckendorf
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Spengemann, Christof: Kunst, Künstler und Publikum, 1, Stellung zur Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0424

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Kunft, Künftler und Publikum

Städten regelmäßig zu befueßen, woßl aber mit der Kunft ißrer 3^it mitzugeßen
wünfeßen. Qnd gerade darauf kommt es an! Äls Förderin eines neuen Gefcßmackes
und einer neuen Gefinnung follte fieß die junge Generation es ganz befonders an-
gelegen fein laffen, für ißre Ideen in weiteften Scßicßten des Volkes zu werben. Nicßt
damit ßat der Künftler feine Aufgabe gelöft, wenn er mit feinen Arbeiten bei einigen
Kunftkennern und Kunftfreunden Beifall findet. {Bill er eine kulturßiftorij'cße Miffion
erfüllen, fo muß es ißm gelingen, für die Ideen feiner 3ßit entfpreeßende Ausdrucks-
formen zu finden. Nur fo wird er an der Bildung des 30itftils mitfeßaffen. 3U einer
folcßen Aufgabe dürfte fieß die junge expreßfioniftifeße Kunft vielleicßt umfo geeigneter
erweifen, als fie oßne jede ßiftorifeße Belaftung und oßne die einengenden Scßeuklappen
feftumriffener Rezepte in Erfcßeinung tritt. Damit ift ißre Entwicklungsfäßigkeit ge-
wäßrleiftet. Diefe Entwicklung, die für die kulturelle öüertung unferer 3ßit von ewiger
Bedeutung ift, in die rießtigen Baßnen zu leiten, ift Sacße unferer Künftler und nicßt
zum wenigften unferer Maler. Mögen fie fieß bei ißrem Scßaffen ftets vom Geifte
der Selbftkritik und der Selbftzucßt leiten laffen, dann werden fie fpäter mit Eßren
vor der Gefcßicßte befteßen können.

Kunft, Künftler und Publikum i. Steilung zur Kunft
Von CHRISTOF SPENGE MANN

Echte Kunft ift dem urfprünglicben Menfcßen
verftändlid).
Die Kunft von beute wird von Unzähligen
niebt verbanden. Ihre Gegner behaupten darauf-
hin: fie fei unverftändlicb; rückfcbließend: fie fei
nicht echt, fei überhaupt keine Kunft.
Der Rückfcbluß bricht zufammen, da er keine
Bafis hat. Rückfcbltiffe mtiffen von der Bafis
der Catfachen ausgehen. Jene Behauptung ift
keine Catfache: fie ift ein Irrtum. Catfache
ift, daß die Kunft von heute nicht verbanden
wird. Sie ift nicht unverftändlicb- Sie ift es
nur dem, der fie eben nicht verftebt.
An ihm liegt die Schuld: nicht an der Kunft.
Er ift nicht urfprünglicß. Darum fehlt ihm der
Sinn für das ürfprünglicbe. Man fühlt es. Er
aber fühlt nicht, er denkt.
Denken heißt hier: die fogenannten Gefeße
derScbönbeit verftandesmäßig anwenden. Anders
kann man fie nicht anwenden. Denn fie find
Produkte des Verftandes. Sie haben nur eine
ürfaeße: den Verftand. Aus dem örfprung
kommen fie nicht. Im Anfang war das Gefühl.
Aus ihm kam der Verftand. Im Verftand offen-
bart ficb das Gefühl, das vor ihm war.
Es offenbart ficb nicht immer. Denn der Ver-
ftand ift fubaltern und greift oft irrend, weil er
nicht Qrfprung ift, zur Richtlinie. Er begrenzt
ficb- Damit entfernt er fiel) vom Gefühl, das
grenzenlos und unbegrenzt ift.

Damit entfernt er ficb zugleich von den Dingen,
die im Bereich des Gefühls ruhen. Er entfernt
ficb von der Kunft.
Gefeße der Schönheit? Es gibt nur ein Gefeß
der Schönheit: febön ift allein, was organifcß
ift. Die Chefen begrenzten Verftandes find weder
organifcb noch treffen fie Organifcbes.
Auch fie erben ficb wie eine ewige Krankheit
fort. (Iler in ihnen befangen ift, wer in ihrem
Rahmen die Kunft verftandesmäßig erfaßen will,
bleibt ihr fern.
Er verftebt die Kunft von heute nicht, weil er
die Kunft nicht verftebt.
Es ift letzten Endes verkehrt, von alter und
neuer Kunft zu fpreeßen. Die frühere Kunft ift
ewig jung, die von heute ift ewig alt. Es gibt
weder alte noch neue Kunft; es gibt nur Kunft.
Es gibt vor allem keine moderne Kunft.
Modern find (Hißenfcbaft und Cecbnik, die
dem Verftande entfpringen. Sie find Antipoden
der Kunft, find zeitlich.
Modern ift außerdem der Kitfcl), der ebenfalls
dem Verftande entfpringt. Er ift ein Scßmaroßer
auf dem Boden der Kunft. Auel) er ift zeitlich
- und leider außerordentlich modern.
Die Seele, der Geift, das Gefühl — das ift das
Ewige in uns und den Dingen!
Kunft ift ewig, denn Kunft ift Gefühl. Das ift
ißr Riefen.
Es gibt woßl eine Kunft von heute, im Sinne

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