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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 19
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Biermann, Georg: Hugo von Habermann
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0631

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Von GEORG BIERMANN
Mit 12 Abbildungen


ßugo von Fjabermann

im 'Bewußtfein feiner 3ßit lebt, dann darf man woßl annehmen, daß feine

Kunft aücl) noch) weitere Generationen überdauern wird und die Probe auf ißre
t)iftörifcf)e':Exiftenzbered)tigung längft beftanden hat.
, Dief.ör Fall trifft auf Habermann zu und es ift vielleicht das Merkwürdigfte, was
man diefem Ältmeifter deutfcßer Kunft nacßfagen darf, daß er nachgerade anfängt, in
dem: GefüßL feiner Epocße fiel) von den engen Grenzen jener Einteilung freizumacßen,
die ißn ein Jahrzehnt hindurch und länger immer nur auf dem Hintergrund der Mün-
chener Überlieferung fef)en wollte. (Hohl ift auch Habermann wie feine berühmten
3eitgenoffen, die .fiel) etwa um Leibi einerfeits, um Piloty und (Hilßelm von Diez an-
dererfeits. gruppieren, in feiner Entwicklung ohne die fpezififch Müncßnerifcße Atelier-
kunft nicht zu denken, die auch bei ihm Ausgangspunkt gewefen ift — aber jeder
Verfuch einer ßiftorifeßen Eingliederung diefes Künftlers in den Rahmen der Münchner
Kunftgefcßicßte führt diefem durchaus kosmopolitifchen Cyp gegenüber in die Sack-
gaffe. Hat Habermann auch ein Menfchenleben hindurch) fein Metier in Bayerns
Hauptftadt betrieben, fo ift diefe Catfache im Hinblick auf die künftlerifcße (Hertung
des Clerkes doch beinahe nebenfächlich) und was für fo viele große Künftler der
Vergangenheit gilt, trifft auch für ihn zu, daß nämlich die äußeren Dafeinsbedingungen,
die 3ufälligkeiten der Daten und Gefcßeßniffe immer dann zu untergeordneten Mo-
menten herabfinken, wenn fiel) der Geift der Kunft felbft in die univerfalere Struktur
der Gefamtepocße einfügt, bezießungsweife Ceil jener allgemeinen Entwicklung wird,
die fiel) im Künftlerifcßen ißren Ausdruck aus der Gefinnung einer Epocße heraus (dem
Schaffenden felbft meift unbewußt) formt. Paradox gefproeßen, könnte man fagen,
daß Habermann vielleicht der einzige Münchner Maler ift, der abfolut unmüneßnerifeß
vor unferem Bewußtfein fteßt und daß diefe Catfacße vielleicht auch) die Erklärung
dafür gibt, warum gerade er noch) bis vor wenigen Jaßren in der Kunft- und Fremden-
ftadt an der Ifar fo gut wie keinerlei Refonnanz gefunden ßat. Leute, die fieß fo
famos auf die Gefcßicßte der Münchner Kunft verfteßen, wiffen eigentlich auch) heute
noeß nießts Rechtes mit ißm anzufangen. Er ift für fie der Outfider und fo wenig
man auch) die malerifcßen Vorzüge feiner Bilder, den Fluß feiner Farben, die Vehemenz
diefes noch) immer jugendlichen Cemperamentes verkennt, der Habermann „liegt“ ißnen
einfach nicht, weil er fo ganz anders ift und im 3ickzackkurs über die Baßn daßinfegt,
auf der die gute Überlieferung einhertrottet.
Den Ceufel auch) über alles pßilologifcße Befferwiffen, das mit der Pedanterie des
Pßilifters immer nur regiftriert, rubriziert, analyfiert,.vergleicht, abmißt und „entwickelt“
und Kunftgefcßicßte wie die alte Jungfer den Strickftrumpf behandelt. Da werden
künftlicße Konftruktionen gezimmert und die feßöpferifeßen Perfönlicßkeiten, fein fäuber-
licß in (Hatte eingedreßt, in das für fie beftimmte Fach) ßineingelegt. Sitten fie da erft
einmal drin, find fie rettungslos dem Kunftricßtertum verfallen, ißre ßiftorifeße Stellung
ift ßaarfeßarf umfeßrieben. Noch) auf Jahrzehnte hinaus erfeßeinen fie fo und nießt
anders in den Handbüchern, die der Schweiß des Gelehrten erarbeitet. Scßlagworte
Der obige Äuffaß 'erfeßeint im-Hinblick auf die eben eröffnete große Habermann-Äusftellung
in der Modernen Galerie (H- Cßannhaufer) München, die aus Anlaß des fiebzigften Geburtstages
des Künftlers (geb. 14. Juni 1849 zu'Dillingen) zufammengebraeßt worden ift.

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Der Cicerone, XI. jaßrg., peft 19

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