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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 10
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Behne, Adolf: Werkstattbesuche, 1, Fritz Stuckenberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0303

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Ctl Grkftattbefucfyß1 LFritjStuckenberg
Mit vier Abbildungen Von ADOLF BEHNE

Stuckenberg hat fic±) die Gewiffensfrage geftellt: bin icl) Schöpfer oder bin ich) es
nicht? Die Gecfmik der Porträtiften beherrfd)ie er. Der Gefd)mack der Bilder-
maler war ihm zur Verfügung. Aber mit Abfcljeu verwarf er diefe Dinge-
Frei fein, Schöpfer fein . . . oder verzichten. Glas heißt es für den Maler, Schöpfer
fein? Nicht die Palette beherrfchen, überhaupt nicht herrfchen. Sondern Vertrauter
der Farben fein, felbft Farbe fein. Die Farben find nicht Subftanz. Sie find Geift,
fie find geiftige Mächte, Gefd)el)niffe, Sd)ickfale. Nicht der Maler formt das Bild.
Die Farben tun es. Künftler ift jener Menfch, den die Farben lieben, dem fie fiel) an-
vertrauen, weil er ihresgleichen ift.
3u Stuckenbergs blauem Bilde „Architektur“ kamen fie auf Gaubenflügeln, zu dem
Bilde der „Venus“ kamen fie auf bleiern-fchillernden Fifd)fd)uppen, zu feiner „Stadt“
auf milden Schneekriftallen, auf Mefferklingen zum „Gethfemane“.
In den Bildern fpielen fie nun. (Geil fie den Maler lieben, führen fie vor ihm ihre
Gänze auf. Das Malen ift das ftill beglückte 3ufel)en diefer Gänze. Das Ganzen ift
bald ein zartes Schweben, manchmal ein groteskes Pofieren, gelegentlich wird es
zum Ringen.
Die Farben find fo fein durcheinander gefdßlungen. Sie wandern auf fd»rägen Licht-
bahnen im blauen Bilde, erheben fich in feinen Kurven in dem grünen Bilde Zärtlich-
keit“, und im roten Bilde „Gleitliebe“, rollen fie fid) auf zu herr^cß prangenden
lachenden Kreifen.
Kann man Farben anders haben? Darf man fie zwingen, quer über eine Fläche
hinzuftreichen, bis eine fremde Linie Galt gebietet oder bis eine andere Farbe fid)
widerfe^t? Jede Farbe hat ihre Bahn, ihr Gempo, hat ihre Freundfchaften. Sie bringt
fid) ihre Begleiter und Gefpielen mit.
Alfo „dekorative“ Bilder?
Im Gegenteil: vollkommen erfüllte Bilder . . . erfüllt von einer immateriellen Ge-
fe^lid)keit. Es ift freilich nichts Menfd)enl)aftes, was die Bilder Stuckenbergs erfüllt.
Kunft ift ihm keine Ablagerftelle für Pfyd)ifd)es. Jede wahre Form ift wie der Kriftall
fternenhaft. Die Reinheit des Kriftalles und feine Vielfältigkeit, feine 3artt)eit und
Strenge ift fd)öner als die unzuverläffige Kompliziertheit menfd)lid)er . . . ad) fo klein-
licher Seelen und Gepichter. Die Kontur einer menfd)lid)en Stirne ift nur fd)ön als
letzter Reft und Grümmer einer herrücßen ftolzen Glölbung. Nicht die zerbrochenen,
engen, fleifdßigen Maffen menfd)lid)er Körper find fd)ön, fondern die Kreife, die Ge-
raden, die Parallelen, die Kurven, Ellipfen, Ovale und Dreiecke, welche die Idee find.
In ihnen erft erhält das Gefd)el)en feinen Sinn.
„Abftraktion“ ift ein leicht irreführender Ausdruck, weil er nad) Gheorie, Unfinnlid)-
keit, Leblofigkeit klingt, ünd hier ift von alledem das offenbare Gegenteil. Von
intenfivfter Sinnlichkeit find Stuckenbergs Farben. Glie ift fein Rot rot, fein Grün
grün! Es wenden fid) freilich feine Farben und Formen an reine, klare, offene Sinne,
fetten Urfprünglid)keit der Augen voraus. CInd eine höhere Lebendigkeit als in Stucken-

1 önter diefem Litel wird Adolf Bebne eine Folge von Beiträgen veröffentlichen, die fich mit
Problemen und Perfönlichkeiten der werdenden Kunft befaffen. Die Schriftleitung.

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