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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 21
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Noack, Friedrich: Lord Bristol, der absonderliche Kunstfreund
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0721

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©Bff KUNSTSflMMLEB

Von 5ammclwöjen und Ktm|tereigmflen

Lord Briftol, der abfonderlid)e Kunftfreund
Vo/z 57?/LD. NOACK
In der vornehmen Hielt Englands ging um die Ulende des 18. Jahrhunderts das ge-
flügelte Ulort eines ihrer Angehörigen um: Gott hat Männer, Frauen und F>erveys
gefchaffen. Die Familie Hervey, die hiermit als aus dem üblichen Rahmen der
menfchlichen Gefellfchaft und ihrer Sitten heraustretend gekennzeichnet wurde, ver-
dankte das feltfame Urteil wefentlicß dem Freiben eines ihrer Söhne, der daheim wie
auf de'm europäifchen Feftland durch feine Ärt und Lebensweife ein Auffeßen erregt
hat, das dem Volke Albions nicht gerade zum Ruhm gereichte. Der Mann bekleidete
zwar ein ßol)es Kirchenamt, fein Verhalten war jedoch fo wenig gottgefällig, daß die
National Biography fiel) nicht enthalten kann, in feinem Lebensabriß ißn einen fcßlecßten
Vater und noch fcßlecßteren Gatten zu nennen. Er würde darum wohl verdienen, der
Vergeffenheit anheimzufallen, wenn er nicht als Sammler und Förderer der Künfte
eine nicht verdienftlofe Rolle gefpielt hätte.
Frederick Auguft Fjervey, D.D., vierter Earl of Briftol, Bifchof von Derry, war als
dritter Sohn von John Fjervey am 1. Auguft 1730 geboren und hatte nach Beendigung
feiner Studien in Hleftminfter und Cambridge als Clerk of tße Privy Seal und Royal
Chaplan im öffentlichen Dierift geftanden, bis er 1767 Bifchof von Clogne wurde und
ein Jahr danach feine kirchliche Laufbahn mit der Ulürde eines Bifcßofs von Derry
krönte und den theologifchen Doktorgrad erwarb. ULffenfcßaftlich feßeint er fiel) in
der Gottesgelahrtheit nicht hervorgetan zu haben, doch wird ihm eine lobenswerte Ver-
waltung des ihm zugefallenen reichen Bistums nachgerühmt. Aus feiner 1752 mit
Elizabeth Davers abgefch)loffenen Ehe entfprang 1759 Elizabeth Fjervey, die als Her-
zogin von Devonfhire einen anfeßnlicßen politifchen Einfluß ausgeübt und im Alter
während eines neunjährigen Aufenthalts in Rom gemeinfam mit angefel)enen Gelehrten
die Altertumsforfcßung eifrig gefördert hat. Daß ißr Vater an der Erziehung diefer
ausgezeichneten Dame, die übrigens auch nicht frei von abfonderlichen Launen war,
einen verdienftlichen Anteil gehabt habe, darf nach dem erwähnten Urteil der National
Biography füglich bezweifelt werden. Seine Gedanken waren zeitlebens hauptfäd)licl)
darauf gerichtet, nach perfönlicßer Luft und Laune die reichen Mittel durchzubringen,
die das Glück ihm verfchwenderifd) in den Schoß geworfen hatte. Die fetten Ein-
künfte feiner bifchöfliehen Ulürde wurden nämlich noch durch eine Jahresrente von
20000 Pfund vermehrt, die ihm als Erben feines 1779 abgefd)iedenen Bruders zufiel.
Nach der damals fdßon vom britifeßen Adel gepflogenen Sitte brachte Lord Briftol, wie
er kurzweg genannt wurde, fein Geld mit Vorliebe auf Reifen durch Europa unter die
Leute, vorzugsweife in Italien, dem Land des Sonnenfeheins und der alten Kunftfcßät$e,
welches er fdßon feiner Gefundßeit wegen feit 1771 häufig auffueßte und zur zweiten
Heimat erkor. Ulir finden ißn im Früßjaßr 1771 in Via Co.ndotti zu Rom wohnhaft,

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