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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 4
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Hoeber, Fritz: Persönlichkeit und Volkstum in der Baukunst der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0098

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Perfönlichkeit und Volkstum in der Bau-
kunft der Gegenwart v0„ fritz hoeber
i.
Bei Bildern und Plaftiken, bei Mufikftücken und Dichtungen aller Art — mögen fie
aus nocl) fo alter 3eit [tammen — weiß man in der Regel den Namen des
Künftlers, dem fie ihr Dafein verdanken. Bei Architekturen dagegen, alten
wie neuen, ift die Namenlofigkeit das Gewohnte. Der Schöpfer tritt vollftändig
hinter der Schöpfung zurück, Dnd das wirft die intereffante Frage auf nach der Rolle,
die gerade im Bauwerk die Künftlerperfönlid)keit fpielt: Stellt diefe nur ein regu-
lierendes Prinzip innerhalb eines Vorgangs des Auswählens, des ted)nifd)-gefchmack-
lichen Sichtens dar, oder muß der Baumeifter genau fo intuitive Perfönlichkeit wie
der Maler und der Bildhauer, der Mufiker und der Dichter fein?
(Das die Intenfität des Perfönlichen, des Schöpferifch-lntuitiven anlangt, fo
kommt darin der große Baukünftler, der pßantafiebegabte Erfinder fcßöner Körper und
Räume, felbftverftändlicß allen feinen künftlerifcßen Genoffen gleich- Peter Behrens
fagt von feinem Schaffen: Kunft entftetjt nur als Intuition ftarker Individualitäten und
ift die freie, durch materielle Bedingungen ungehinderte Erfüllung pfychifcpen Dranges.
Sie entfteht nicht als 3ufälligkeit, fondern als Schöpfung nach dem intenfiven und
bewußten (Dillen des befreiten menfd)lid)en Geiftes. Sie ift die Erfüllung pfyd)ifd)er,
d. h- ins Geiftige überfet^ter 3wecke, wie fie fiel) als folcße in der Mufik am klarften
offenbart. — Allein wie weit nun dies Perfönlicße und Individuelle wirklich in der
Baukunft zu fid)tbarem Ausdruck gelangt, das fcheidet Architektur und Kunft-
gewerbe deutlich von den anderen Künften: Es liegt das bekanntlich an dem dua-
liftifchen Doppelcharakter der angewandten Kunft, die mit ihrem einen Ende in
die von allem praktifchen Lebenswillen abgefd)loffene Ifolierung des reinen äftl)e-
tifchen Erlebniffes hineinragt, mit dem anderen aber wiederum gerade diefer aktiven
(Uirklichkeit dienftbar verbunden erfdjeint. So wird denn die Perfönlichkeit, auf die
das angewandte Kunftwerk notwendig Bezug zu nehmen hat, weniger der Schöpfer
fein können, der fiel) in ihm frei und ungebunden ausfpricht, als der Gebraucher —
d.i. in der Architektur der Bauherr— dem das nu^bare (Derk Antwort auf feine Bedürf-
nisfragen, feine leiblichen wie auch feine geiftigen zu geben hat: Nach einem
muß es „fiel) ftimmen“, und da dies — feinem innewohnenden 3weck nach — niept der
Erzeuger fein kann, wird es der Verbraucher fein müffen, foll es nicht zu verhängnis-
vollen (Diderfprüchen zwifchen Leib und Seele, äfthetifd) gefprochen: zu Stillofigkeit führen.
Bedeutet das nun — bei der gewöhnlichen äfthetifchen Indifferenz des nutjkünft-
lerifchen Verbrauchers, des Publikums — die einerlei durchgeführte Gleichförmigkeit,
ohne einen anderen (Deel)fei als den durch die Bedingungen geforderten? — Der Mannig-
faltigkeit diefer Bedingungen, der fchöpferifchen wie der anfd)aulid) wirkfamen,
und ihrer reichen Kombinationsmöglichkeiten hier aufzählend zu gedenken, würde zu weit
führen. Eine muß aber auch hier, ihrer ftarken Fähigkeit zu charaktervoller Qnterfd)eidung
wegen, befonders hervorgehoben werden, zumal da fie in hervorragender (Deife gerade
für die Baukunft wichtig wird: die Bedingung landfchaftlidper Individualifierung.
Von jeher war es Stilforderung für alle Bauten, daß fie fiel) zweck- und ftimmungs-
gemäß dem Charakter der Landfchaft eingliederten und anglichen, in der fie fiel)
erhoben. Ja, fie konzentrierten den natürlichen Landfchaftscharakter in der Art,

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