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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 8
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Kunstpolitik
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Kunftpolitik

eine 3'ikunft auf dem Gebiete der Kunft haben,
fo muß es all feine Kräfte, all fein Können und
feine Klugheit auch) auf dem Gebiete der Klein-
kunft daranfeßen, das klafßfcße Land der Qua-
litätsproduktion zu werden. Bei einem öüerke
dar Kunft oder des Kunftgewerbes, das aus
Deutfcßland kommt, muß die ganze GQelt wiffen,
daß es zwar teuer, wenn es fein muß unver-
fcßämt teuer, daß es aber auch) fabelhaft gut ift.
Denn unfere Abnehmer werden viel reicher fein
als wir. Mit derfelben Hrbeit und in derfalben
3eit, die bisher zehn Dinge ßervorbracßten, darf
allerßöcßftens noch) eines entfteßen. Das wird
praktifcße Kunftpolitik fein. Denn diefes eine
Ding, fo teuer es aucß fein mag, wird immer-
hin wertvoller fein,als die zehn andernzufammen,
und es wird fich vielleicht, fttjt fieß nur Deutfcß-
!and in diefem Sinne durch, an diefem einen
Dinge meßr verdienen laffen, als an den zeßn
anderen zufammen. Machen wir nicht Ernft
damit, in diefem Sinne umzulernen, fo werden
Kunft und Kur ftgewerbe bei uns einen unge-
heuerlichen materiellen 3ufammenbruch) erleiden:
das eigene Land wird fie nicht meßr fättigen
können und dazu werden wir exportunfähig
fein. Qnfere Gegner im öüeltkriege werden dann
die ganzen Pofitionen erben, aus denen fie uns
jeßt nur feßeinbar verdrängt haben.
Es foll gar nicht von den ideellen Momenten
der Sacße die Rede fein, obwohl diefe dem
Schreiber diefer 3eilen eigentlich die wießtigften
find. Nicßt davon, wie nötig wir nach dem
reinen Mammonismus endlich wieder fo etwas
wie eine deutfehe Kultur haben, ünd nicßt davon,
wie unendlich wichtig das Niveau aucß für die
Spieen ift. Diefe feßönen ideellen Folgen kommen
mit der materiellen Erkenntnis feßon von felbft.
Kappa.
Parifer Zukunftskunft
Ventura Garcia Calderon (welch klangvoller
Name!) und Gafton Picard haben in der Grande
Revue eine Gmfrage über die 3ukunft der Künfte
veranftaltet und fich zuerft an Marinetti gewandt.
Die Auszüge, die der Cemps aus der Antwort
des großen Bolfcßewiften mitteilt, laffen erkennen,
daß Marinetti auch nach dem Kriege ein be-
geiferter Verehrer des Krieges geblieben ift. Seine
kiinftlerifcßen 3iele find immer noch die gleichen.
„La Beaute passeiste, romantique, symbolifte et
decadente“ foll endgültig begraben werden. (Denn
die GQelt von allem Vergangenen gereinigt fein
wird, foll aus „la splendeur geometrique et me-
canique“ eine neue Kunft gefeßaffen werden.
Die elementaren Prinzipien diefes neuen Stils
find „le soleil par la volonte, 1’ oubli ßygienique.

1’ espoir, le desir, le perissable, 1’ephemere, la
force bridee, la vitesse, la lumiere, l’ordre, la
discipline, la metßode . . .“ Das wird erreicht
durch „1’ instinct de 1’ ßomme multiplie par le
moteur; le sens de la grande ville; l’optimisme
agressif qu’ on obtient par la culture pßysique
et les Sports . . . la passion pour le succes, le
record, 1’ imitation entßousiaste de 1’ electricite
et de la maeßine . .
Über den Futurismus hinaus geht der Spßäris-
mus, der eine ßöcßft originelle Kombination von
Futurismus und Kubismus darzuftellen feßeint.
Madame Berthe de Nyse ift die Erfinderin des
Spßärismus. Boleslav Biegos hat den klaffifcßen
Stil des Spßärismus gefeßaffen. Das Prinzip
diefer Kunft berußt darin, daß Geficßter durch
ineinander geflochtene Kreife wiedergegeben wer-
den. öüenn diefe ftark farbigen Kreife fieß be-
wegen könnten, fo wäre das ein Kaleidoskop.
So banal aber find die Spßäriften nicßt. Sie aber
tragen diefe Kreife in Farben auf die Leinwand
auf und iiberlaffen in taktvoller 3urückßaltung
der Pßantafie des Befcßauers aus den vertüterten
Kreifen menfcßlicße Formen zufammenzuflecßten.
Ulas den Kubismus betrifft, fo gehen wieder
einmal Notizen durch die Preffe, daß Picasso fieß
vom Kubismus abgewandt habe. Einer feiner
Freunde berichtet im Figaro, daß Picasso gegen-
wärtig „fait de la peinture academique“. „Kürz-
lich“, berichtet Eugene Montfort, „habe ich eine
Freundin zu Picasso geführt, die verzweifelt vor
den kubiftifeßen Gemälden ftand. Endlich fagte
fie: ,Älors . . . mais alors . . . vous voyez les
cßoses comme cela? . . “
Picasso, malgre son flegme, eut un ßaut-le-
corps, et avec son accent espagnol si amüsant,
il repondit vivement: — Oß! Mais qa serait
effroyable! pa serait effroyable, madame! . . .
0. G.
Sammlungen
Die Rückkehr der alten Meifter in
den Louvre
Nunmehr find die lebten Kunftwerke des Louvre
und des Luxembourg, die im Jakobinerklofter in
Toulouse untergeftellt waren, nach) Paris zurück-
transportiert. Der erfte Cransport nach) Coulouse
fand am lebten Äuguftfonntag 1914 ftatt. Im
Juni 1916 wurde ein Ceil der Capifferien, Möbel
und Bilder im Mufeum zu Toulouse öffentlich aus-
geftellt. Im Auguft 1918 drohte den Kunftwerken
durch Feuer im Nebengebäude des Klofters Gefaßt-,
Angeblich) find alle Kunftwerke unverfeßrt wieder
in Paris eingetroffen.

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