Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (11.1919)

Neue Bücher — Aus den Vereinen und Gefellfdjaften

die Schwefterkünfte frei vom Gegenftändlichen
erft voll entfalten. Dem gotifchen Fenfter mit
feiner Farbenpracht, das erft durch die umgebende
Ärchitektur feinen Rückhalt und zugleich feine
Vlirkung erhält, fteht das Salonbild gegenüber,
das zu einer Ärt Möbel in der guten Stube
herabgefunken ift.
In gut gewählten Bildern find dem Buche
Beifpiele alter Stadtbekrönungen beigegeben.
öder an ein Äufblühen nach dem 2jufammen-
bruch glaubt, dem wird diefes Buch ein Stein
zum Äufbau einer neuen Vielt bedeuten.
VI. Luckhardt, Dipl.-Ing., Ärch.
Kunftf<±)ut$ im Kriege
Der l.Band diefer amtlichen von Paul Clemen
beforgten Veröffentlichung wird von E. Ä. See-
mann, Leipzig, angekündigt; der 2. Band foll
im Äuguft geliefert werden. Eine große 3at)l
unferer führenden Kunfthiftoriker hat [ich an
dem VIerke beteiligt, das qebunden vollftändiq
M. 45.— koftet.
DieÄnatomie des Leonardo da Vinci
deren Neuausgabe drei norwegifche Gelehrte,
der Romanift Bangenften, der Medikohiftoriker
Fonahn und der Änatom Ffopftok feit 1912 be-
arbeitet haben, ift zum 400. Vodestag Leonardos
fertig geworden und im Verlag von Jakob
Dybwad (Chriftiania) erfchienen. Die koftbare
Veröffentlichung vereinigt alle im Schlöffe von
Vlindfor befindlichen und bisher nur in Bruch-
ftücken bekannt gewordenen anatomifchen 3eich-
nungen Leonardos auf 118Vafeln in fechs Groß-
foliobänden, die mit italienifchem, englifcßem
und deutfchem Eext verfehen find.
Der Ordjideengarten
Das Titelblatt der dritten Nummer, diefer von
Karl PJans Strobl im Dreiländerverlag Mün-
chen herausgegebenen 3eitfchrift, ftellt einen
gefpenftigen Fledermausdrachen dar, der im
weitgeöffneten Rachen eine endlofe Kette angft-
und wolluftverkrümmter Menfchenleiber ver-
fchwinden läßt. Der literarifche Inhalt ift eine
Mifchung von Luft und Grauen; Fjans Meixner’s
Skizze: „Das Gehirn“, M. Frey’s ernfte Spuck-
gefd)id)te: „Die Ernte“ und fchließlich Roelling-
hoff’s köftliche Satyre: „Äufftand in Nirwana“.

Die graphifche Äusftattung diefer Nummer ift
befonders reizvoll. Rolf Vlinkler illuftriert
packend die Erzählung Poes, Paul Neu bringt
mit feinem Verftändnis für den Ffumor des Ob-
jekts 3eichnungen zum „Äufftand in Nirwana“.
„Natürlich wieder kein Schulmann zur Stelle“
ift das Vhema eines unglaublich grotesken Ein-
falls von Rudolf Fjeffe. Freunde guter phanta-
ftifcher Literatur feien nochmals auf die neue
3eitfchrift verwiefen.
Otto Grautoff, Formzertrümmerung und
Formaufbau. Berlin, Vlasmuth, 1919.
Von formalen Betrachtungen ausgehend, ge-
langt Grautoff hier zu einer Änalyfe der ex-
preffioniftifchen Kunft, die fie als ein Glied und
Symptom in dem Ringen unferer 3e*t um neue
Menfchheitsformen erkennen läßt. P. S.

Äus den Vereinen und Gefell-
fdjaften
Düffeldorf
Eine neue Gefellfchaft für künftlerifche Kultur
hat fich in Düffeldorf unter dem Namen: Äk-
tiviftenbund 1919 gebildet und folgende Leit-
fätje aufgeftellt: 1. Der Äktiviftenbund ift eine
Vereinigung derer, denen die geiftigen Energien
der Menfchheit das allein Viertvolle des Lebens
bedeuten. 2. Seine Mitglieder ftehen in tätiger
Feindfchaft gegen die zu feelenlofem Formalis-
mus erftarrte bürgerliche Tradition, die trot} der
Revolution Kunft und Kunfturteil im einzelnen
und in der Preffe faft ausschließlich beherrfcht.
3. Vlir glauben an die Einheit alles Menfchlich en
an die Kraft und Freiheit des Geiftes; wir kämpfen
für die Brüderlichkeit der Menfdjen; wir be-
kämpfen den Qngeift im Genießen des Mate-
riellen in jeder Form als einer unmoralifchen
Vereinzelung, den Gewiffenszwang und die Halb-
heit. 4. Vlir erkennen in der Kunft das ftärkere
Mittel, die gefeffelten Seelen der Menfchen zu
befreien und zu wahrhaft menfchenwürdigem
Dafein zufammenzufchließen. Vlir vertreten keine
Kunftrichtung, fondern jedes ftarke, junge Vlollen,
das diefem 3>el in rückfichtslofer Aktivität ent-
gegengeht.
Hdreffe für 3nfchriften: Dr. Erwin Queden-
feldt, Schriftführer, Düffeldorf, Rofenftr. 28.

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