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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 3
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Uhde-Bernays, Hermann: [Der Kunstbesitz der deutschen Fürsten], 2,der Kunstbesitz der Wittelsbacher
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Waetzoldt, Wilhelm: Kunstkritik aus Sturm und Drang: J. J. W. Heinses Briefe aus der Düsseldorfer Gemäldegalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0064

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Der Kunftbefiß der deutfchen Fürften :: Kunftritik aus Sturm und Drang

das fchmerzlichfte Bedauern auslöft, welche Summen hier vergeudet wurden, während
gleichzeitig die Meifter der deutfchen Kunft ohne Aufträge waren, müffen wohl für
die ftändige Befichtigung freigehalten werden, die immerhin anfehnliche Beträge er-
zielt. Mit ihrer fonftigen Verwendung zu allgemeinen Zwecken ift bei ihrer Lage
im Gebirge doch nicht zu rechnen. Auch im Befit, der herzoglichen Familie befinden
fidi große Schlöffer, wie Poffenhofen, Tegernfee und Banz, außerdem das Palais in
der Ludwigftraße. Die wenig bekannten Kunftwerke aus diefen Schlöffern dürften als
Privateigentum ftrengfter Form wohl keinesfalls für eine Überweifung in Betracht
kommen, obwohl aus Tegernfee vorzügliche Ergänzungen für die frühe Münchener
und Dresdener Landfchaftsmalerei zu holen wären. Die herzogliche Familie hat fich
für künftlerifche Fragen nicht intereffiert. Daher wäre daran zu denken, falls die
Schlöffer vom neuen Staat übernommen werden, Teile der Sammlungen käuflich zu
erwerben, bevor diefe etwa gar andere Wege gehen.
Alle diefe Möglichkeiten find zunächft nur als folche zu erwägen. Wir haben
einftweilen wichtigere Dinge zu erledigen. Auch fcheint es nicht, daß der vielberufene
„Geift der neuen Zeit“ in das bayerifche Kultusminifterium eingezogen ift. Über die
teilweife nicht mit dem nötigen Takt betriebenen Abfichten, hier grundlegende
Änderungen herbeizuführen, kann erft dann gefprochen werden, wenn fie ihre ano-
nymen Hüllen abzuwerfen belieben. Das eine bleibt nach wie vor allein ausfchlag-
gebend: Wir brauchen in München mehr noch als anderswo eine rückfichtslofe ener-
gifche Perfönlichkeit, der auch der junge fehr ungebärdige Nachwuchs der Künftler-
fcliaft in dem notwendigen Kampfe gegen den eingefeffenen Kommiffionsklüngel
folgen wird, und der jüngere und ältere Fachgenoffen mit der gleichen Liebe zugetan
find, welche fie Hugo von Tfchudi entgegenbrachten. Ift Freiheit das erfte Bürger-
recht, fo darf auch der Mufeumsleiter endlich beanfpruchen, von diefer Vergünftigung
nicht durch eine überflüffige Auffichtsbehörde ausgefchloffen zu werden.

Kunftkritik aus Sturm und Drang j. j. w. Heinfes Briefe
aus der Düffeldorfer Gemäldegalerie Von Wilhelm waetzoldt

Die wichtigfte Urkunde für die Kunftanfchauungen der Sturm- und Drangzeit find
J. J. Heinfes, an dieAdreffe des Dichtervaters Gleim gerichtete „Briefe aus der Düffel-
dorfer Gemäldegalerie“. Im Teutfchen Merkur Wielands 1776 und 1777 erfchienen,
ftehen diefe Gemäldebefchreibungen in der Mitte zwifchen der erften Botfchaft des
Klaffizismus: Winckelmanns „Gedanken über die Nachahmung der griechifchen Werke
in der Malerei und Bildhauerkunft“ (1755) und der romantifchen Programmfchrift
Wackenroders, den „Herzensergießungen eines kunftliebenden Klofterbruders“ (1797).
Heinfes Gemäldebriefe find eines Dichters Werk, weit mehr Profadichtung als ge-
lehrte Abhandlung. Ganz verftändlich daher nur von der neuen Dichtung her, deren
Wefen ein elementares und ungehemmt verftrömendes Dafeinsgefühl beftimmt, deren
aufgelockerte Form das Gefäß für Frifche und Fülle des Erlebens ift.

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