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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 18
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Spengemann, Christof: Kurt Schwitters
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Behrendt, Walter Curt: Die sozialen Grundlagen der Wohnbaukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0608

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Das Entformeln der Materialien kann fd)on erfolgen durd) ihre Verteilung auf der
Bildfläctje. Es wird noch unterftüt^t durd) 3erteilen, Verbiegen, Überdecken oder Über-
malen. Bei der Merzmalerei wird der Kiftendeckel, die Spielkarte, der 3ßitungsaus-
fdjnitt zur Fläche, Bindfaden, Pinfelftricl) oder Bleiftiftftrid) zur Linie, Drahtnet}, Über-
malung oder aufgeklebtes Butterbrotpapier zur Lafur, (Hatte zur Gleichheit.
Die Merzmalerei erftrebt unmittelbaren Ausdruck durd) die Verkürzung des Gleges
von der Intuition bis zur Sichtbarmachung des Kunftwerkes.
Diefe (Horte füllen das Einfühlen in meine Kunft denen erleichtern, die mir zu folgen
ehrlich bereit find. Ällzuviele werden es nicht wollen. Sie werden meine neuen
Arbeiten fo empfangen wie fie es immer getan haben, wenn das Neue fiel) zeigte:
mit Entrüftung und mit Hotmgefchrei. Kurt Scbwitters.

Die fozialen Grundlagen der (üobnbaukunft
Von WALTER CURT BEHRENDT

Die Kunftgefd)id)te des Glohmhausbaues beginnt mit der Entftetmng des Bürger-
tums. Erft mit dem Befit} einer bleibenden Glotmftätte wird der Nomade zum
Ackerbauer oder Stadtbewohner, erft durch die Errichtung eines feften, zu
dauerndem Aufenhalt beftimmten Fjaufes wird er zum feßhaften Bürger. Qnd wie
man die Entftetmng der Fjauswirtfctmft als den Anfang aller höheren Kultur bezeichnet
hat, fo hat man im gleichen Sinne auch die ganze Kulturgefd)ict)te eine Gefd)icl)te der
Glotmung genannt. Denn das Fjaus bildet von jeher den Mittelpunkt aller wirtfctmft-
lichen Tätigkeit, wie es denn auch üblich geworden ift, alle Glirtfctmft nach dem
griectüfchen olxog als Ökonomie zu bezeichnen.
Der Cräger diefes primitiven wirtfchmftlichen Organismus ift die Familie. Sie ver-
körpert als Fjausgemeinfchmft die Idee des Kaufes, und zwar das Fjaus nicht nur als
foziales und wirtfd)aftlid)es Element betrachtet, fondern auch als baulicher und archü-
tektonifcher Organismus. Mit ihren Sitten, mit ihren Lebensgewohnheiten und ge-
fellfchaftlichen Dafeinsformen beftimmt die Familie Plan, Anlage und Gefamtform des
Fjaufes. Sdßickfal und Entwicklung der GIohnhausarcl)itektur find daher aufs
engfte mit dem der Familie und der Familienverfaffung verknüpft.
Je enger und umfaffender die Fjausgemeinfchmft in der Familie durchgeführt ift, defto
reicher und großartiger wird fiel) der bauliche Organismus des Fjaufes geftalten. Nach
den ftrengen Bräuchen der alten patriard)alifd)en Familienverfaffung umfd)ließt die Ge-
meinfehaft des Fmufes mit den natürlichen Familiengliedern, den Eltern, Kindern und
der engeren und weiteren Verwandtfchmft, auch das gefamte Ingefinde, die Knecßte,
Mägde, Dienftleute und alle fonftigen Hilfskräfte des hauswirtf^aftbchen Betriebes.
Eine fo vielköpfige Gruppe fordert nicht nur zahlreiche Einzelräume für die verfdßiedenen
Bedürfniffe des öüohnens und Arbeitens, der Ruhe und der Erholung, fie fordert vor
allem auch große gemeinfame Räume, die der Benutzung der Gefamtßeit dienen, in
denen die Familie fiel) verfammelt zu gemeinfamer Mahlzeit, zu feftlicher Andacht oder
fröhlichem Spiel. In der Anlage und Ausbildung diefer gemeinfamen Räume nun

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