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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 20
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Kunstpolitik
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0689

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Die Zeit und der Markt

Kun ft politik
Öftreid)s Äusverkauf
Klenn die Nachrichten den Catfachen ent-
fprechen, daß kürzlich in einem Kabinettsrat be-
fchloffen worden fei, Kunftwerke aus dem Befrß
des Staates zu verkaufen, um die notwendigen
Lebensmitteleinfuhren zu bezahlen, dann ift dies
das Ende der öftreichifchen Kultur. Denn um
wirklich einen halbwegs lohnenden Ausgleich
für die hohen Koften der ausländifchen Lebens-
mittel zu fchaffen, müßte fchon an die Reali-
fierung foldjer Objekte gedacht werden, deren
Gierte hoch in die Millionen gehen. Das wären
aber keine Kunftobjekte gleichgültiger Obfervanz,
die da auf den Markt kämen, fondern ein Ceil
vom alten öftreichifchen Kunfterbe, um das
einft die Kielt Klien beneiden durfte, Klird aber
diefer verhängnisvolle Kleg erft einmal befchrit-
ten, gibt es fobald kein 3urück mehr; denn das
halb verhungerte dien giert nach ausländifchen
Lebensmitteln und auch der koftbarfte Rubens
wird kaum dazu ausreichen, die Morgenfuppe
diefer Millionenftadt zu bezahlen. So furchtbar
diefer letzte kulturelle Bankrott auch fein müßte,
die Regierung Renner folgte damit doch nur
jenen Fingerzeigen, die ihr längft durch die Ver-
äußerung des privaten Kunftbefißes gegeben
wurden. Es ift ein offenes Geheimnis, daß feit
Monaten bereits aus Öftreich Kunftwerte von
vielen Millionen nach dem neutralen und ehe-
mals feindlichen Auslände abwandern und daß
mit diefem wertvollen Befilj international Kunft
„gefchoben“ wird, wobei fich Agenten wie
Händler die Cafcßen füllen. Diefe Auspauverung
Öftreichs ift vielleicht das traurigfte Schaufpiel
in einer 3eit, die längft alle Sentimentalität ver-
lernt hat, ein Symbol auf den Niedergang eines
Volkes, wie es befchämender für unfer Kultur-
gefühl kaum gedacht werden kann. Gibt es da
kein Mittel?! —
Neuerdings will die Preffe wiffen, daß näch-
ftens die koftbare Gobelins-Sammlung aus
dem Befitj des Kaiferßaufes verkauft werden
foll, die an 600 Stück umfaßt, meift Arbeiten
aus dem Ende des 16. und dem 17. Jahrhundert,
darunter einzelne Stücke, die an Qualität ihres-
gleichen fuchen. Klenn es fich hier nicht um eine
jener unkontrollierbaren Senfationsnachrichten
handelt, fo darf man als ficher annehmen, daß
zuletzt Amerika der glückliche Beßrer diefes
Schafes fein wird, für das jetzt die Hochkon-
junktur befteht, fich des alten europäifchen
Kulturgutes zu bemächtigen. „Ein Königreich

für ein Pferd.“ Nein — ein Van Dyck für einen
Klagen mit Mehl- So geht Öftreichs Sonne
zur Neige. n.
Die Verwertung der preußifdjen
S cß I ö [ f e r
behandelt Dr. Paul Hübner, der dem preußi-
fchen Finanzminifterium angehört, in einem fet)r
lefenswerten ausführlichen Beitrag, der kürzlich
in Nr. 22 der 3eitfdprift „Die Glocke“ (Verlag für
Sozialwiffenfchaft G. m. b. H-. Berlin SKI 68) er-
fchien. Der Verfaffer, der offenbar aus eigener
Anfchauung alle jene Schlöffer kennt, die aus
dem preußifchen Krongut nunmehr dem Staate
zugefallen find, zeichnet in fachlicher Form die
Grundlinien auf, nach denen die weitere Ver-
wertung diefer Bauten unter Berückfichtigung
der fozialen Nöte der 3^it getätigt werden foll.
Oberfter Leitgedanke feiner Darlegungen ift
diefer: Das vorhandene Kulturgut als folches
möglichft zu fchonen, es auf keinen Fall aber
in übereilter Kleife durch die H^rrichtung für
einen augenblicklichen vorübergehenden Nu^-
zweck zu fchädigen oder gar zu vernichten.
Rein kunftpolitifch verdient vor allem noch fol-
gender Grundfah der Hübnerfchen Betrachtung
befonders unterftrichen zu werden: „Ermittlung
der Verwendungszwecke, bei denen das Vor-
handene möglichft zweckmäßig ausgenu^t und
entfprechend feiner Eigenart weiter verwandt
wird, fo wird es auch hier möglich fein, gang-
bare Klege zu finden. Aber nirgends muß fo
wie hier allerpeinlichfte Sachlichkeit (ohne Seiten-
blicke auf augenblickliche politifche Situationen)
maßgebend fein.“
Der Beitrag Dr. Hübners ift wohl der wichtigfte,
der bisher zu dem oft behandelten Ghema er-
fchienen ift und follte deshalb nicht der Auf-
merkfamkeit unferer Lefer entgehen.
Der Verkauf der Oldenburger
Galerie
bpfchäftigt noch immer fehr lebhaft die öffent-
liche Meinung. Es fcheint leider feftzuftetjen,
daß der ehemalige Großherzog wirklich den
koftbarften Beftandteil feiner Gemäldefammlung
nach Holland verkauft hat. ünd wie die 3el~
tungen zu melden wiffen, foll diefer Geil, darunter
die fünf Rembrandts, ein Rubens und drei
oder vier der beften Italiener, bereits nach Ame-
rika unterwegs fein, während etwa 200 Bilder,
unter denen fich die weniger bedeutenden alt-
deutfchen Klerke befinden, vorläufig noch in
Oldenburg zurückgeblieben find. Stimmen diefe
Meldungen mit den Gatfachen überein, dann

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