Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919
Cite this page
Please cite this page by using the following URL/DOI:
https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0738
DOI issue:
Heft 21
DOI article:Neue Graphik und Liebhaberbücher
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0738
Neue Graphik und Liebbaberbücßer
Den Radierungen Franks, die eine meifterßafte
Cecßnik zeigen, ift befonders nacbzurüßmen,
daß fie nicbt das frucßtbarfte Moment der Bal-
laden oder irgendein wirkfames Motiv illuftrieren
wollen, fondern auf das rein Dekorative aus-
geben, mit einer frappierenden Kontrahierung
von Scbwarz uud ttleiß und mit der großen
Linie arbeiten. Diefe Radierungen find aus dem
innerften Kern der Dichtungen gefcßöpft. Vier
Balladen entbehren der Illuftration, darunter das
„Veilchen“; was ein Künftler wie Sepp Frank
gerade zu diefem Gedicht zu fagen gehabt hätte,
hätte ich gar zu gern gewußt. Diefer Druck
bedeutet einen Höhepunkt nicht nur in der langen
Reihe der modernen Vorzugsausgaben Goetße-
fcber Güerke, fondern in der neuen Bucßkunft
überhaupt.
Die Materialknappheit und die immer Zeigen-
den berftellungskoften hindern nicht, daß immer
neue Privatpreffen entfteßen, von denen jede
alles bisher Geleiftete immer wieder übertreffen
will. So auch ein neuer Verlag in Ulien und
Leipzig mit dem vielverheißenden Namen
„ Ävalun verlag “, der uns alfo mit feinen
Büchern ins Feenland verfeßen will, mit Bü-
chern, „in denen öüort und Bild harmonieren,
wahlverwandte Verbindung fcbloffen“, in denen
die Künftler „geficbtsfinnlicb wahrnehmbare Para-
pbrafen über das wortkünftlerifcß behandelte
Cbema, im übertragenen Sinn: Dialoge, myftifcbe
Vermählungen über ausdruckstecßnifcbe Grenzen
hinweg“ darbieten. Das find neue Cllorte, aber
nicht neue Gedanken. In GQahrheit gibt es auch
auf diefem völlig ausgefcböpften Gebiete nichts
Neues mehr — es fei denn, daß das fcßöne
Buch wieder einmal auf die 3ubilfenabme der
Graphik verzichtet —, und wir dürfen zufrieden
fein, wenn das Neue ficb auf der Fjöbe hält.
Die beiden erften Ävalundrucke entfprecben voll-
auf den Verheißungen: Reifeblätter aus
Öfterreich von bans Cbriftian Änderfen
mit 12 Originalradierungen von Luigi Kafimir
und Der Spiegel der Ägrippina von bans
Müller mit 12 Originalradierungen von Stefan
blawa. Beide Bücher in der Offizin der Ge-
fellfcbaft für grapbifcbe Induftrie in Klien auf
Büttenpapier von Japanart gedruckt, die Radie-
rungen auf der Künftlerpreffe der Kupferdruckerei
von Pauluffen & Co. in Güien auf italienifcbem
Schöpfpapier abgezogen, die Einbände in balb-
leder oder Halbfeide von Jofepb Bordereaux in
fflien gefertigt. Daß ein Ceil der 350 Exem-
plare die Radierungen auf Kaiferlicß Japan und
Einbände aus Ganzleder mit Goldprägung oder
aus Ganzfeide mit violetter Prägung hat, ver-
ftebt fiel) wieder von felbft. Änderfen hat feiner
fcbriftftellerifcben Individualität entfpreebend
einen Oktavband erhalten, in der leichten, zier-
lichen Ebmke-Äntiqua gedruckt, von Kafimir mit
äußerftfeinenÄrchitekturradierungen(8l/2Xl3cm),
in denen erMeifter ift, gefcbmückt und in weißes
Leder gebunden. Für bans Müllers kraft- und
faftvolle Novelle war ein Quartband in feßwar-
zer Moirefeide und ein kräftiger Äntiquafcßrift-
faß angemeffen und Stefan blawa, der waßl-
verwandte Künftler, der in der Cat mit feinen
packenden, teeßnifeß vollendeten Radierungen
eine myftifcbe Vermählung des geiftigen Gehalts
der Novelle mit der Illuftration erreicht bat.
denn die fpäteren Veröffentlichungen diefen
erften in der organifeßen Einheit von dort, Bild
und äußerer Geftalt gleichen, heben ficb die
Ävalundrucke aus der Maffe der Luxusdrucke
mit lediglich teeßnifeßer Kunftfertigkeit heraus.
Die 100. diederkeßr des Geburtstages Gott-
fried Kellers bat auch den Bibliophilen eine
fcßöne Gabe gebracht. Die urfprünglicße, von
der endgültigen Faffung abweichende Nieder-
feßrift der „Sieben Legenden“ war 1878
vom Dichter der Scßriftftellervereinigung Con-
cordia in dien für eine Verlofung gefeßenkt
worden und feitdem verfcßollen; Änfang 1918
taueßte fie auf einer Berliner Verweigerung auf
und konnte von der 3entralbibliotßek 3üricß
für ißre umfangreiche Keller-Sammlung er-
worben und fo wieder in die b^imat zurück-
gefüßrt werden. Von diefer koftbaren, für die
Literaturforfcßung ßöcßft bedeutfamen band-
feßrift, die 49 Quartfeiten umfaßt, ift auf Ver-
anlaffung der 3üricßer 3entralbibliotßek bei
Rafcßer & Co. in 3üricb ein' Fakfimiledruck
in 500 Exemplaren erfeßienen, den die Ofpzin
bans Scßaßmann in borgen ßerftellte, unter
Verwendung der Englifcß-Gotifcß für den Citel,
den Druckvermerk und das zweifeitige Vorwort,
und teilweife in Ganzleder, Ganzpergament,
balbpergament und Büttenkarton binden ließ.
Georg Minde-Pouet.
Vifionen von Jofef Eberz
Der Golß-Verlag, München ßat foeben eine
Mappe mit 12 Original-bolzfcßnitten des Kiinft-
lers ßerausgebracßt, die in einer Gefamtauflage
von nur 60 Exemplaren ßergeftellt wurde. Oßne
in den Verdacht einfeitiger Überfcßäßung des
Eberzfcßen Schaffens zu kommen, muß doch ge-
fagt werden, daß diefe bolzfcßnittfolge mit zu
dem Stärkften gehört, was wir der deutfeßen
grapbifeßen Kunft in den leßten Jahren zu danken
haben. Die Größe der inneren Form gebt bei
den Vifionen diefes Künftlers band in band mit
der zerwüßlten Leidenfdpaftlicßkeit der Geficßte.
710
Den Radierungen Franks, die eine meifterßafte
Cecßnik zeigen, ift befonders nacbzurüßmen,
daß fie nicbt das frucßtbarfte Moment der Bal-
laden oder irgendein wirkfames Motiv illuftrieren
wollen, fondern auf das rein Dekorative aus-
geben, mit einer frappierenden Kontrahierung
von Scbwarz uud ttleiß und mit der großen
Linie arbeiten. Diefe Radierungen find aus dem
innerften Kern der Dichtungen gefcßöpft. Vier
Balladen entbehren der Illuftration, darunter das
„Veilchen“; was ein Künftler wie Sepp Frank
gerade zu diefem Gedicht zu fagen gehabt hätte,
hätte ich gar zu gern gewußt. Diefer Druck
bedeutet einen Höhepunkt nicht nur in der langen
Reihe der modernen Vorzugsausgaben Goetße-
fcber Güerke, fondern in der neuen Bucßkunft
überhaupt.
Die Materialknappheit und die immer Zeigen-
den berftellungskoften hindern nicht, daß immer
neue Privatpreffen entfteßen, von denen jede
alles bisher Geleiftete immer wieder übertreffen
will. So auch ein neuer Verlag in Ulien und
Leipzig mit dem vielverheißenden Namen
„ Ävalun verlag “, der uns alfo mit feinen
Büchern ins Feenland verfeßen will, mit Bü-
chern, „in denen öüort und Bild harmonieren,
wahlverwandte Verbindung fcbloffen“, in denen
die Künftler „geficbtsfinnlicb wahrnehmbare Para-
pbrafen über das wortkünftlerifcß behandelte
Cbema, im übertragenen Sinn: Dialoge, myftifcbe
Vermählungen über ausdruckstecßnifcbe Grenzen
hinweg“ darbieten. Das find neue Cllorte, aber
nicht neue Gedanken. In GQahrheit gibt es auch
auf diefem völlig ausgefcböpften Gebiete nichts
Neues mehr — es fei denn, daß das fcßöne
Buch wieder einmal auf die 3ubilfenabme der
Graphik verzichtet —, und wir dürfen zufrieden
fein, wenn das Neue ficb auf der Fjöbe hält.
Die beiden erften Ävalundrucke entfprecben voll-
auf den Verheißungen: Reifeblätter aus
Öfterreich von bans Cbriftian Änderfen
mit 12 Originalradierungen von Luigi Kafimir
und Der Spiegel der Ägrippina von bans
Müller mit 12 Originalradierungen von Stefan
blawa. Beide Bücher in der Offizin der Ge-
fellfcbaft für grapbifcbe Induftrie in Klien auf
Büttenpapier von Japanart gedruckt, die Radie-
rungen auf der Künftlerpreffe der Kupferdruckerei
von Pauluffen & Co. in Güien auf italienifcbem
Schöpfpapier abgezogen, die Einbände in balb-
leder oder Halbfeide von Jofepb Bordereaux in
fflien gefertigt. Daß ein Ceil der 350 Exem-
plare die Radierungen auf Kaiferlicß Japan und
Einbände aus Ganzleder mit Goldprägung oder
aus Ganzfeide mit violetter Prägung hat, ver-
ftebt fiel) wieder von felbft. Änderfen hat feiner
fcbriftftellerifcben Individualität entfpreebend
einen Oktavband erhalten, in der leichten, zier-
lichen Ebmke-Äntiqua gedruckt, von Kafimir mit
äußerftfeinenÄrchitekturradierungen(8l/2Xl3cm),
in denen erMeifter ift, gefcbmückt und in weißes
Leder gebunden. Für bans Müllers kraft- und
faftvolle Novelle war ein Quartband in feßwar-
zer Moirefeide und ein kräftiger Äntiquafcßrift-
faß angemeffen und Stefan blawa, der waßl-
verwandte Künftler, der in der Cat mit feinen
packenden, teeßnifeß vollendeten Radierungen
eine myftifcbe Vermählung des geiftigen Gehalts
der Novelle mit der Illuftration erreicht bat.
denn die fpäteren Veröffentlichungen diefen
erften in der organifeßen Einheit von dort, Bild
und äußerer Geftalt gleichen, heben ficb die
Ävalundrucke aus der Maffe der Luxusdrucke
mit lediglich teeßnifeßer Kunftfertigkeit heraus.
Die 100. diederkeßr des Geburtstages Gott-
fried Kellers bat auch den Bibliophilen eine
fcßöne Gabe gebracht. Die urfprünglicße, von
der endgültigen Faffung abweichende Nieder-
feßrift der „Sieben Legenden“ war 1878
vom Dichter der Scßriftftellervereinigung Con-
cordia in dien für eine Verlofung gefeßenkt
worden und feitdem verfcßollen; Änfang 1918
taueßte fie auf einer Berliner Verweigerung auf
und konnte von der 3entralbibliotßek 3üricß
für ißre umfangreiche Keller-Sammlung er-
worben und fo wieder in die b^imat zurück-
gefüßrt werden. Von diefer koftbaren, für die
Literaturforfcßung ßöcßft bedeutfamen band-
feßrift, die 49 Quartfeiten umfaßt, ift auf Ver-
anlaffung der 3üricßer 3entralbibliotßek bei
Rafcßer & Co. in 3üricb ein' Fakfimiledruck
in 500 Exemplaren erfeßienen, den die Ofpzin
bans Scßaßmann in borgen ßerftellte, unter
Verwendung der Englifcß-Gotifcß für den Citel,
den Druckvermerk und das zweifeitige Vorwort,
und teilweife in Ganzleder, Ganzpergament,
balbpergament und Büttenkarton binden ließ.
Georg Minde-Pouet.
Vifionen von Jofef Eberz
Der Golß-Verlag, München ßat foeben eine
Mappe mit 12 Original-bolzfcßnitten des Kiinft-
lers ßerausgebracßt, die in einer Gefamtauflage
von nur 60 Exemplaren ßergeftellt wurde. Oßne
in den Verdacht einfeitiger Überfcßäßung des
Eberzfcßen Schaffens zu kommen, muß doch ge-
fagt werden, daß diefe bolzfcßnittfolge mit zu
dem Stärkften gehört, was wir der deutfeßen
grapbifeßen Kunft in den leßten Jahren zu danken
haben. Die Größe der inneren Form gebt bei
den Vifionen diefes Künftlers band in band mit
der zerwüßlten Leidenfdpaftlicßkeit der Geficßte.
710