Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0039
DOI issue:
Heft 1/2
DOI article:Schaefer, Karl: Stockelsdorfer Fayencen
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STOCKELSDORFER FAYENCEN
wald-Leihamerfchen Blütezeit der Stockelsdorfer
Fabrik halten. Dafür kann ich hier auf ein
Werk hinweifen, das, obzwar im felben Jahre
1773 wie der fignierte Hamburger Ofen ent-
ftanden, neben deffen ausgefprochenem Ro-
koko fchon unverkennbare Neigungen zu den
ruhigen Formen desZopfftils erkennen läßt, und
das aus einem mecklenburgifchen Landgut im
vorigen Jahre für das Lübecker Mufeum erwor-
ben wurde (vergl. Äbb. 1 u. 2).
Es ift ein prunkvoller, ungewöhnlich ftatt-
licher Aufbau von nahezu drei Meter Höhe, be-
gehend aus einem eifernen, mit fpätbarockem
Gitter- und Bandelwerk und mit allegorifchen
Figuren und Büften gefchmückten Feuerkaften
und dem Fayenceauffalj, deffen Hauptteil eine
mächtige Vafe von eiförmigem Körper bildet,
umgürtet mit einem Mäanderband und bedeckt
mit lofe hingeworfenen Blumenzweigen in an-
getragenem Relief. Am Fuß diefer Vafe fißt
zur Seite, vollrund modelliert ein Knabe, an der
andern Seite liegt ein Tamburin mit Blumen
und Bändern gefchmückt. Der hohe Fayence-
fockel, der diefen Auffat$ trägt, ift an feinen
drei glatten Schaufeiten mit buntfarbigen Ge-
mälden gefchmückt—an den Schmalfeiten phan-
taftifche Anfichten aus den Trümmern Roms,
wie fie Leihamer in den Kupferftichen feiner
Zeit als bequeme Vorlagen finden konnte, vorn
die Ermordung Cäfars auf dem Kapitol. Am
unteren Rande diefes Bildes lieft man, aus
dem Dunkel der Malerei ausradiert, die Be-
zeichnung: Stockelsdorf 1773 Buchwald Dir.
Abraham Leihamer pinx.
Man glaubt es der Arbeit anzufehen, wie
den beiden Künftlern daran gelegen war, an
folchem Stücke ihre überlegene Meifterfchaft zu
zeigen. Bewundernswert ift fchon die faft ge-
wagte Freiheit der phantafievollen Erfindung,
und in deren Folge der äußerft fchwierige Auf-
bau der reichbewegten Form aus ungewöhnlich
großen Werkftücken von der verfchiedenartigften
Geftalt, die aufs fauberfte ineinandergefalzt und
zufammengepaßt find; fie haben fich alfo im Brande nicht verzogen. Nicht minder
bewundernswert ift der Reichtum der Schmuckmittel, die fich von der Malerei über
das freihändig angetragene Relief bis zu den vollrund ausgeformten und nachträglich
dem Ofenkörper angefügten plaftifchen Zutaten fteigern. Am meiften aber wird den
Äbb. 5. Stockelsdorfer Ofen. Lübecker
Privatbefifj.
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wald-Leihamerfchen Blütezeit der Stockelsdorfer
Fabrik halten. Dafür kann ich hier auf ein
Werk hinweifen, das, obzwar im felben Jahre
1773 wie der fignierte Hamburger Ofen ent-
ftanden, neben deffen ausgefprochenem Ro-
koko fchon unverkennbare Neigungen zu den
ruhigen Formen desZopfftils erkennen läßt, und
das aus einem mecklenburgifchen Landgut im
vorigen Jahre für das Lübecker Mufeum erwor-
ben wurde (vergl. Äbb. 1 u. 2).
Es ift ein prunkvoller, ungewöhnlich ftatt-
licher Aufbau von nahezu drei Meter Höhe, be-
gehend aus einem eifernen, mit fpätbarockem
Gitter- und Bandelwerk und mit allegorifchen
Figuren und Büften gefchmückten Feuerkaften
und dem Fayenceauffalj, deffen Hauptteil eine
mächtige Vafe von eiförmigem Körper bildet,
umgürtet mit einem Mäanderband und bedeckt
mit lofe hingeworfenen Blumenzweigen in an-
getragenem Relief. Am Fuß diefer Vafe fißt
zur Seite, vollrund modelliert ein Knabe, an der
andern Seite liegt ein Tamburin mit Blumen
und Bändern gefchmückt. Der hohe Fayence-
fockel, der diefen Auffat$ trägt, ift an feinen
drei glatten Schaufeiten mit buntfarbigen Ge-
mälden gefchmückt—an den Schmalfeiten phan-
taftifche Anfichten aus den Trümmern Roms,
wie fie Leihamer in den Kupferftichen feiner
Zeit als bequeme Vorlagen finden konnte, vorn
die Ermordung Cäfars auf dem Kapitol. Am
unteren Rande diefes Bildes lieft man, aus
dem Dunkel der Malerei ausradiert, die Be-
zeichnung: Stockelsdorf 1773 Buchwald Dir.
Abraham Leihamer pinx.
Man glaubt es der Arbeit anzufehen, wie
den beiden Künftlern daran gelegen war, an
folchem Stücke ihre überlegene Meifterfchaft zu
zeigen. Bewundernswert ift fchon die faft ge-
wagte Freiheit der phantafievollen Erfindung,
und in deren Folge der äußerft fchwierige Auf-
bau der reichbewegten Form aus ungewöhnlich
großen Werkftücken von der verfchiedenartigften
Geftalt, die aufs fauberfte ineinandergefalzt und
zufammengepaßt find; fie haben fich alfo im Brande nicht verzogen. Nicht minder
bewundernswert ift der Reichtum der Schmuckmittel, die fich von der Malerei über
das freihändig angetragene Relief bis zu den vollrund ausgeformten und nachträglich
dem Ofenkörper angefügten plaftifchen Zutaten fteigern. Am meiften aber wird den
Äbb. 5. Stockelsdorfer Ofen. Lübecker
Privatbefifj.
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