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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 3
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Hildebrandt, Hans: Die Glasgemälde Adolf Hölzels
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0056

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Die Glasgemälde Ädolf Fjölzels

aus organifchen Farben- und Formenverbindungen entwickelt ward. Die früheften
Werke diefer Art, für romanifche oder eben der Gotik [ich zuwendende Kirchen Frank-
reichs und Deutfchlands gefertigt, waren zugleich die großzügigften und glänzendften
Mufter der neuen Kunftübung. Rein flächenhaft gebildet, da fie eine Wand von ge-
ringfter Tiefenerdehnung fchmückten, ja, die Wand felbft waren, ordneten fie [ich dem
architektonifchen Gefüge mit edler Selbftverftändlichkeit ein. Die Gotik, zu immer
reicherer Bildung ftrebend, hatte die ausgiebigfte Verwendung für die junge Kunft:
Ließ fie doch, wo fie Stein auf Stein türmte, faft nur das konftruktive Gerüfte beftehen,
fo daß die breiten und hohen Maueroberflächen, denen die altchriftliche wie die roma-
nifche Architektur groß angelegte Zyklen von Wandmalereien zuwies, nahezu ganz ver-
fchwanden. So wanderten die Gemälde von den Steinwänden zu den Glaswänden
der Fenfterverfdhlüffe. Allein die Renaiffance bereits wußte mit dem Glasgemälde nicht
mehr viel anzufangen. Sie fetjte die Klarheit an die Stelle der Myftik, und als fpäter
die Barocke die Überlieferung des Mittelalters wieder aufgriff, naive Inbrunft in bewußte
und abfichtsvolle Ekftafe verwandelnd, hatte fie fo überreiche Verwendung für dekora-
tives Beiwerk aller Artung an Wänden und Decke, daß fie auf die Heranziehung der
Glasfenfter verzichtete. Erft als in den Tagen der Nazarener die Liebe zum Mittel-
alter und damit zur Gotik neu erwachte, erinnerte man fich auch der Glasmalerei.
Allein man hatte nicht nur die technifchen Fähigkeiten verloren, Hüttengläfer von jener
Leuchtkraft herzuftellen, die wir an den Werken der frühen Meifter fo fehr bewundern,
man lehnte fich auch nicht an die beften, erften, flächenhaft gehaltenen Arbeiten an,
fondern man bevorzugte die reicheren Geftaltungen, die fchon die fpäte Gotik begonnen,
die Renaiffance aber aufs abfichtsvollfte ausgebaut hatte, Geftaltungen, die den Stil
des Glasgemäldes jenem des felbftändigen Bildes näherten, bei dem die Wiedergabe
des Raums in einem illufioniftifchen Sinne eine immer wichtigere Rolle fpielte.
So blieb es der lebten Entwicklung der Kunft, für die man das bequeme Schlag-
wort „Expreffionismus“ zu gebrauchen pflegt, Vorbehalten, die einfachen und urfprüng-
lichen Wirkungsgefelje der Glasmalerei wieder aufzufpüren. Wie im Zeitalter Dürers
führende Künftler — fo neben Dürer felbft Holbein und Baidung Grien — Entwürfe
für Glasgemälde fertigten, haben auch heute manche der Beften entdeckt, daß fich
unter Heranziehung farbiger Gläfer monumentale und dekorative Wirkungen von einer
Schönheit erzielen laffen, die kaum einem zweiten Ausdrucksmittel der Malerei erreichbar
find, und die den Geftaltenden wohl dafür zu entfchädigen vermögen, daß er die Aus-
führung des Werkes bis zum letzten Striche nicht zu übernehmen imftande ift, wie er
dies beim Tafelgemälde gewohnt war. Ich nenne nur den in Hagen lebenden Holländer
Thorn-Prikker, Pechftein und Cefar Klein, um ein paar Namen herauszugreifen. Vor-
ausfe^ung für die Tätigkeit diefer Künftler war freilich, daß es der Technik gelang,
Hütten- und Überfanggläfer von ähnlicher Leuchtkraft herzuftellen, wie fie den Werken
der deutfchen und franzöfifchen Künftler aus den Zeiten des Mittelalters eignet. Wohl
an erfter Stelle fteht in Deutfchland die Glasmofaikfabrik Puhl & Wagner, Gottfried
Heinersdorf in Berlin-Treptow.
Sie hat auch die Glasgemälde ausgeführt, die Adolf Hölzel für den Repräfen-
tationsraum in Hermann Bahlfens Keksfabrik zu Hannover entworfen hat. Hier
war es dem Künftler vergönnt, mneingeengt von Auftragsvorfchriften irgendwelcher
Art fein künftlerifches Glaubensbekenntnis Geftalt werden zu laffen. Daher kommt
diefen Arbeiten, in denen einer der Väter der heute fich durchfe&enden Kunft feine

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