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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 3
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Vorschlag zu einem volkstümlichen Kunstprogramm
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0073

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K u n ft p o 1 i t i k

ufw. pflegen; hier zieht jeder an einem anderen
Strang und das „Publikum“ kann nurgefteßen:
Da fiel)’ ich nun, ich armer Cor, und bin fo
klug als wie zuvor! Nid)t die örtlichen Kunft -
freunde und nicht einzelne Schönredner werden
die Chemata feftfeßen: fondern die 3entrale,
die Führer, die örtliche Organifation im Ein-
vernehmen [teilt ihre Schlachtpläne für gewiffe
3eiträume feft. Darnach richtet fid) dann die
Reife der (Hander-Ausftellungen, die nach den
Vorbildern des (üerkbundes, der Mannheimer
Akademie für Jedermann u. a. über alle mög-
lichen Gebiete zufammengeftellt werden können.
Aber die Führungen können ebensowohl in
einer Ausftellung, wie in den Fjeimatftädten, in
Verbindung mit weiteren Ausflügen nach Kunft-
ftätten, ftaatlichen Kunftausftellungen ufw. unter-
nommen werden. Es wird [ich überhaupt ein
reiches Feld hier auftun, wo im deutfchen Land
die Schäße der Vergangenheit und der Gegen-
wart fo unermeßlich ficb ausbreiten. Nur müßte
dafür geforgt werden, daß das Land für das
Übergewicht der Großftädte an Mufeen, Aus-
heilungen u. dergl. Erfaß erhielte. Nie ift der
große 3ufamrnenhang aller Mittel außer Acht
zu laffen, zu denen fich ebenso Cheater, Canz,
Mufik, wie Film und Kabaret gefellen können;
vorausgefeßt, daß fie im künftlerifcßen Sinne
angeordnet werden.
Da man die Menfchen zum Guten fehr oft
dringend nötigen muß, ift eine weitgreifende,
das ganze Land, vor allem die Hingebungen er-
faffende Propaganda und Aufklärung in
Preffe, Plakaten usw. erforderlich. Auch fie
ift nur einheitlich und mit hoher Gesinnung
möglich.
Schließlich bedeutet ein Plan nichts ohne die
Menfchen, die ihn ausführen. Mit berühmten
Namen und Citeln ift der Sache nicht gedient;
fehr notwendig ift hierbei im Gegenteil eine
jugendlich frifche, revolutionäre Gefinnung auch
in Kunftdingen, welche keinen Refpekt vor ehr-
würdig veralteter Cradition kennt, fondern un-
beirrt auf den Kern der Sache geht, auf das
(Liefen und die Bedeutung aller Kunft
für uns jetzt lebende Menfchen der
deutfchen Revolution. Möge [ich niemand
berufen fühlen, weil er bisher ein glänzender
Vortragskünftler war. Es foll und wird hier
auf Fjerz und Nieren geprüft werden, welches
innere Verhältnis er zur bildenden Kunft hat
und ob fie ihm die hohe Göttin ift, der er dient
zum (Hoßle des Ganzen und ob er die Ciefe,
Innigkeit und Freiheit des Blickes für ihre Er-
fcheinungen befißt, die ihn allein befähigen, ein
Führer des Volkes zur Kunft zu werden.

(Her an diefen 3ielen mitzuarbeiten gewillt
ift und Perfönlicßkeiten empfehlen kann, die
geeignet und bereit wären, ebenfalls ihre Kräfte
in den Dienft der großen Aufgabe zu [teilen,
teile Näheres dem Arbeitsrat für Kunft, Berlin
N(H., (Inter den 3elten 19, mit. S.
Der Völkerbund im Künftlerifcßen
Als fid) am 18. Januar — dem Jahrestag der
Kaiferproklamation von Verfailles — die fieg-
reichen Völker der Entente zum Friedens-
kongreß in Paris verfammelten und Clemenceau
den Vorfiß übernahm, hörte man in den ein-
leitenden Reden der Staatsmänner kein (dort
von dem befreienden Gedanken der Versöhnung,
für den — wie man fagt — (LIilfon die Reife
nach Europa unternommen haben foll. Diefer
Friedenskongreß, der unter Ausfcßluß des Geg-
ners beginnt — ein Vorgang, der in der (Helt-
gefcßicßte einzig dafteßt — foll den Sieg der
Gerechtigkeit bringen, d. ß Sühne der Schuldi-
gen für begangenes (Inrecßt. Das ift der erfte
Punkt der Cagesordnung. (Ind während drüben
souverän über das Scßickfal des unterlegenen
Gegners verhandelt wird, hofft das deutfcße
Volk in feinen beften Köpfen auf den Criumpß
des Geiftes, einer neuen Völkerethik, als deren
Apoftel bisher (LIilfon in Cat und Rede er-
fcßien. — Es hofft und weiß nicht, ob je diefer
Qoffnung Erfüllung werden wird. Es hofft,
furchtbar gefcßlagen und doch voll des Glaubens
an den Geift, der fiegreicß über die Erde gehen
foll. Es baut auf der Überzeugung feiner
Scßuldlofigkeit, weil alle Schuld längft durch die
Cat der Selbftbefreiung gefüßnt ward. Die
drüben freilich verfteßen uns heute ebenfowenig
wie fie uns vor vier Jahren verbanden haben.
3wecklos, jener Einficßt zu vertrauen, die viel-
leicht einmal in den vom Raufcß des Sieges
umnebelten Köpfen der Gewalthaber eines fieg-
reicßen Imperialismus auftauchen könnte.
(Ind doch will Deutfcßiand heute nichts als
Frieden und Verfößnung. Nicht weil es in
(Haffen unterlag, fondern weil es geiftig frei
geworden ift, weil die durch jahrelangen inneren
Kampf gewordene Erkenntnis zu gar keinem
anderen (Hunfcße Vordringen konnte. Diefer
(Hunfcß, nicßt meßr befcßränkt in uns, fcßlingt
das unficßtbare einigende Band um die Völker,
das mit jedem Cag, da die alten Methoden der
Gewalt ißren letzten Criumpß auskoften möchten,
ftärker wird, das feßr bald fo unzerreißbar feft
geworden fein wird, daß unter feinem Drudt
die Staaten auffliegen und in nichts zergehen,
um der leidenden Menfcßßeit endlich die Frei-
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