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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 4
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Brieger, Lothar: Ludwig Meidner
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0096

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Ludwig Meidner


genährt. Der Menfch,
der fiel) folange bloß
ausdeutend majeftä-
tifd) vorkam, in einer
Kunft, die ihre Metho-
dik von der üüiffen-
fctjaft entlehnte, fühlt
fiel) wieder zugleich
als Subjekt und Objekt
der Kunft.
* *
*
Damit aber ift die
Möglichkeit gegeben,
daß wieder ein neuer
Kunftftil, daß wieder
überhaupt ein neuer
Stil entfteht. Man kann
mit Grauer vor erup-
tiven Naturen'von der
Art Meidners verhar-
ren, mit Grauer dar-
über, wie hier etwas
auseinander geriffen
und vernichtet wird,
das in feiner Richtung
eine abfolute f)öhe der
Malerei darftellte, wie
hier eine lange zu
ftärkfter Kultur kon-
denfierte Entwicklung
mit einem Male ne-
giert wird, als wäre fie
nie dagewefen. ünd
darum ift der Menfch
Ludwig Meidner, Selbftbildnis. Mit Genehmigung von Paul Caffirer, Berlin. begreifen, der hier
fein „Nein“ fagt und
fid) einfach wegkehrt. Denn auch er wird nid)t verkennen, daß diefe Kunft, die fo vieles nicht
fagt, nicht zu fagen vermag und nicht fagen will, was eben noch hoch gehaltenes Gemein-
gut der künftlerifchen Sprache war, daß fie ißrerfeits vieles Neue, Bedeutfames, in die Liefe
Greifendes zu ragen weiß, das eben diefe alte Sprache garnid)t fagen konnte, das garnicht
im Bereich diefer alten Sprad)e lag. Es kann und darf nicht beftritten werden, daß die
neue Sprache nod) ftammelt. Eine geniale Potenz wie Meidner ift kein Vollender, kein
Ordner und kann es feiner 3eitund feine'r Stellung in diefer 3eit nach auch garnicßt
fein. Die Schöpfer ftehen nicht nur auf der F)öl)e, fie ftel)en vielmehr auch am Eingang
eines jeden Stils. Das hiftorifche Licht fällt einmal ganz hell nur auf die Vollender,
höchft ungerechterweife, und wenn wir jetjt die Primitiven der Kunftzeiten fo lieben
und bevorzugen, fo ift das der reine Egoismus einer 3eit> die felbft primitiv ift.

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