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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

DOI issue:
Heft 5/6
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Scherer, Christian: Niederländische und deutsche Kleinbronzen im herzoglichen Museum zu Braunschweig
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0133

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Niederländifcße und deutfcße Kleinbronzen

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Diefe Figur nun ift es, mit der unfere Statuette in ihrer ganzen Haltung wie in den
Hauptmotiven ihrer Bewegungen die allergrößte Ähnlichkeit zeigt. Wie diefe, [o ift
auch jene als Badende gedacht, doch trat an Stelle des Schwammes oder Tuches ein
Gießgefäß, wodurch natürlich auch die Bewegung der diefes Gefäß haltenden Hand eine
andere geworden ift. Hierin befteht aber auch, von der andersartigen Anordnung des
Haares abgefehen, der einzige bemerkenswerte Unterfchied beider Figuren, die fich
fonft in allen Punkten, fo vor allem in der charakteriftifchen Art des Sit$ens, wobei
das eine Bein angezogen, das andere übergelegt ift, und in der Haltung des nach
dem übergelegten Fuße greifenden Armes durchaus gleichen. Freilich ift die Funktion der
Glieder vertaufcht, fodaß was dort rechts war, hier links geworden ift; ein Umftand, der
zwar auf den erften Blick befremden könnte, weil dadurch der Linken fcheinbar eine
größere Bedeutung beigelegt wird, der aber in der dargeftellten Handlung, wo beide Hände
in gleichem Maße befchäftigt erfcheinen, durchaus verftändlich und am Platte ift.
Steht fomit unfere Statuette fchon

nach Erfindung wie Kompofition in
engfter Beziehung zu jener Groß-
bronze, fo paßt fie auch dem Stile
nach durchaus zu ihr und zeigt wie
fie alle Eigentümlichkeiten, die die
Kunftweife Adriaens de Vries kenn-
zeichnen1: eine etwas gefuchte und
gekünftelte Stellung mit allerlei, auf
eine malerifch-dekorative Wirkung
abzielenden Überfchneidungen, eine
weiche und fchmiegfame Modellie-
rung mit glatter Behandlung der
Körperoberfläche, einen etwas ko-
ketten, aber geiftig leeren Ausdruck
des Kopfes mit charakteriftifch zu-
gefpi^ter Nafe. Alle diefe, der ma-
nieriftifchen Kunft jenes niederlän-
difchen Meifters eigentümlichen
Merkmale laffen außer Zweifel, daß
auch unfere Statuette, wenn nicht
als ein eigenhändiges, fo doch ficher
als ein aus feiner Werkftatt her-
vorgegangenes Werk angefehen
werden muß. Ob fie aber als eine
Art Vorftudie zu der Augsburger
Figur oder als eine freie Kopie der-
felben zu gelten hat, wird fich nicht fo
leicht entfcheiden laffen; doch muß
fie, fo oder fo,der Entftehung desHer-
kulesbrunnens zeitlich nahe ftehen.
1 Siehe C. Buchwald, Ädrian de Vries
1899, S. 92ff. Äbb. 3.

Nackter Mann in der Art des Ädriaen de Vries.
 
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