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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

DOI issue:
Heft 10
DOI article:
Kunstpolitik
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0317

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K u n [t p o 1 i t i k

Der Geift i[t Gott.
Gott ift in der Kunft. Die Kunft ift im Kunft-
werk. Kunftwerk kommt aus dem Kunftfcßaßen.
Kunftfcßaßender ift der Künftler. Künftler fein
ift: als Schaffender Gott in fick) haben; als Schaf-
fender Gott fchauen und künden.
Darum darf fein Schaffen nur dem Geifte ver-
bunden fein, der in ihm ift: feinem Gefühl, das
ihm Erlebnis gebiert.
Sein Schaffen muß durch fein Gefühl aus dem
Erlebnis kommen.
Sein Schaffen muß abfolut fein.

So ift der Künftler. In ihm ift die Idee.
In zeitlicher Begrenztheit verfinkt ihm der
Dinge 3ufalisform.
GQefenhaftes, Klefentlicßes ragt ihm leuchtend
Ewigkeit.
Künftlerfeele öffnet fich dem Ätem heiliger
Glut. Schwebt erdentrückt im Raum.
Fühlt ürfprung, erlebt Ewiges, fchaut Gott.
Künftlerfeele kniet fchaffend vor dem Äbfo-
luten.
Kunftfchaffen ift Gotterkennen.
Gotterkennen ift abfolut fein.
Kunft lebt nur in abfoluter Form. Nur das
Äbfolute ift kunftorganifch.
Kunftorganifches wirkt fich zweckdienlich aus,
nachdem es ohne 3weckwillen des Künftlers
gefchaffen ift: Kunft fteht im Kosmos.
Menfchen können fie ßnden. Menfchen müffen
fie fuchen.
* *
*
Im Künftler lebt wieder die Idee. In feinem
Schaffen ift wieder der Geift. heutiges ift wieder
die Kunft.
Geftriges fußte auf Regeln, hatte Beziehung
zu anderm. ijatte Bedingtheit, Klar Begrenzt-
heit.
So war Geftriges fchulmäßig. Ging auf kon-
krete 3ieie unterhalb des Künftlerifchen. Gab
fich würdelos preis. Ließ fich mit anderm ver-
gleichen. Klurde verglichen, Klurde zenfiert.
heutiges ift Cat. Schaut fternenhaft auf bür-
gerliches Vorftellungsgetriebe hinab, heutiges
ift abfolut.
Vergleichend faßt man das heutige nicht.
Künftlererlebnis ift eigenfte Kielt. Kunftwerk ift
nicht vergleichbar. Kunft ift. Man braucht ihren
Geift, fie zu ßnden.
* *
*
Gm fo mehr ift Kritik verpßichtet.
Äuch Kritik fteht zweckdienlich im Kosmos:
fie foll zum Geifte führen.

Kler führen will, muß mit den Klorten die
Seele geben.
3um Geifte führen heißt nicht, vom Geifte
fprechen. Es heißt: vom Geifte fein, den Geift
ausftraßlen.
Kunftfchaffen hat konkrete 3iele und Schul-
mäßiges überwunden. Deshalb kann Kritik des
heutigen nicht mehr vergleichen, berichten, zen-
fieren.
heutiges ift wieder Gefühlsäußerung, Erleb-
nisgeftaltung. Gleicher Geift — Kunftgeift — in
der Kritik: macht, daß ihr das Kunftwerk nun
wieder Erlebnis, daß ihre eigene Äußerung wie-
der Geftaltung wird.
Kunftkritik fteht zweckdienlich im Kosmos.
Soll fie organifchen 3weck erfüllen, braucht
ße den Kunftgeift.
Das ift abfolut fein. Nicht kunftleeres dort
fein, fondern kunfterfüllte Cat. Nicht gewollte
3weckform, fondern gemußte Kunftform. Kritik
muß wieder Kunftwerk fein.
Organifcße Kritik, zwecklos entftanden, wird
zweckdienlicher Faktor im Kosmos. Führt zur
Kunft, weil fie Kunft lebt. Führt zum Geifte,
weil fie Geift ift.
Nur fie, die Äbfolute, kann zur abfoluten Form
leiten. Nur fie, die 3wecklofe, kann organifchen
Zweck erfüllen.
Nun ift fie nicht Phrafe, — ift Cat.
Kunftfchaffen ift Cat.
Kritik muß Cat fein.
Chriftof Spengemann.
Der Friedensvertrag und der Genter
Ältar
Der Entwurf des famofen Friedensinftrumentes
enthält im Äbfchnitt 8 unter dem Citel „Be-
fondere Beftimmungen“ die folgenden Säße:
„Äls Kliedergutmachung für die 3er[törung der
Bibliothek in Löwen hat Deutfdjland Fjand-
fdßriften, alte Bücher, Drucke ufw. nach Maß-
gabe der zerftörten auszuliefern. Ferner hat
Deutfdßand an Belgien die jeßt in Berlin
befindlichen Flügel des Hltarbildes der Än-
betung des Lammes von Fjubert und Jan van
Eyck auszuliefern, deßen Mittelftück fich in Gent
befindet, und die jeßt in Berlin und München
befindlichen Flügel des Äbendmaßls des Dirk
Bouts, deßen Mittelftück der Kirche von
St. Petrus in Löwen gehört.“
Äuch diefe Beftimmung ift aus demfelbeu
Geift geboren, der den Vertrag von Verfailles
im ganzen beftimmt hat. Unabhängig von der
Rechtsfrage muß indes vor der Ößentlicßkeit
feftgeftellt werden, daß feiner 3ßit die Erwer-
bung beider Klerke ordnungsmäßig und auf le-

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