Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (11.1919)

Ä r d) i t e k t u r a u f g a b e n der Gegenwart

Von FRITZ HOEBER

rieg und Revolution haben eine [o vollftändige äußere wie innere Umwälzung


unferer gegenwärtigen Lebensverßältniffe ßervorgebracßt, daß wir zum minderen

“*■ mit un[eren Wünfcßen für die 3eit nach dem Friedensfcßluß eine ganz neue Platt-
form des kulturellen Wiederaufbaus anneßmen dürfen: neue Dafeins- und Scßaffensmög-
licßkeiten, die mit den 3eiten vor dem 1. Auguft 1914 nur nocß entfernte Ähnlichkeit haben!
Diefer grundfäßlicßen Neuorientierung bedarf vor allem auch unfere deutfcße
Bautätigkeit, wie fie [ich auf ißrem hauptfäcßlicßen Betätigungsfeld: der modernen
Großftadt, entwickelt hat. — Die großftädtifcßen Arcßitekturfragen find wefentlicß
Fragen der Gütererzeugung und des Güterverkehrs, alfo der Induftrie, des Groß- und
Kleinhandels, dann Aufgaben der Verwaltung, der Unterbringung und der Verpflegung
der Bevölkerungsmaffen, endlich Fragen des Verkehrs im tecßnifcßen Sinne, womit die
großen ftadtbaulicßen Probleme der Straßen- und der Eifenbaßnfüßrung berührt werden.
Einige unferer bedeutendften heutigen Baukünftler, wie etwa Paul Bonaß, gans
Poelzig, Peter Beßrens, der gamburger Friß Schußmacßer, die Wiener Otto
Wagner und Jofef Hoffmann, haben uns nun fcßon an einzelnen Ausführungen
gezeigt, daß man alle diefe Probleme nur dann zu löfen vermag, wenn man ißre auf
den erften Blick brutal unkünftlerifcß wirkende Realität nicht zu umgehen oder romantifcß
zu verfcßleiern fucßt, fondern im Gegenteil: wenn man ißr fcßöpferifcßes Wefen
zu erkennen ftrebt, um es dann in formßaften Cypen auszudrücken und lebendig
zu veranfcßaulicßen: Die „3ukunftsftadt“ unferes äftßetifcß vorftellenden Kulturwillens
ßat jenes ganze, unendlich mannigfaltige, reiche, weltwirtfcßaftlicße Getriebe künftlerifcß
darzuftellen, welches das neuzeitliche Gebilde der deutfcßen Großftadt praktifcß enthält.
Im Kern diefer 3ukunftsftadt werden ficß als „3entralan[talten“ die Gebäude der
ftädtifcßen und ftaatlicßen Verwaltung zufammenfinden, möglicßft, da fie tecßnifcß
eng aufeinander angewiefen find, in einem Viertel, um einen Plaß, ein „Forum“ ge-
ordnet. Ein anderes Viertel werden vielleicht die Gebäude für Kunft und Wiffenfcßaft,
Ußeater, Mufeen, Zentralbibliotßeken bilden; ißr Forum wird einer der fcßönften Re-
präfentationspläße im Stadtganzen für feftlicße Gelegenheiten bilden. — Endlich wird
der Stadtkern nocß die großen gandelsßäufer, die Banken in zufammenßängender
Nacßbarfcßaft, die in Gruppen gefcßloffenen Kauf- und Warenßäufer der einzelnen Ge-
fcßäftszweige, große Gebäude zur Erßolung, Erfrifcßung und Unterhaltung, wie gaupt-
reftaurants, Varitetes, Kinotßeater ufw., beherbergen. Diefer gefcßäftlicße und admini-
ftrative Stadtkern kann grundfäßlicß als gocßbau ausgeführt werden, gocßbau durch-
aus im Sinn des amerikanifcßen Vorbilds der City Newyork verbanden: jeder
Reifende, der zu Schiff ficß der Spiße von Manhattan näßt, bewundert die ausdrucksvoll
Monumentalität der dicht gefcßarten Wolkenkraßer, die dem Stadtganzen „Silhouette“
geben nach) deJ Art italienisch gotifcßer Städtebilder. Es kommt eben nur — wie
einleitungsweife betont — darauf an, die großinduftrielle Brutalität in moderne Arcßitektur-
fcßönßeit zu überfeßen, was z. B. Peter Beßrens in feinem Düffeldorfer Verwal-
tungsgebäude der Mannesmann-Rößrenwerke bereits mit großem Glück verfucßt ßat.
Rings um die Kernftadt diefes folgerichtigen gocßbaus — es fei beifpielsweife
auf ein Idealprojekt Otto Wagners in Wien verwiefen — legt ficß als 3wirtf)en"
gürtel eine Reiße von Mietßausquartieren, nach den Mietpreifen und den Vermögens-
verßältniffen ißrer Bewohner unterfcßieden. gier werden dann auch die großen Gaft-
ßöfe, Penfionen ufw. ißren Plaß haben müffen. Wenn in diefer Stadtzone im ganzen
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