Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919
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DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:Edschmid, Kasimir: Rudolf Großmann
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Rudolf Großmann
Rudolf Großmann. „Die Dichter“. Radierung. Blatt 17 des „Herbarium“.
IX. Druck der M a re e s g e fe 11 f cl) a ft (R. Piper & Co., Münd)en).
Punktes, der mit der Idee das Oüerk überftraßlt. Äber dann merkt er es auch) nicht. Das
üdeltmännifcße, die Begabung, und endlich) vor allem: das Naive, Getriebene ift größer
als die Inbrunft. Diefe Feftlegung gibt einen befonderen Reiz.
So kommt es auch), daß Arbeiten Großmanns kaum jemals fcßlecßt find, aber auch) kaum
von jener Problematik, wo allzu ßeißer Geift bei umformbarer Aufgabe cbaotifch) ftürzt.
Er h>at alfo immer ein ficßeres Niveau. In reifen Arbeiten ift alles daher ein einziger
hervorragender Stil. In anderen, die man feine problematifchen nennen könnte, in
jenen alfo, wo er aus ünbewußtheit das 3entrum nicht erreicht, ergößen köftlicße Natu-
ralismen. ünbekümmert, ohne es zu merken, malt er in eine fdßöne Landfchaft, die
das üngeh)euerlich)e der Mond- undCauftille zärtlich gebildet, ganz lebenswahre Schwäne
und Fledermäufe in den Vordergrund. Dagegen ift wieder nicht zu überfeben, daß
diefer Großmann fchjon vor zeßn Jahren eine Menge Anfälle zu futuriftifcßen und ex-
preffioniftifcßen Stilformen in feinen Blättern zeigte, die er felbft nicht weiterentwickelt
hat, die andere in tüchtigerer Art ausbeuteten, weiterfchmfen und ißre Namen mit dem
„Stil der 3eit“ in dicßtefte Verbindung brachten. Fjätte Großmann im Künftlerifcßen
eine Nuance nur von Gefcßäftsfinn, er marfchjierte an der Spiße der formalen Pro-
grammier. Aber ihm ift dies alles nur liebenswürdiges Spiel. Diefe ünmaffe Bega-
bung wäre, hätte fie h)eroifch)es Format oder fch)öpferifchfte Inbrunft, vielleicht die typifcße
Erfcheinung der modernen 3eit geworden. Aber er \)at keinen Ehrgeiz: fein Mangel
und fein 3auber zugleich- Beweis, daß diefer küh>le Künftler alles andere ift als
Intellekt, vielmehr in feiner diftanzierten Überlegenheit naiv.
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Rudolf Großmann. „Die Dichter“. Radierung. Blatt 17 des „Herbarium“.
IX. Druck der M a re e s g e fe 11 f cl) a ft (R. Piper & Co., Münd)en).
Punktes, der mit der Idee das Oüerk überftraßlt. Äber dann merkt er es auch) nicht. Das
üdeltmännifcße, die Begabung, und endlich) vor allem: das Naive, Getriebene ift größer
als die Inbrunft. Diefe Feftlegung gibt einen befonderen Reiz.
So kommt es auch), daß Arbeiten Großmanns kaum jemals fcßlecßt find, aber auch) kaum
von jener Problematik, wo allzu ßeißer Geift bei umformbarer Aufgabe cbaotifch) ftürzt.
Er h>at alfo immer ein ficßeres Niveau. In reifen Arbeiten ift alles daher ein einziger
hervorragender Stil. In anderen, die man feine problematifchen nennen könnte, in
jenen alfo, wo er aus ünbewußtheit das 3entrum nicht erreicht, ergößen köftlicße Natu-
ralismen. ünbekümmert, ohne es zu merken, malt er in eine fdßöne Landfchaft, die
das üngeh)euerlich)e der Mond- undCauftille zärtlich gebildet, ganz lebenswahre Schwäne
und Fledermäufe in den Vordergrund. Dagegen ift wieder nicht zu überfeben, daß
diefer Großmann fchjon vor zeßn Jahren eine Menge Anfälle zu futuriftifcßen und ex-
preffioniftifcßen Stilformen in feinen Blättern zeigte, die er felbft nicht weiterentwickelt
hat, die andere in tüchtigerer Art ausbeuteten, weiterfchmfen und ißre Namen mit dem
„Stil der 3eit“ in dicßtefte Verbindung brachten. Fjätte Großmann im Künftlerifcßen
eine Nuance nur von Gefcßäftsfinn, er marfchjierte an der Spiße der formalen Pro-
grammier. Aber ihm ift dies alles nur liebenswürdiges Spiel. Diefe ünmaffe Bega-
bung wäre, hätte fie h)eroifch)es Format oder fch)öpferifchfte Inbrunft, vielleicht die typifcße
Erfcheinung der modernen 3eit geworden. Aber er \)at keinen Ehrgeiz: fein Mangel
und fein 3auber zugleich- Beweis, daß diefer küh>le Künftler alles andere ift als
Intellekt, vielmehr in feiner diftanzierten Überlegenheit naiv.
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