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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 12
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Kunstpolitik
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0399

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Die Zeit und der Markt

Kun ft politik
Leiden der Kunft
Seit Jahren ift die Revolution der Künfte.
Hbfeits ftebt noch die Baukunft.
Malerei,Plaftik baffen dasScbulmäßige: 3wang,
willkürliches Gefetj. Sie wollen Freies, Urfprüng-
licbes, weil fie das [Hefen der Kunft erkannten.
Sie baffen die Akademie, die den Kunftgedanken
erftickt
Dogmaiifcber nocb als ibre Äkademie ift die
der Baukunft.
Seit es tecbnifcbe Fjocbfcbulen gibt, ift in der
Baukunft Verkennung des Kunftwefens Syftem
Verftand wird über Gefübl geftellt. Künftler-
tum wird durch das Examen erfetjt.
Häufende, die nur normalen Verftand baben
leiften es. Die Möglichkeiten locken: Titel, Ämt,
[Hürde, ftaatlicbe Verforgung. Beziehungen bat
mancher im Überfluß.
Hm fo überflüffiger find dann die Beziehungen
zur Kunft. Dennoch erfcbeint man obendrein
als Künftler, weil man es fcbriftlidi beftäiigt
erhielt.
Baumeifter: Meifter des Baues. Älfo Künftler
Regierungsbaumeifter: ein für die Regierung
tätiger Meifter des Baues. Älfo Künftler von
Staats wegen?
Oder etwa: Meifter des Regierungsbaues?
Klingt fcbon glaubwürdiger. Der Regierungsbau
hat feinen Meifter bald gefunden.
Später wird der Baumeifter ein Regierungs-
baurat. Er rät beim Bau. Er rät auch beim
Bauen, weil ihm das Bauen einRätfel ift. Statt
eines Scböpferifcben ift er ein Hecbniker und
Stilgefchichtler. Statt des Künftlers haben wir
den Kunftbeamten. Seine Stellung entfpringt
ftatt dem Künftlertum der Perfonalakte.
Ein hohes Ämt, durch Fleiß und Führung er-
reichbar. Der Gipfelpunkt eines Syftems, we-
fensfremd der eigentlichen Sache: der Kunft.
In Scharen ftreben die Mücken blindlings dem
Lichte zu. Können fie der Kunft wefensver-
wandt fein?
Die Eocbfcbule lehrt, was der Meifter des
Regierungsbaues braucht.
Für den Regierungsbau kommt aber nur ein
kleiner Prozentfatj der Studierenden in Frage.
Den andern wird die 3ukunft eine Frage,
wenn ihre Beziehungen zur Kunft fraglich ßnd.
Ihre künftlerifcbe 3ukunft.
[Hirtfchaftlich mögen fie ficb halten. Unzäh-
ligen Bauherren genügt der Eecbniker. Unzäh-

ligen imponiert der Stiljongleur. Man weiß es
nicht anders.
Äber die Kunft?
Viele unferer beften Architekten kamen auf
anderm [Hege zur Baukunft (Peter Behrens,
Bruno Paul, Riemerfcbmid und andere). Sie
und die wenigen, deren angeborenes Künftler-
tum das Syftem der Fjocbfcbule unter Verluft
einiger Jahre überftand, bilden die kleine Ge-
meinde der Baukünftler.
Einfame Felfen ragen aus dem Meere. Das
Meer ift groß. Man muß lange fahren, bevor
man einen Felfen fiebt. —
Malerei und Plaftik beginnen, einen Stil zu
bekommen.
Stil entfpringt aus dem Geifte einer 3eit. Nur
aus dem einer bedeutfamen 3ek-
Der Geift einer üblen Zeit fcbuf die Inftitution
des Regierungsbaurates. Da fie uns befcbert
wurde, blieb uns der Bauftil verfagt.
Das Meer ift fo groß!
Die Gefcböpfe jener Inftitution haben keinen
Stil. Ihre Stilbauten find Raub am Gefcbicbt-
licben, find Unwahrheiten gegen die eigene 3ek
Sie find nicht Kunft.
Die Kunft leidet am Regierungsbaurat: an dem
kunftfremden Cecbniker und Beamten, der von
dem Syftem gezüchtet wird.
[Has nütjt lebten Endes Stil in Malerei und
Plaftik, wenn die Möglichkeit fehlt, von ihm
Gebrauch zu machen!
CHir brauchen [Hände, Flächen, Raum — Archi-
tektur. [Hir brauchen fie, damit Malerei und
Plaftik Monumentales fcbaffen können. [Hir
brauchen monumentale Architektur.
Stets fcbritt die Baukunft voran und fcbuf den
Scbweftern die Bafis.
Fjeute geht das geiftige Streben auf Monu-
mentalität. Das Bedürfnis ift da. Maler, Pla-
ftiker fcbreien. Gebt uns! [Hir find reif!
Die Baukunft rekelt ficb unentwegt auf der
Schlummerrolle faden Pbiliftertums. Der Regie-
rungsbaurat fegnet ihren Schlaf und forgt, daß
niemand die Rüge ftört.
3uwenig Kunftfinn in der Maffe der Jünger.
3uviel Ämtsgefinnung, Bürgerlichkeit.
Äber ihr andern: Äufzucken! Kunftwollen!
Revolution! Los vom Syftem! Die Kunft den
Künftlern! ChriTtof Spengemann.
Äufgaben bayrifdjer Kunftpolitik
lautet eine Folge von drei tiefgründigen Äuf-
fätjen in den „Münch- N. Nacbr.“ (Ausgabe 25.,
29. u. 31. Mai), die [Hilbelm F)aufenftein ge-

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