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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 12
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Neue Graphik und Liebhaberbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0407

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Neue Graphik und Liebbaberbücber

Gerftellung“ und „bis ins kleinfte künftlerifcb ge-
pflegte Druckanordnung11 [ollen „in diefer Bucb-
arcbitektur Vorbildliches berausbringen“. Außer-
dem find „noch vielerlei Befonderßeiten vorge-
feßen“, wie es in einer „Vorankündigung“ beißt,
z. B. Mitteilungen mit redaktionellen und tecb-
nifcben Hngaben, um eine engere Verbindung
mit den Hbonnenten ßerzuftellen. Eine fplendid
gedruckte „Ankündigung“ belehrt fodann über
den Inhalt der 3eitfcßrift, die fein foll „das
Werk Wefensverwandter, die [ich noch unter
den Schilden unbekannter oder wenig genannter
Namen bergen gegen feindliche Waffen ent-
thronter Künftler, um einzeln dann ßervorzu-
fpringen, wenn das Ich unbezwingbar gefeftet
und gehärtet in dem Feuer des Schaffens, die
Rüftung vollkommen ift bis zum lebten Ring“.
„Den Werdenden gehören diefe Blätter, den
Kommenden, in deren glühendem ürfelbft das
Verfprechen jeder Erfüllung leuchtet, in denen
das 3wiefacbe demiurgifcber Kraft—3erftörung
und 3eugung — [ich unverhalten bindet, denen
jede Realität Sprungbrett wird, den jungen Geift
in die mächtig ftrömendeBewegung einer höheren
Wirklichkeit zu fcbleudern.“ „Maßlofe Vifionen,
die in uns grell und beftürzend auffcßießen und,
des Sinnlichen und Raumzeitlichen Enge fpren-
gend, die Kuliffen des Scheinbaren umftürzen
und unfer Inneres ausweiten zu kosmifchen Di-
menfionen, follen hier einkörpern, kriftallifieren
in künftlerifcbe Form; unerhörte Ideen, in denen
Denken und Gefühl fteiler gipfelt als mäßige
Befinnlicbkeit gewohnt, wollen [ich offenbaren in
Werken, fcbarf geprägt in der Münze eigen-
williger Individualität.“ „Wer hier mit Wort
oder Linie ausfagt über [ich und fein inneres
Wefen, wendet [ich an die Fjdlbörigkeit und
das gefcbärfte Geficbt jener, die empfindlicher
organifiert und dem tiefen, auffcßließenden
3wiegefpräcb andächtiger und geneigter laufeben
als den lärmenden Verkündigungen durch der
Öffentlichkeit dröhnendes Schallrohr.“ Das febon
Fertige, das Ausgereifte, gilt als erledigt, als febon
überwunden, als Füftorifcb, das mit lebendiger
Kunft nichts mehr zu tun hat, und deshalb wird
an jegliches Epigonentum rückficbtslofe Abfage
geleiftet werden. „Nicht für den Gag und die
Stunde Gefcbaffenes, Bleibendes wird in diefer
3eitfcbrift in einmaliger Form geboten.“ Das
find ftolze Worte und außerdem febr viele
Worte, die doch übrigens „den lärmenden Ver-
kündigungen durch der Öffentlichkeit dröhnen-
des Schallrohr“ recht febr gleichen, und man
muß abwarten, welche Gaten diefen Worten
folgen. Ein numeriertes Probeheft (nach dem
Mufter des „Marfyas“) mit Proben aus dem

1. Jahrgange und das 1. Fjeft liegen vor, in
Ausftattung und Inhalt, wie es verheißen war,
glänzend auf 3anders-Bütten in der Alt-Scßwa-
baeßer in großen Graden in der Offizin Man-
druck in München gedruckt, mit Steinzeichnun-
gen, ebenda vervielfältigt, mit Radierungen, von
der Fjofkunftanftalt Franz Fjanfftaengel in
München auf der Qandpreffe abgezogen, mit
Klifcbees, geäßt von A. Gäßler & Co. in Mün-
chen, und handkolorierten Initialen, Fjeft und
Graphikmappe der Ausgabe Ä in echtes Roma-
Bütten gebunden mit echt japanifebem Vorfaß-
papier mit Seidenfäden. Der Inhalt eines jeden
Geftes foll unter einen Sammeltitel geftellt wer-
den, und fo hat das 1. Fjeft zum Inhalt „Ekftatik“:
ein Drama „3wifcben Erde und Schatten. Flat-
ternde Gänze“ von Friedrich Sebrecbt mit
3 Kaltnadel-Radierungen von Engert, eine
mytbifebe Erzählung „Der Erwecker“ und 2Feder-
zeiebnungen „Die Geburt des Böfen“ und „Der
Gang durch das Grauen“ von Ernft Scbertel,
eine Kaltnadel-Radierung „Verzückung“ von
E. Plaicbinger-Coltelli-Roccamare, einen
Sonettenring von Garry Kahn, eine Novelle
„Frigida“ und 2 Lithographien „Eros Qrania“
und „Phantasma“ von Andreas Gbom, einen
3yklus von 4 Kaltnadel-Radierungen „Craum-
büFme“, wieder von Plaichinger, eine Novelle
„Der Flammende“ von Curt Moreck mit hand-
kolorierten Initialen und einer Lithographie von
Jofef Eberz. Alfo in der Cat frifebe Kräfte,
neue Namen, „eine morgendliche Gemeinfcbaft“.
Und wenn deren Streben nach neuem Ausdruck
feelifebenErlebens, wenn ihre „unerhörten Ideen“,
„ihre Gottbegeifterung, die mächtig ift, Chaos
zu formen zur Welt, Gimmel und Erde zu fondern
als Oben und ünten“ auch vielen, febr vielen
unverftändlicb bleiben werden, fo wird doch
rückhaltlos jeder anerkennen, daß hier Außer-
ordentliches mit dem Stift erftrebt und erreicht
ift. Die Graphik gibt der 3eitfcbrift ihren Wert.
Ob diefe ICünftler „Aufrüttler und Aufbauer,
Werdende, Kommende“ find und „Bleibendes“
bieten, ob diefer neue Sturm und Drang fo vielen
Kennern und Einfühlern von Kunftwerken mit
der „Gellhörigkeit“ und dem „gefebärften Ge-
ficbt“, die gefordert werden, Genuß und Erbau-
ung bringen wird, um diefe 3eitfcbrift zu halten,
die „abfichtsvolle Vereinfamung“ auf wenige
Exemplare befebränkt hat, wird die näcbfte 3eit
lehren. Das 1. Geft erfchien im Oktober 1918,
das 2. Geft follte noch vor Weihnachten zur
Ausgabe gelangen; mir ift es noch nicht zu
Geficbt gekommen. Auch vom „Marfyas“ hat
man nichts mehr gefeben. Minde-Pouet.

Der Cicerone, XI. Jahrg., Heft 12

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