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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 14
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0487

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Äusftellungen

Natur ih>r Gefeß erhalten. Man begegnet einer
ganzen Reibe intereffanter Pßyfiognomien. Da
ift Otto Müller mit einem Selbftbildnis vor rotem
Grund und Akten in der Landfcßaft, die Fläche
zu großer ftiller Hlirkung aufteilend, da ift GUalter
Klemm mit einer 3iegelei, bei der die Rots in
der Landfcßaft zur rßytßmifcßen Vorbereitung
auf das Rot im Scßornftein dienen. Verwandte
Grundftimmung verbindet Alfred Partikel und
Berlit Rüdiger. Partikel begleitet bei feinem
Flirten und feinen Mäßern den Bewegungsrßytß-
mus der Figuren zunäcßft mit der Fläcßenauf-
teilung im landfcßaftlicßen Grunde, um dann
aber nacß hinten eine tiefe Raumperfpektive
anzufcßließen. Diefe widerfprucßsvolle Bildlogik
bringt einen reizvoll primitiven Eindruck hervor.
Rüdiger denkt konfequenter bis zu Ende, und
Bilder, wie die Cotenklage, ballen die Fläcßen-
rßytßmik und die dunklen Farbentöne zu nach-
drücklicher HIucßt. Ein reines Äusdrucksbild ift
dann Fjans Dörnbachs Revolution. Er hat die
Revolution als Glück der Befreiung empfunden
und hierfür ein Gefühlsfymbol geftaltet: ftark-
farbige Geftalten, die fich ftrömendem Ließt ent-
gegenheben. Schmidt-Rottluffs önbändigkeit ift
immer aggreffiv und feßeut felbft vor dem Roßen
nießt zurück, aber er erreicht eine Intenfität der
Cüirkung, der fieß niemand entziehen kann. Sein
Stilleben mit Negerfigur und roten Blüten muß
man nur vergleichen mit Fjübners Stilleben mit
dem Cßinefen, das fieß auf eine gefcßmackvolle
Änordnung und Farbgebung befeßränkt, um die
unßeimlicße Kraft zu fpüren, die bei Scßmidt-
Rottluff geiftert. 3U feinen ftärkften Bildern
find die drei Negerinnen im HIalde, das Mäd-
chen bei der Coilette und der fixende Äkt zu
rechnen.
Die andere Richtung, die nacß Vergeiftigung
der Malerei ftrebt, hat in Lyonei Feininger
einen eßarakteriftifeßen Vertreter. Feininger
teilt mit Delaunay die Vorliebe für Hliedergabe
von Ärcßitekturen, die kubiftifcß in Farbfläcßen
zerlegt werden. Hläßrend aber Delaunay bei
feiner Conwirkung grauer und brauner Ceilfläcßen
beßarrt, ift Feininger koloriftifcß reicher. Die
Ernftßaftigkeit diefer Kunft ift aus den Folgen
von Bildern zu erfeßen, in denen fieß Feininger
um die Geftaltung eines Motivs, etwa der Kirche
in3ircßow, die er in den Jahren 1912—17 fieben-
mal malte, zu immer vergeiftigterer ÜJirkung
müßte, und es ift nießt zu leugnen, daß feine
Farben, die in breiten Flächen aufgetragen find,
gar nießt als Anftricß, fondern durchaus im-
materiell wirken. Das Verlangen, den Gegenftand
des Stofflichen zu entkleiden, ßat in der Sonder-
ausftellung der Dresdener Sezeffion Gruppe 1919

zu Verfucßen geführt, die meßr gewaltfam als
gewaltig find, meßr Grimaffe als Ausdruck zeigen.
Ißnen allen gemeinfam ift der (Hille, den Natura-
lismus zur Vergeiftigung aufzupeitfeßen, aber
über die (Hendung ins Ornamentale find fie alle
nießt hinausgekommen. Otto Schuberts Fläcßen-
dekor verwendet gern ftumpfe Farben, ge-
dämpftes Roftrot und Kobaltblau. Auch in jedem
der Bilder öUilli Fjeckrotts, der Lyriker ift wie
Schubert (man vergleiche daraufhin auch die
beiden gemeinfame öüaßl literarifcßer Bildtitel)
ft eckt etwas, was fieß für Gobelins eignen würde.
Otto Dix fcßwelgt in farbigem Orgiasmus. Er
ßat grelle feßarfe Farben, die er noeß um Silber
vermehrt, zu Bildern geordnet, deren aufdring-
liche Buntheit wie dureßfeßnittene farbige Glas-
flüffe wirken. Der Eindruck jedenfalls, den er
in der Auferfteßung des Fleifcßes erreicht, wo
filbernes Gebein auf feßwarzem Grunde rußt und
wo nacß oben alles in Farben aufzudampfen
feßeint, ift nießt oßne fremdartigen Reiz. Das
befte Bild der Gruppe allerdings ift das noch
am meiften gegenftändlicße, nämlich die Reiter
in ruffifeßer Ebene von P. A. Boeckftiegel.
Die große führende Perfönlicßkeit fehlt diefer
Kunft noch immer, denn Liebermanns, desEßren-
präfidenten Naturalismus, feßeidet fieß davon wie
Öl vom öüaffer. Außer zwei feßönen Land-
feßaften ftellt Liebermann einen Konzertfaal aus,
worin Raum, Luft und Ließt zu einer tonfeinen
Köftlicßkeit zufammengewoben ift. Dagegen
ift das Doppelporträt zweier jungen Mädchen
ein fcßlecßtes Bild. Es nimmt nießt wunder,
daß Liebermann gegenüber folcßen Gänschen
nießt fein beftes hergab, aber es bezeichnet doch
aueß die Grenzen feiner Porträtkunft, die eben
doeß nur gereifte Verftandesnaturen voll zu er-
feßöpfen vermag, aber in der Cßarakteriftik von
Gefüßlsmenfcßen und nun gar von Kindern und
jungen Mädchen immer vergewaltigend wirkt.
Von Franz Marc, der ein Füßrer geworden wäre,
ßängt ein Kaßenbild aus, deffen wohllautende
Fügung einem tagelang naeßgeßt.
In der Plaftik*'find neue wegweifende Kunft-
werke noch fpärlicßer vorhanden als in der
Malerei. Fjerbert Garbes Gruppe Kuß, an Arcßi-
penko orientiert, gibt doch meßr als nur ein
plaftifcßes Ornament. Emmy Roeders Mädchen-
akt Pubertät und (ililly Negers auferfteßender
Jüngling verfließen die geiftige Spannung über
den Körper triumphieren zu laffen. ünter den
Porträtköpfen fteßt die befeelte Büfte Jakimows
obenan. Die große Stilkraft Leßmbrucks aber,
die noch einmal in befferer Auswahl, als hier
gefeßaß, vorgefüßrt werden follte, ift noch oßne
Nachfolge geblieben. Gerftenberg.

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