Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0562
DOI Heft:
Heft 17
DOI Artikel:Uphoff, Carl Emil: Paula Modersohn
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der Öffentlichkeit fetjt er fiel)
mit den ihm oder feine Seit-
genoffen bewegenden Pro-
blemen malend, fdjreibend,
mufizierend auseinander,
anftatt einfach) darzuftellen,
was ift und wie er fielet —,
wie er lebt, was ift, auch)
wenn es fid) um Ungeklär-
tes, Problematifchjes handelt.
Damit aber hört der Künft-
ler auf, Künftler zu fein, und
hört die Kunft auf, Kunft zu
fein. So wie das Leben ge-
lebt, getan und nicht er-
örtert fein will, wenn es an
feiner lebendigen Fülle nicht
leiden foll, fo will die Kunft
dargeftellt, getan und nicht
erörtert werden. Die Cat
gipfelt im Cun und nicht in
der Äuseinanderfetjung über
fie. Das Leben will gelebt
und nicht von Standpunkten
aus betrachtet werden. Die
Kunft [ollen wir fchaffen und
nicht malend, mufizierend
umfchreiben.
Paula Moderfohm verlor
als Künftlerin nicht ihr
Frauentum, und Frau fein,
das heißt immer und ewig ein
unprogrammatifcher Menfch
fein. Sie hatte keine äfthje-
tifdjen, moralifchen oder
fonftigen Maßftäbe, bei de-
ren Verwendung das Dafein ftets irgendwie zu kurz kommt. Die Stärke, mit der
ihr Gegenftand erfaßt, das heißt erlebt, mit feinem Innerften in das eigene
Innerfte aufgenommen —, in feinem Kiefen durchfühlt und mit dem eigenen
Kiefen des Schaffenden durchglüht wird, das ift die Schönheit in der Kunft.
Das heißt: diefe Stärke des Erlebens aller Ereigniffe und Dinge des Lebens
bedingt den Grad der Lebendigkeit, der Vollkommenheit des Kunftwerkes.
Um einen Gegenftand, fei es aus der exotherifcpen, fei es aus der efotherifchen Kielt,
erfaffen — mit allen Sinnen, allem Gefühl, allem Verftande durchfühlen, umfangen,
überblicken —, kurzum erleben zu können, dazu find die innigften Beziehungen
zwifd)en Perfon und Gegenftand, zwifcl)en dem Kunftfdjaffenden und feinem Objekt
Äbb.4. Paula Moderfobn. Mädchen und Knabe.
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mit den ihm oder feine Seit-
genoffen bewegenden Pro-
blemen malend, fdjreibend,
mufizierend auseinander,
anftatt einfach) darzuftellen,
was ift und wie er fielet —,
wie er lebt, was ift, auch)
wenn es fid) um Ungeklär-
tes, Problematifchjes handelt.
Damit aber hört der Künft-
ler auf, Künftler zu fein, und
hört die Kunft auf, Kunft zu
fein. So wie das Leben ge-
lebt, getan und nicht er-
örtert fein will, wenn es an
feiner lebendigen Fülle nicht
leiden foll, fo will die Kunft
dargeftellt, getan und nicht
erörtert werden. Die Cat
gipfelt im Cun und nicht in
der Äuseinanderfetjung über
fie. Das Leben will gelebt
und nicht von Standpunkten
aus betrachtet werden. Die
Kunft [ollen wir fchaffen und
nicht malend, mufizierend
umfchreiben.
Paula Moderfohm verlor
als Künftlerin nicht ihr
Frauentum, und Frau fein,
das heißt immer und ewig ein
unprogrammatifcher Menfch
fein. Sie hatte keine äfthje-
tifdjen, moralifchen oder
fonftigen Maßftäbe, bei de-
ren Verwendung das Dafein ftets irgendwie zu kurz kommt. Die Stärke, mit der
ihr Gegenftand erfaßt, das heißt erlebt, mit feinem Innerften in das eigene
Innerfte aufgenommen —, in feinem Kiefen durchfühlt und mit dem eigenen
Kiefen des Schaffenden durchglüht wird, das ift die Schönheit in der Kunft.
Das heißt: diefe Stärke des Erlebens aller Ereigniffe und Dinge des Lebens
bedingt den Grad der Lebendigkeit, der Vollkommenheit des Kunftwerkes.
Um einen Gegenftand, fei es aus der exotherifcpen, fei es aus der efotherifchen Kielt,
erfaffen — mit allen Sinnen, allem Gefühl, allem Verftande durchfühlen, umfangen,
überblicken —, kurzum erleben zu können, dazu find die innigften Beziehungen
zwifd)en Perfon und Gegenftand, zwifcl)en dem Kunftfdjaffenden und feinem Objekt
Äbb.4. Paula Moderfobn. Mädchen und Knabe.
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