Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0564
DOI Heft:
Heft 17
DOI Artikel:Uphoff, Carl Emil: Paula Modersohn
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0564
Äbb. 6. Paula Moderfoßn. 3wei Kinder im Cüalde. 1904.
rücßige Gefühle und fcßmußige Gedanken —, [elbftver[tändlid}[tes, unbefangenftes
Erfüllen des Gefeßes des Eros, in deffen Grenzen alles Leben fiel) vollzieht und aus-
wirkt: ßier kam ein junger, keufcfier, einfamer Menfd) einer Erkenntnis ganz naße,
die die Grundlagen des künftlerifcßen Schaffens ans Ließt bringt!
Keufcße Sinnlichkeit, das ift nichts anderes als jene feßöpferifeße Sinnlichkeit,
mit der wir den Mufiker in den Ebnen, den Dichter, Maler, Bildhauer und Architekten
in feinen inneren Vorftellungen fowoßl als auch im übermäßigen Reichtum der greif-
baren Erfcßeinungen der Natur — und des menfeßließen Dafeins im befonderen —
fcßwelgen feßen; fchwelgen, nießt um einer perfönlicßen, entarteten Genußgier, einer
geilen, unfruchtbaren Sinnlichkeit zu frößnen, fondern um zum cüerke zu kommen.
ffllir find mitunter erftaunt — und maneßer wird es insbefondere im Ängeficßte von
Paula Moderfoßns Menfcßenbildniffen fein —- den Schaffenden folcßen Menfcßen und
Dingen, folcßen Gefühlen und Gedanken feine Neigung feßenken zu feßen, die einem
ßerrfeßenden 3eitgefcßmack gemäß als wenig feßön, als „ßäßließ“ gelten, und viele
find leießt damit bei der Fjand, den Künftler einer Entartung, einer Perverfion oder
dergleichen zu zeißen. Odas mag aueß an einem mumienhaften Bauernantliß, an einer
abgearbeiteten Fjand, an einem blöden Kindergeficßt woßl fein, das eine „normale“
Sinnlichkeit erregen könnte? EEIie kann ein „toter“ Stein, ein Klumpen Eon, irgend
eine Farbe oder irgend ein üdort, ein ßingeworfener Gedanke die Sinne eines Menfcßen
540