Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (11.1919)

Äbb. 7. Paula Moderfoßn. Bauer mit aufgeftütjtem Kopf.

fo erregen, daß er von der Scßönßeit folcßer Dinge Eingenommen in fcßöpferifcße
Ekftafe gerät?
Für den [[liffenden ift dies Rätfel nießt fcßwer zu löfen. Sinnlid} bis in die Finger-
fpifsen zu fein, das ßeißt, das verborgenfte Leben in ficb felbft und in allen Dingen
ringsum ertaften können, [Ind fcßöpferifcß finnlid} fein, das ßeißt, das eigene Leben
mit dem ertafteten Leben fo verfcßmelzen können, daß aus der innigften Vereinigung
das [Berk erfteßt.
In allen geiftigen und körperlichen Dingen ift werkßafter [Dille, ift 3eugungsluft.
Alles will fiel} werkßaft, dureß Frucßtbarkeit lebendig erweifen, das ßeißt wirkungs-
und feßaffenskräftig über fieß ßinaus. Aber man muß fcßlecßterdings „finnlicß bis in die
Fingerfpitjen“ fein, um dies füßlen und begreifen zu können, und die Sinnlicßkeit muß
mit Keufcßßeit gepaart, das ßeißt, von angefaulten Gefüßlen, verfälfeßenden Ver-
keilungen frei fein —, nießt abgeftumpft dureß Gefcßmacksanfcßauungen und nießt ab-
geblendet dureß äftßetifcß-programmatifcße Brillen, damit fie das verborgenfte Leben
und feine ßeimlicßen Scßönßeiten entdecken kann. Dann begegnen dem, der diefe
Sinnlicßkeit befifet, jene wunderfamen Erlebniffe, von denen Paula Moderfoßns Dafein,
wo es fieß aueß abfpielte — ob in Paris oder im Moor — täglicß erfüllt war. Dann
kann man in das Leben wie in eine Überfülle von Blüten und Frücßten, füßen und
giftigen, ßineingreifen —, dann breitet es fieß leueßtend lebendig vor dem Azur der
Ewigkeit, und was die Augen, was die Sinne an beraufeßender Farbe trinken, das
formt fieß in der Verfcßmelzung mit dem eigenen Innern zu ßoßen Gedanken und
[Berken.
Für den einfeitig moralifeßen Menfcßen nießt, aber für den feßöpferifeßen umfomeßr
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