Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0566
DOI Heft:
Heft 17
DOI Artikel:Uphoff, Carl Emil: Paula Modersohn
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Äbb. 8. Paula Moderfohn.
Stilleben mit Conkrug und Jitronen.
ift das Dafein mit all feinen unerfchöpflichjen Inhalten und in all feinen Erfdjeinungen
unbezweifelbar vollkommen. Er fiat die Macht und die Kraft, die fctjeinbar nie zu
vereinigenden Gegenfätje, das F)äßlid)e mit dem Schönen, das Gute mit dem Böfen,
das Rol)e mit dem 3arten werkhaft zu verbinden —, im (Herke zum ßarmonifcßen
Erfcßeinen und (Dirken zu bringen. Das durch) den kritifcßen Menfdßengeift raftlos
zerfpaltene Leben —, der fcßöpferifcß-finnlicße Menfct), der Künftler nimmt es zur
Fjand und fügt es zur ßödjften, zur fruchtbaren Einheit zufammen Dies ift die Be-
deutung des Künftlers in der (Heit, und Paula Moderfohn war eine der (Denigen, die
fie groß und rein zum Ausdruck brachte.
Sie ftand mit einer feltenen Dnvoreingenommenßeit inmitten des Lebens. Rings um
fie zehrte fchon die Krankheit der Selbftverneinung und des 3weifels an allem, durch
die fiel) das Nahen der großen 3^itwende ankündigte. Immer mehr zogen fiel) die
Menfchen auf ihre engen Intereffen und ihre umgrenzten Standpunkte dem Dafein
gegenüber zurück, weil fie nicht mehr ftark genug waren, inmitten der aufgewühlten
und nun einander bekämpfenden Extreme zu ftehjen und die fd)einbar ewig unver-
föhnlichen Gegenfäfee kraft ihres (Hillens zu harmonifchem (Dirken zu vereinigen. Immer
mehr auch nahmen die Kunftfdßaffenden programmatifd) beftimmte Standpunkte gegen-
über der Kunft ein. Ihr (Hefen war in den Seelen der meiften Künftler nicht mehr
lebendig. Man erörterte es in l)ifeigen Streiten vor aller Öffentlichkeit; das Kunftfchaffen
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