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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 17
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0588

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der urfprünglidße Gedanke einer Galerie der
lebenden Meifter nod) erhalten geblieben.
Aber ein Galeriedirektor follte fein Fjerz drei-
fach mit Erz umpanzern und keine Rück-
fidjten auf die Freunde feiner Freunde nehmen.
Der Fluch des Kompromiffes rächt fich fofort.
3u etwas freierem Ätmen kommt man dann im
Saal der Sammlung Königs, worin das Äusland
mit 3orn und Segantini, mit Croubetjkoi
und Faoretto zu GQorte kommt. Im großen
Creppenhaus find etliche Landfchaften und Gier-
ftücke aufgehängt, die aber auch nicht gerade
dazu beitragen, die Qnruhe des Raumes zu be-
fchwichtigen. Qm fo überrafcbender ift dann
der Anblick der Räume des erften Stockwerks.
Fjier ift großer Schwung und ein klarer Rhythmus
in der Anordnung vorhanden. Es waren die
vier Empfangsfäle, deren Qlände mit farbigen
Seidenftoffen befpannt fehr glücklich die Wir-
kung der Bilder erhöhen. Man bedenke, daß
Impreffionismus bürgerliche Kunft par excellence
ift und daß daher der Charakter fchöner Cüohn-
räume den Bildern eine vollkommene Refonanz
gibt. Der rote Crübnerfaa! ift im Licht etwas
beeinträchtigt durch den fchattenden Vorbau,
wodurch das Bildnis Schuchs ins fchwärzliche
fällt. Qm fo wirkfamer aber fteht vor dem
roten Grund das Spätbild mit dem Sohn des
Künftlers im Panzer vor gelbem Vorhang. Den
großen grünen Saal nimmt Liebermann allein
in Änfprud). Man kann jeljt die Entwicklung
von 45 Jahren ftudieren, da ein Bild mit Ar-
beitern im Rübenfeld von 1875 bis in die Mun-
kacsyzeit zurückführt und als neueftes Gefchenk,
mit nachlaffender Kraft gemalt, ein Bild einer
Kinderfrau mit Kind von 1919 vorhanden ift.
Der Einfluß Menzels wird in der Leihgabe des
CQirtshausgartens fichtbar. EinigePlaftiken Gauls
und Kolbes haben hier gefchickte Aufteilung
gefunden. Nun hebt fich die Kurve im Saal
der Franzofen: das ift reine Augenfreude. In
diefem lichten gelben Saal ift wirklich nur aller-
erfte Qualität beieinander. Die fonoren Klänge
der Manets auf der einen Seite und Cezannes
Landfchaft und Stilleben in ihrer baumeifter-
lichen Fügung auf der andern Seite und auf der
breiten Kaminwand das wundervolle Leuchten
derRenoirs undMonets. Auch der Fliederftrauß
Manets, der feit Cfchudis 3^iten verfteckt ge-
halten werden mußte, darf fich nun endlich vor
der Öffentlichkeit fehen laffen. Die nuanzen-
reiche Farbigkeit diefer weißen Blüten wird
durch den fchwarzen Grund noch gefteigert. tüie
diefe Kunft unmittelbar ausblühte im Neu-
impreffionismus ift in einem Saal des oberen
Stockwerks zu verfolgen. Das Kabinett macht

den Eindruck, als ob es fchnell und lieblos zu-
fammengehängt wäre. Auch follte man fold)
zarte Koftbarkeiten wie die Stilleben James
En cor s nicht fo in der Maffe der Signac, Croß
und Maurice Denis verfchwinden laffen. Im
kleinen blaßblauen Eckfalon dann Slevogt und
Corintf). Ifoliert an einer Cüand hängt Sle-
vogts weißer d’Andrade von 1912 und diefem
Prachtbild kommt felbft das doppelte Licht der
Ecke noch zugute, indem alles zu funkeln be-
ginnt. Mit Corinths ftroljender Frifche in dem
fchönen Bild feiner Frau und der faftigen Inn-
landfchaft kommt ein anderer Gon hinzu, aber
er ift von gleicher Kraft und öQirkfamkeit.
Das zweite Stockwerk endlich enthält die
großen Überrafchungen mit der nachimpreffio-
niftifchen Kunft. tüenn man bedenkt, daß es
noch kein Jahr her ift, feit der Galerieleitung
bei Ankäufen nicht mehr die FJände gebunden
find, fo ift fchon mit Gefchick in den verfchie-
denen Strömungen gefifcht worden. Aber man
darf fich nicht darüber wegtäufchen laffen, daß
der ftaatlicße Befilj an expreffioniftifcßen Kunft-
werken noch ein fehr geringer ift. öüie die
Dinge heute liegen, haben die führenden neuen
Künftler feit Ende des Kriegs nahezu ausver-
kauft und man muß warten, bis ihr Laden
wieder voll ift. Nahezu die Fjälfte der aus-
geftellten CQerke, und nicht die fdjlechteften, im
oberen Gefchoß find Leihgaben.
Nur fo könnte die Einheitlichkeit der Ent-
wicklung vorgeführt, nur fo ein gefchloffener
Eindruck erzielt werden. Aber jedenfalls ift
damit Ausficht dafür vorhanden, daß die An-
käufe der neuen lebendigen Kunft fyftematifcb
erfolgen und die Lücken fcfjließen werden.
Qlirklich galeriereif und nicht nur ausftellungs-
würdig find hier der Saal, der von Marcs
Curm der blauen Pferde behjerrfcht wird und
das FJeckel- und Kirchnerzimmer. FJcckel
und K i r ch n e r geben ein gutes Gefpann,
beide haben den ftrengen Stil, den man beute
gern gotifch nennt. Kirchners Kölner Rhein-
brücke hat in der Gat etwas von dem Geift,
der die im Bilde wirkfame Kraft und Gefpannt-
heit fuggeftiv auf den Befchauer überträgt.
Fj eck eis bekannte Oftender Madonna, die er zu
einer Matrofenweifmachtsfeier 1915 auf zwei
braune 3eltbahnen malte, ift der Inbegriff der
Inbrunft und Sefmfucht nach einer neuen Re-
ligiofität, die unfere 3^it erfüllt. Sie kehrt
wieder in der knienden Beterin, wieder einem
tüeihnachtsbild. Merkwürdig unirdifch leicht
find diefe Geftalten, die wie eine Flamme über
der Kerze auf der Erde aufzuftehen fcheinen.
Dazu zwei Landfchaften, das rotglühende „Ge-

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