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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 17
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0590

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Äusftellungen

gebrochenen Farbflächen mit hoben Rändern
nebeneinander ftehen. Drei Paftelle aber von
1919 zwingen Freundlich zu kleinem ümfang
und fiehe da, fie find freundlich, reizvoll, farbiges
Ornament. Äuch die Federzeichnungen haben
fchwungvollen Rhythmus. Äber diefe Malereien
wenden fich nicht nur an das äußere Äuge,
fondern mehr noch an das innere Äuge. Das
verbindet Freundlich mit Jantfmr, deffen Bilder
von einem einfeitig impreffioniftifch orientierten
Befchauer notwendig als nur gewollt unkultiviert
gewertet werden müffen, die aber dadurch, daß
fie die Mauer der Realitäten durchbrochen haben,
fich neuen 3ielen zuwenden können. Cefar
Klein wirkt gegen diefe beiden fcbon faft wie
ein alter Meifter. Die idyllifche Grundftimmung
all feiner Malereien findet fich in konzentrierter
Äusdrucksfülle in der Ruhe auf der Flucht 1918.
LeneSdjneider-Kai fer, weiblich anlehnungs-
bedürftig, feßt ihre Bilder an wie Pascin, hat
aber nicht foviel Salz und Pfeffer, um die Koft
pikant zu würzen. Äuf meifterlicher Fjöhe fteht
Fjeinrich) Nauen mit dem Gladiolenstilleben.
Von den Äquarellen verdient das fpringende
Pferd, das mit einem Temperament, wie es feit
Delacroix nicht da war, gemalt ift, hervorgehoben
zu werden. Äll dies gruppiert fich nun zu feiten
von Jaeckels Erotik (1914), die als braufender
Schlußakkord in Gurlitts Oberlichtfaal hängt.
Mächtige Leiber find zu monumentaler (Uirkung
zufammengeordnet auf Koften des 3uFammen-
hangs zwifchen Figur und Landfchaft.
Gngefähr das gleiche Programm wie Gurlitt
bietet Neu mann. Jaeckel, Fjeckel und Pechftein
begegnen auch dort, die beiden letzteren mit
befferen Stücken als fie Gurlitt diesmal erwifdjt
hat. Fjeckel beweift wieder, über wie reiche
Regifter er verfügt. Die fddafenden Männer,
wo Breitformat, Häufung der horizontalen und
das ruhige Blau ausdruckverftärkend zufammen-
treten. Dazu die Vorliebe für Charakteriftik
verfchiedener feelifcher Stufen. Das fchwere
gebundene Schlafen des Mannes an der Erde,
darüber zwei Männer auf der Bank, von denen
einer im IJalbfchlaf den Kopf aufftüßt, der an-
dere auf dem Rücken liegend die Fjände im
Älbdruck breitet. Ein anderer wieder ift Fjeckel
bei der „Kirche“. Äus dem Gefchachtel roter
Fjäufer löft fich der hohe Turm himmelan in
magifchem Lichtgrün, fo ausdrückend, daß dies
haus allein der tranfzendentale Bau fei. Und
welch fchönes Symbol hat Fjeckel dann in dem
Meerbild geftaltet! Es kann nicht überzeugender
zum Bewußtfein gebracht werden, daß die
fcßäumende Gifcßt die Blüte des Meeres fei
wie in diefem Bilde. Von Pechftein habe ich

lange nicht einen fo ftarken Eindruck bekommen
wie vor den drei Bildern bei Neumann. Eine
fchöne Kompofition: BildnisfcFmitjer auf Palau,
zart in der Farbe wie ein Gobelin. Äuch gehört
Pechftein Gott fei Dank zu denen, die die Porträt-
malerei noch nicht als Einkunft ablehnen wie
wieder einmal der Frauenkopf hier zeigt. Äm
ftärkften fafzinieren aber die grotesken Mas-
ken, wobei man indes überlegen mag, daß
Nolde etwa zu gleich unheimlicher öüirkung
mit einfacheren Mitteln gelangt. Reife Kunft
bietet Jaeckel in den beiden Stilleben und dem
Bildnis feiner Frau, tief im feelifchen Äusdruck
und von Sorgfalt in der Modellierung. Von
S cl) midt-Rottloff s fünf Landfchaften leuchtet
eine immer mehr als die andere. In der Park-
landfchaft mit blühender Üüiefe find die Farben
wie auf einem Orientteppich zufammengeftellt.
Diefe Landfchaften find Stufen auf dem Ulege
zur abfoluten Farbe, die das eine Programm
der neuen Malerei bildet, öüenn man danach
die Landfchaften Kerf chbaumers betrachtet mit
ihrem ftißlichen Plakatftil, fo kommen fie einem
doppelt fade vor. Etwas fchmackhafter ift da-
gegen 0. Freytag mit einer Spreelandfchaft.
Der temperamentvolle Meidner tritt mit zwei
Selbftporträts auf, aber beide find eher ver-
gefpenftigt als vergeiftigt. Vom alten Rohlfs
find einige Äquarelle da, darunter ein Mädchen-
akt und ein Frauenkopf, ficher, gekonnt und
von farbiger Kultur. Schließlich zwei Kollek-
tionen geftorbener Talente. Der ältere tüefter-
mair, fein und liebenswürdig, deffen weiche
verblafene Farben einen zarten Gefchmack be-
kennen. Die trauliche tüirkung ftiller Innen-
räume wußte er auszufcßöpfen. find dann der
Münchener Bolz (der an den Folgen einer Gas-
vergiftung im Krieg zugrunde ging). Er be-
gann mit gut erfaßten Porträts, um fich dann
auch mit Theorien und Experimenten einzu-
laffen. So raffte ihn der Tod, als er noch
mitten im Fegefeuer des Kubismus ging.
Gerftenberg.
Äusftellung neuer Kunft in Greifs-
wald
In der erften Fjälfte des Juli fand in Greifs-
wald eine „Äusftellung neuer Kunft“ ftatt, in
der neben führenden Meiftern des Exprefponis-
mus wie Campendonk, Kirchner, Nolde, Rohlfs
auch einige jüngere Künftler zum erften Male
mit ihren öüerken an die Öffentlichkeit traten.
Unter diefen erregte befonders der junge Theo
Kellner mit feinen ftark farbigen und räumlich
klar gebauten Landfchaften und Porträts Äuf-
fehen. In dem erft 20jährigen Künftler kündigt

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