Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0675
DOI Heft:
Heft 20
DOI Artikel:Uphoff, Carl Emil: Der organisierte Künstler
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Brot? Nämlich: es hängt
vom Brot ab, daß fie beffer
in Form kommt, in monu-
mentale Form natürlich), in
die den großen 3eitverßält-
niffen entfprecßenden Pro-
portionen. Oder: wie fcßafft
man derKunft die ißrer lUürde
angemeffene ftaatsbürgerlicße
Stellung? Eine Stellung for-
dert Grundlage. Sorgen wir,
daß die Kunft ißre Grundlage
erßält, die neue Kunft ißre
neue Grundlage. Brot ift die
Grundlage des Lebens. Das
Leben ift eine Kunft, auch
eine Kunft. Die naße Ver-
wandtfcßaft ift augenfcßein-
licß. Mithin auch Brot als
Grundlage für die Kunft, die
fcßließlicß docf) nocß eine
größere Kunft als das Le-
ben ift.
Es beteiligen fiel) außer
allen Aucßkünftlern aucf) Äbb. 15. Kokofcbka. Bildnis Peter Hltenberg.
Künftler an dem Poffenfpiel- Mit Erlaubnis des Verlags Paul Caffirer, Berlin,
cßen. Im Vertrauen, meine
Damen und FJerren Kunfträte: gucken Sie den Künftlern auf die Finger! Sie find eine
guteGefellfcßaft, aber er ift ein fcßlecßter Gefellfcßafter, nämlicß gar keiner. Sie wiffen:
die berüchtigte Ereulofigkeit—! lind Sie dienen docß fo treu derKunft, Ißrer heiligen
Kunft, und er beßerrfcßt fie, der llnverfchämteü Älfo ballotieren Sie ißn rechtzeitig
hinaus, fonft beweift er näcßftens, daß die Brotlofigkeit auch eine Grundlage der Kunft
fein kann und fogar der beften. Und das wäre doch ein Verrat an Ißrem Rat!? —
So liegen die Dinge. Der Künftler fpottet aller Organifation, vor allem aller orga-
nifierten Meinung. Er kann weder Geführter noch Füßrer fein. Er kann nur fein, was
er ift und darftellen, was er ift. lUenn er auf diefe lUeife der Allgemeinheit dient, fo
gefcßießt es von felber. lüenn er durch fein Dafein und feine lUerke beifpielßaft und
erzießerifcß wirkt, dann ift es abficßtslos. lUenn er teilnaßmelos dem zeitlichen Gefcßick
der Mitmenfcßen gegenüberfteßt, fo liegt dies daran, daß er es eben als zeitlich
empfindet. Sein IHefen aber ift nur auf Ewiges eingeftellt, und nur, was an den
menfcßlicßen Leiden und Freuden ewig ift, kann er fcßaffend mitempfinden.
Schaffend mitempfinden, das ift es! Der Künftler ßat nur als Schaffender Eeil am
menfcßlicßen Scßickfal. Aber fcßaffen kann er nicht im Kreife anderer; er erftickt in ißm
oder er wird ein ftupider Gefelle, ein blöder Scßwät^er, ein graufamer Dilettant. Er
braucßt die Ewigkeit und Unendlichkeit als Spielraum, denn er ift in ficß Volk, Menfcß-
ßeit, Erde, (Uelt, Kosmos. Generationen von Menfcßen vereinigen ficß in ißm, dem
Ungefelligen, Einzigen — Jahrhunderte voller Ereigniffe haben an ißm gebaut. lUas
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