Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0706
DOI Heft:
Heft 21
DOI Artikel:Schmidt, Paul Ferdinand: Max Beckmann
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Diefe entwickelt fiel) nun in rafeßer Steigerung über „Ädam und Eva“ zur „Kreuz-
abnahme“ und reift 1918 in den großen Kompofitionen von „Cßriftus mit der Sünderin“
und vor allem dem lebten, erft 1919 vollendeten, der „Nacßt‘‘ zu der komplizierten
und zwingenden Form aus, in der er feine düfteren Geficßte offenbart.
Es ift nießt damit getan, daß man die negativen Eigenfcßaften der Raumlofigkeit
und der Deformation des Organifcßen betont; auch nicht mit dem Fjinweis auf das
Gepreßte und Reliefartige der Kompofition, das fieß meßr und meßr zum Prinzip feiner
Raumordnung entwickelt. Das alles find nur Vorausfefeungen feiner neuen Bildhaftig-
keit. Diefe berußt vielmehr auf dem 3ufammenwirken von drei Faktoren, die nicht
getrennt betrachtet werden können. Das erfte ift ein feßr beftimmtes zeießnerifeßes
Gerüft, das die Bildfläcße mit ganz geringer Eiefenverflecßtung, wie ein Netz über-
fpannt und in dem lebten und ausgereifteften Bilde der „Nacßt“ den Raum bis in die
lebten üJinkel gleichmäßig füllt und an den Rändern fozufagen verankert ift. Es bildet
dies den ftärkften Gegenfafs zu Beckmanns früherer Malweife, die tonig war und
die 3eicßnung hinter der Maffe verbarg; und es ift die unbedingte Vorausfe^ung für
eine präzife (Uirkung des Dramatifcßen und des Symbols, das an die illuftrative Äuf-
faffung gebunden ift. Man kann nicht einen differenzierten Äusdruck finden oßne Be-
ftimmtßeit der Linie; und infofern erinnert die Kunft Beckmanns durchaus an die
deutfeße Malerei des 15. Jaßrßunderts, an gotifeße Scßnitjaltäre und Pieter Breugßel,
Äbb. 3. Max Beckmann.
Das Irrenhaus. Radierung. 1918.
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