Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (11.1919)

Äbb. 4. Jefim Golyfcbeff. SGcbnung.

mit [einen Zeichnungen, die er Proletariern zudenkt, die Luft anregen, felbft zu produzieren,
[elbft [o etwas Einfaches und Fjübfches zu machen. Es ift Selbftlofigkeit in Golyfcheffs
Kunft; er empfindet fie felbft als „kommuniftifch“... Kunft des Kleinften, Menfchlichften!
tüir muffen erft — darin \)at Golyfdjeff fo abfolut Recht! — wir muffen erft bis
auf den Nullpunkt als den Ruhepunkt, die Stelle des Schweigens, hinunter bis zum
Spieltrieb des Kindes, ehe wir wieder von neuem fteigen dürfen. Nicht in die Fjöhe
türmen, fondern [ich ausgießen in die Breite.
Etwas Neues kann nur entftehen — das neue Bild, der neue Bau — wenn wir
vom Allerunterften her neu beginnen. Mit völlig reinen, unbefchwerten, heiteren
Empfindungen. Ich glaube, Golyfcheff wird niemals ein Bild in einen Viereckrahmen
malen; das wäre ja ein Vorgreifen und zugleich 3urückgreifen, ein Preffen, ein An-
erkennen, Anerkennen von etwas Cotem! Es lebe Golyfcheffs Refpektlofigkeit!
Das rührend Kleine bringt er — 3ellen, Samenkörner einer wirklich neuen Kunft,
darin für mein Gefühl Paul Klee vergleichbar. Aus bunten 3ßtteln zufammengeklebte
Figuren, bunte Vorfaßpapiere, in deren fpielende Mufter er einige Linien zeichnet —
reizende atmofphärifche Gebilde entftehen fo —; aufgeklebte kleine Zeichnungen auf
bunten, langen Streifen. Ich hefte fie mir wie kleine Fähnchen an den Bücherfcßrank.
Kleine, einfache, heitere Freudenbringer. Ich werde mich hüten, fie äfthetifch zu de-
ßnieren. Sie bringen — fo klein fie find! —- Grüße aus großen Güelten! „Sei klein,
dann ift die (Gelt fo groß“ (Paul Scßeerbart).
üdir müßten mehr Golyfcheffs haben.
Die Gebildeten vermiffen in Golyfcheffs Arbeiten die „Seele“. Ich möchte ihnen
ausdrücklich beftätigen, daß fie hierin Recht haben.

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