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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 23
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Wolfradt, Willi: Georg Groß: der Abenteurer
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0800

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allegorifcßen Charakter der ganzen Erfdjeinung betonen, denn das Meffer an [einem
Gürtel i[t rot wie [eine blutige Be[timmung, der Geldbeutel i[t transparent und klim-
pert recht unver[d)ämt mit [einem Gold, und wie die Pointe des 3ynismus, der wie
in Bewußt[einsab[tu[ungen das amerikanifche Milieu, den Äbenteurer und [cßließlid)
den halb grin[enden, ßalb propßeti[cßen 3yniker George Groß erfüllt, hängt dem Kerl
ein gelbes Roßr[töckcßen elegant am Ärm, ein 5oßn, eine niederträchtige Bosheit, die
gelb in das Bild ßineinfäßrt.
Auf rot, grün und gelb baut [ich) das Ganze auf, und es ift von ßöcßftem Rafßne-
ment, wie brutal und unermüdlich in aufreizender Kontrahierung die Farben neben-
einandergefeßt find. Das Bild hat echte Höllenlohe in [ich. Dazwifdßen kleine und
[ehr fein berechnete Epifoden von [d)illernden und delikat nuanzierten Malereien. So
kreifcßend bunt diefe Fläche [chrillt, ich bemerke keine undurchdachte Stelle, wo eine
Farbe aus dem disharmonifcßen Gefüge fiele. Diefe Dreiftigkeit bleibt in jeder Be-
ziehung überlegen, läßt [ich nie gehen, [o einladend das Chaos dazu [ein mag. Es ift
der difzipliniertefte Fjexenfabbath, das orgamfchfte Fotmwabohu. In der Farbe, in der
3eid>nung, im Gedanklichen. Nur ein Moment aus unüberfel)barer Fülle der 3üge
herauszugreifen: wie im Herzen des Abenteurers, der Bildmitte, doch alle großen
Linien des [cßeinbar [o willkürlich zerbrochenen Bildes zufammenftoßen, wie die Fäden
eines Puppenfpiels. Etwa, um wieder nur die auffälligften Stellen zu beobachten, in
den fcharfen Beinkonturen, dem 3ickzack dazwifcßen, der Flafcße; dann jene Diago-
nale, die [päter die Bruft farbig fcheidet, der Ärm, die architektonifcßen Fluchtlinien
rechts oben, die erhobenen Beine der Nigger, wieder der Ärm, der Gewehrkolben ufw.,
dazu unzählige kleine Kanten, die mit (Horten [cßwer zu bezeichnen find. Älles richtet
[ich in diefes Radialfyftem, [oweit eben die Idee, die ja Furbulenz, Heftigkeit, Unruhe,
Hiderftreit fordert, es geftattet. Die Vitalität diefes Bildes raftet an keiner Stelle, alles
ift zum Plaßen voll mit johlenden, akuten, pikanten Details, damit nur ja der wilde
Fon nicht erlahmt. Und zu diefer formalen Einheitlichkeit tritt eben, wie noch einmal
betont [ei, die geiftige, die mit einer vor nichts zurückfchreckenden Roheit des Hißes
diefer zynifcßen Heit, deren unverkennbare Ausgeburt der Künftler Groß [o gut ift wie
[ein Freibeuter, ihre nackte Häßlichkeit ins Geficßt fchleudert, einmal im Inhaltlichen der
Darftellung, dann in der Organifierung, in der reklameartigen Kompofition, in all und
jedem überhaupt. Der Kontraft erfaßt reftlos alle Mittel. Hie jede Kunft vollendet
[ich auch die futuriftifche in der Selbftenthüllung. Der Geftus diefes Bildes ift deshalb
[o frappant, weil [eine künftlerifche Methode [ich weltanfraulich mit der Fendenz [eines
Inhalts deckt.
Nur abfurde Mittel werden das uns Geläufige ad absurdum führen. Ob Groß darum
weiß oder nicht: er predigt Befinnung. Das ift wohl die Funktion des 3ynikers: den
Feufel mit Beelzebub auszutreiben. So [chreit der Futurismus lümmelhaft in das irre
Gelärm diefer 3eit hinein — und ßchafft die Stille für heiliges Lied.

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