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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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Ausland.

Frankreich.

— Man hat die Resewiertheit des Papstes in der
Frage der Schließtmg der christlichen Schulen nicht gerade
wohtwollend kritisiert. Als man zu dem Bischof eines
großen Departements von dem Schweigen Leos des Drei-
zehnten sprach, rief der geistliche Würdenträger aus:
„Der Papst? Alle Nonnen ineines Bistums beten Tag
und Nacht sür seine Bekehrung!"

Paris, 12. August. Dio radikalen Blätter
erklären, das einzige Mittel, um den Widerstand der
Klerikalcn in der Bretagne zu brechen, würde daZ
sein, die sofortige Auflösung der Kongre-
gationen der „Töchter vom heiligen Geiste" anzu-
ordnen, welchen die Klostebschwestern in der Bretagne
angehörten.

England.

— Daß das Tragen einer Kr o n e seine S ch iv i e.
rigkeiten hat, mußte der König augenscheinlich schon
auf deni Rückwege von der Westminster-Abtei bemerken.
Während er auf dem HiMvege die Huldigungen der
Volksmenge durch fortwährendes sreundliches Kopfnicken
in ungezwungenster Weise beantwortete, verursachte ihm
das auf der Rückfahrt sichtlich nicht unbedeutende Schwie-
rigkeiten, denn er konnte nur mit allergrößter Vorsicht
das gekrönte Haupt ein wenig vorwärts neigen, ttm die
schwere Krone nicht aus ihrer richtigen Stellung zu brin-
gen. Man merkte es dem Mouarchen an, daß er gern,
Äenso wie auf der Hinfahrt, dem Publikum öfter und
freundlicher zugenickt hätte, wcnn die Gefahr nicht vor-
lag, die Krone aus ihrem Gleichgewicht zu bringen.

— Die nationale irische Presse bewahrt in der
Vesprechung der englischeu K r ö n u n g s f e st -
lichkeiten diesmal eine Sachlichkeit und Ruhe, wie
sie bisher uur in recht vereinzelten Fällen beobachtet wer-
den konnte. Die Blätter stellen sich auf den Standpunkt,
daß bon irgend welcher Feindseligkeit im irischen Volke
gegen die Person König Eduards nicht im entfernsten
die Rede sein köune. Man verweist auf die kordialen
Beziehnngen, die stets zwischen dem Monarchen und Mr.
Gladstone bestanden unb behauptet sogar, daß König
Eduard ein warmer Verehrer des „Home-Rule"-Gedan-
kens ist und daß ihn nur Staatsrücksichten behindern, seine
Persönliche Ansicht zum Ausdruck zu bringen. Thatsache
ist, daß der Krönungstag in Dublin überaus ruhig ver-
lief. Jn beiden protestantischeu Kathedralen und vielen
anderen Protestantischen Kirchen wurden besondere Krö-
nungsgottesdienste abgehalten, die einen reichen Besuch
aufzuweisen hatten. Die Straßen der Stadt prangten
im Blumen- und Flaggenschmuck, und die am Abeud
stattgesundene JllUnünation der öffentlichen und Privat-
gebäude war geradezu glänzend und überraschend.

Aie veraßschiedeten Hfstziere und ihre Wer-
wendung.

Diese ueulich in den Blättern angeregte Frage veranlaht
einen Gewährsmann dcs „Berliner Lokal-Anzeiger", einmal an
dieser Stelle einige selbsterlebte Beispiele vorzuführen. Der
verabschiedete Offizier, so schreiüt er, hat gegen unendlich tief
eingewurzelte Vorurteile zu kämpfen, so daß schon daran viele
beim Versuch, sich eine Stellung, und sci sie auch noch so be-
fcheiden, zu erringen, scheitern. Thatsachen beweisen besser als
alles andere. Als mein Vater nach langer Krankheit starb und
uns, Mutter und sieben Kinder, im tiefsten Elend nnd ohne
die geringsten Existenzmittel zurücklietz, nahm ich nach zwölf-
jährigcr Dienstzeit meinen Abschied. Jch wollte und mutzte
arbeiten und verdienen, aber was wurde mir geboten. Bnreau-
stellen von 8—10 Stunden Arbeitszeit für ca. 70 bis zu 100
Mark monatlich. Jch scheutc mich nicht, auch diese zu nehmen,
in der Hoffnung, in der Zwischenzeit Besseres finden zu kön-
nen. Aber — ich gehöre eben nicht zu den Glücklichen, die dcn
Papst zum Vetter haben — und so blieb der Erfolg aus.
Autzerdem wurde ich durch die ungewöhnte Dhätigkeit im ge-
schlossenen Raume krank, so datz nach ca. zwei Fahren der Arzt
mir als einzigstes Heilmittel eine Thätigkeit im Freien oder
derglcichen, mit Bewegung, anriet. Nun war guter Rat erst
recht teuer. Datz es so mit mir nicht weiter ging, fiihlte
ich selbst auch nur zu gut. — Als alle Versuche — Jnspektor
in grotzcr Brauerei, Aufseher und dergleichen —- immer daran
fcheitcrtcn, datz man mir sagte, das passe sich nicht für frühere
Offiziere, solche Stellen würden mit ausgedienten Unteroffi-
zieren besetzt — warf ich, kurz entschlossen, „meine Vorurteile
über Bord und wurde, da ich stets ein guter Reiter war —
Bcrciter. Es gelang mir. Acht Jahre bin ich in diesem Fach
thätig nnd fühle mich sehr wohl bei meiner Arbeit nnd verdiene
anch gut, aber ich thue meine Arbeit, wie einer, der einen
dnnklcn Fleck in seinem Lebcn ängstlich verbergen mutz, un-d

auf und wollte ihm nacheilen. Aber Burghausen hielt sie fest:
Ulla — nm Gotteswillen! Sei jetzt nicht schwach!"

Sie ritz sich los, aber sie folgte dem Forteilenden nicht, hin-
ter dem schon die Hausthür zufiel: sie floh in das Dunkel und
die Einsamkeit, ihre Oual, ihre Reue, ihre Liebe und Trost-
losigkcit übcrwältigten sie. —

Burghausen fand Wolzin am Bette seiner Tochter, wo schon
zwei Pflegeschwestern angekommcn waren und die ältere eben
nach dem Thermometer den Eintritt hohen Fiebers berkündcte.

„Wo ist Ulla? Sie wird doch mein unglückliches Kind
nicht verlasscn?" fragte ihn Wolzin ganz in der Weise, wie
er gewohnt war, die Dienste und Freundschaftsbeweise aller,
die ihm nahe kamen, als selbstverständlich vorauszusetzen.

„Wenn Sie es wünschen —- ich fürchte nnr, Jhre Tochter
wird vorläufig wenig davon merken!"

„Aber ich! Soll ich mein Kind fremden Händen überlassen?
Es ist auch gut für Ulla, einer starken Anforderung an ihre
Herzensgüte und Selbstverlengnung gegenüber zu stehen. Sa-
gen Sie nicht nein, Burghausenl Sie werden doch verstehen,
datz ich jetzt nur einen Gedanken habe — mein Kind gerettet
zu wissen. O, mein Gott!"

Der ruhige kälte Geschäftsmann war völlig abgestreift;
hier gab cs nur einen Vater — und der weinte.

Nach einer Weile zog er Burghausen wieder in das Neüen-
zimmer und ging da mit ihm auf und ab.

„Mir wäre nichts in dcr Welt zu kostbar gewesen", sprach
er mehr vor sich hin, als zu ihm. „Jch wollte das Kind
ja nur glücklich wissen, nur glücklichl Jch lietz ihr eigenes Herz
entscheiden. Grafen- und Adelskronen konnte sie verlangenl
Und als sie den schlichten Regierungs-Assessor wählte, da sagte
ich „ja" und war froh wie ein König, ihr allen meinen Ehr-
geiz zu opfern. Da liegt sie nnn — und das Sprichwort:
„Aus dcr Erfüllung nnsercr glühcndstcn Wünsche erwächst
nns meist eine Zuchtrnte," bewahrheitet sich an ihr.

«-

dieser dunkle Fleck ist, datz ich lange Jahre in Ehren meines
Äönigs Rock als Offizier getragen habe. Meine Erfahrung
lehrte mich bald, datz meine Arbeitgeber sehr oft, nachdem
sie nachträglich meinen früheren Stand erfahren hatten, ihre
Aufträge zurückzogen, bedauernd die Achseln zuckten oder mir
verschämt oder auch gegenteilig zu verstehen gaben, -datz eine
solche Thätigkeit doch nicht für mich passel — Nach und nach
ist es mir geglückt, mein Jnkognito immer mehr zu wahren, aber
ich mutzte, um dies zu ermöglichen, meine frühere gesellschaft-
liche Stellung aufgeben, den Verkehr mit meinen Standes-
genossen ängstlich meiden, um in diesen Kreisen möglichst unbe-
kannt als flüherer Gleichgestellter zu bleiben. Nur so gelang
es mir, ausreichenden Verdienst zu finden. Der „dunkle
Punkt" — der Offizier — wird totgeschwiegenl Jch glaube,
das Angeführte bedarf keines weiteren Kommentars. Wie
dankbar wäre sch für eine subalterne Stellung, wie sie der aus-
gediente Unteroffizier zu Dutzenden erhält, aber dann heitzt es:>
Das patzt sich nicht für Sie I _

Aus Stadt und Land.

Schwetnngen, 12. August. (Jmkerfest.) Vom 30.
August bis 2. September fittdet hier das L a n d es b i e n e n-
f -e st statt. Jm Schlotzgarten wird am Tage der Eröffnung
der Ausstellnng des Landes-Bienenzuchtvereins, in seiner sogen.
Wildnis, ein Konzert gegeben werden, in den von dem Grotz-
herzog überlassencn Schlohsälen des südlichen Zirkelhauses
wird Jmkerfleitz allen Freunden den gesundheitfördernden rei-
nen Bienenhonig gcgen mütziges Entgelt anbieten und ein fröh-
lichcs Fest wird'die Gäste vereinen.

X Pateutbericht für Vaden vom 12. Auaust 1902, mit>
geteilt vom Jnternationalen Patentbureau C. Kleyer in
Karlsruhe (Baden), Kriegsstraße 77. (Auskünfte ohne Recherchen
werden den Abonnenten dieser Zeitung kostenfrei erteilt.)
Die Ziffern vor den betreffenden Nummern bezeichnen die Klasse.
Vatentanmeldungen: 341. L. 31004. Asthalter. Georg
Bleß, Mannheim. I 5. Nr 15. 8. Febr. 1902. 49 ü. L. 22091.
Verfahren zur Herstelluug hohler Panzerketten. Kollmar und
Jourdan, A. G. Uhrkettenfabrik. Pforzheim. 21. Oktober 1901.
Gebrauchsmuster-Eintragungen: 9. 180 360. An
mit Handgriff versehenen. gabelförmigen Fahrradbürsten die An-
ordnung von Borstenbüscheln von verschiidener Länge. Wilhelm
Henn jr.. Bretten i. B. 14. Juli 1902. 9. 180 448. Fabrrad-

bürste, bestehend aus einer einfachen, mit Handgriff versehenen
Bürste, welche zu thren teiden Seiten mit sich aegenüberstehenden
Langbürsten vereinigt ist. Wilhelm Henn jr., Bretten i. B.
14. Juli 1902. 11o. 180 447. Drückknopf als Refestiaungs-
mittel für Schnellhefter. Max Michelsohn, Karlsruhe !. Baden,
Kaiserstraße. 14. Juli 1902. 30 s. 180 381. Ueber der Grabstatte
aufstellbares Eisengestänge mit auf Rollen laufendem Einschüb-
brett, über welchem mittels Kurbelwinde bewegltche Tragseile zum
Ntederlassen des Sarges angeordnet sind. Emil Bauer, Heidel-
berg. 7. Juni 1903.

KinjäHrig-IreiWiMgen-Wrüfung.

Nach den iu Preutzen gemachten Erfahrungen melden sich
bei den P r ü f n n g s k o m m i s s i o n e n für E i n j ä h r r g-
Freiwillige zahlreiche jungc Leute zur Prüfung, ohne
auch nur annähernd genügend vorbereitet zu sein. Da Para-
graph 16 der Anlage 2 zur Wehrordnung die Wiederholung
der Prüfung in jedem Termine bis zum 1. April des Kalender-
jahres gestattet, in wclchem der Bewerber das zwanzigste
Lebensjahr vollendet, so kommt es vor, datz junge Leute wieder-
holt, sogar drei-, vier- oder mehrmal ungenügend vorbereitet
vor den Prüfungskommissionen erscheinen. Um die Kommissio-
nen von der hiermit verbundenen Arbeit zu entlasten, uud
anf die bessere Vorbereitung der Prüflinge im allgemeinen
hinzuwirken, haben die Königlich preutzischen Ressortmimster
vorgeschlagen, die Bestimmungen über die Wiederholung der
Prüfung dahin zu erschweren, datz Prüflinge, dke sich bereits
zweimal der Prüfung ohne Erfolg unterworfen haben, mit Ge-
nehmigung der Ersatzbehörde dritter Jnstanz nur in ganz be-
sonderen Ansnahmefällen zum drittenmale zur Prüfung zuge-
lassen werden dürfen. Diese Matznahme hat die Billigung
des Retchskanzlers gefunden. und wird voraussichtlich dem-
nächst eine entsprechende Ergänzung der Wehrordnung nach den
gemachten Vorschlägen herbeiführen.

Kleine Zeilung.

1 Der Kronprinz besuchte anläßlich seines Llufent-
haltes in Gerolstein mit seiner Begleitung, dem
Oberst p. Pritzelwitz und dem Oberleutnant v. Stülp-
nagel die nach neuestem Muster eiugerichteten Mmeral-
toasstsr- und Kohlensäurewerke des GeroIsteiner
Sprudel, genannt der Rote Stern. Der Kronprinz
erkundigte sich nach allen Einzelheiten des Betriebes. Be-
souderes Juteresse erregte die mustergiltige Fullanlage
der Patent-Schraubenfiaschen, söwie die 'putomatische
Etikettieruug der Flaschen und Krüge vermittels eigens
zu diesem Zweck konstruierter Mäschinen. Nachdem der
Kronprinz alle Details dieser interessanten Anlage ken-
neu gekerut hatte, schied er mit der Versicherung größter

Stundenlang an dicsem rcgnerischen und kalten Abend
warcn Hans uud Hilde in den einsamen Stratzen umherge-
irrt — in irgendwelchen Anlagen, sie wutzten sclbst nicht, wo.
Dann fanden sie auch ab und zu.ein geschütztes Plätzchen, wo
sie sich erschöpft niedersetzten und lange schweigend vor sich
hingrübelten, wie sie schweigend neben einander hergegangen
waren.

Das Furchtbarste, was ihnen begegnen kounte, war über
sie gekommen: die Entdeckung mtt all ihren uuvermeidlichen
Folgen, und sie sclbst, sie ganz allein, hatten es verschuldet.
Keins von ihnen durfte sich berechtigt fnhle», dem andern Vor-
würfe zu machcn; die heitze Liebe, die sie täglich durch ihre
Heimlichkeiten geschürt, dann der Beschlutz beider, ein Ende
zu machen, durch Hildes Verlobung mit Ristleber, die morgen
hatte stattfinden sollen — und plötzlich wieder die Erkennt-
nis, datz sie nicht von einander lassen konnten, das alles —
eine Kette von Ehrlosigkeiten, deren sie sich trotzdem immer
bis zu einem Grade bewutzt geblieben waren — vollendete jetzt
die vollständige Verzweiflung beider.

Schlecht und verblendet und dumml Das war die Kritik,
die Hans über sich selbst aussprach.

O, er hatte sich die Anschauungen zu eigcn machen wollen,
mit denen andere Männer dieselben Wege gingen! So lange
sie es verstanden, den Schleier des Geheimnisses um ihr Thun
zu ziehen, so lange hatten sie dassclbe nnr vor sich selbst zu
verantworten; ihre unerlätzliche Pflicht war in diescm Falle
eben die Wahrung des Geheimnisses. Verletzten sie diese
Pflicht, lietzcn sie es möglich werdeu, datz ihr Thun entdeckt
wurde, dann fiel auf sie das ganze Gewicht desselben um
so schwerer und unnachsichtiger, als sie in der Welt, der sie
angehörten, den Ruf eines Gentleman bcansprucht hatten.

Datz an ein Versöhnen, ein Verzeihen gar kein Gedanke
sein konnte, war so ohne Zweifel, datz weder er noch sie eine
Minute darauf hofften.

Sie waren beide rcttungslos berloren, wciter dachten sie
nichts; aber wemgstcns sagten sie sich nicht, was auf dcm
Grunde ihrer Seelen vorging.

Befriediguug und reichte huldvoll den itzn hegleiieudeir
Beaniteu des Etablisseinercks zum Abschiede die Hand.

— Münchcn, 13. August. Nach^den „M. N. N?' ist
der iu Dorubirn (Vorartberg) als Lommergast iveilende
Ioses Rückam Westen beim Edelweitzsuckien von hohen
Felsen abgestürzt. Eine Hilfsexpedition fand den
Abgestürzten bereits verschieden. Erst nach langem be-
schwerlichen Ktettern arif dec Lechthalerseite konnte die
Leiche aus Umwegen nach Bergdors am Lech gebracht
webden, um von da uach Dornbirn überführt zu werden.

— Bcrlin, 9. August. Kein „P r c c o I o" meh r.
Jnfolge der Bundesmtsverordnung zum Schutze dec
Gastwirtsangestellten ist die Gitde der„Piccolos" uamem-
lich in uusereu Kaffeehäuseru aus deu Ausslerbeetat ge-
setzt. Die Vorschrifteu über die Beschästigung von Lehv-
tiugen und jugendlichen Personen nnter 15 Fahren, ins-
besondere die Bestimmung, diese Kategorie von Ange-
stellten nicht nach 10 Uhr abends im Lokale zu beschäf-
tigen, hat die meisten Berüner Cafstiers verankaßt, auf
die Annahme vou Lehrüngeu überhaupt zu veczichten.
Die Berüner Kaffeehäuser siud, von ganz vereiuzetten
Ausnahmen abgesehen, sast ausschließüch aus den Abend-
verkehr angewiesen, der meist, auch in deu sogeuannten
Famiüeukassees, erst gegen 9 Uhr seinen Aufang nimmt.
Unter solcheu Umständeu fchlt es für den Piccoto, dec um
10 Uhr entlasseu werden muß, an Gelegenheit, den
Kellnerberus praktisch zu erlernen. Noch im vorigen
Jahre wurden in den etwa 10 Berliner Kassechäusern
80 Piccolos als „ausgelernt" entlassen, jetzt findet mcm
irur selteu Lehrünge iu eiuem Cafö.

— Ans einer Reihe von Anekdoten, die die Tüffel-
dvrfer Ansstellnng zcitigt, teiit man rms folgende als
von Ohrenzeugen beglaubigt mit: Ein Freundespaar aus
den Haudwerkerkreisen der Stadt Elberfeld sah sich an
einem der letzten Tage der Goethe-Festspiele ini Kunst-
palast vor Küngers Beethoven in grüblerischer Betrach-
tung vereint, bis der eiue deu audern am Arm hinweg-
zog nüt deu Worten: „Dat es de Juüus Cäsar, deu seuut
(sehen) vie jo vaunoveud (heute Mend) em Theater."

— Eine Schar biederer Söhne der Roteu Erde befand
sich just vor dem Gebäude des Bochumer Vereius, als vom
Turm desselben das herrüche Glockengeläute zu erschallen
begami. Ter Eintritt in das stolze Gebäude wuvde ru
Vorschlag gebracht, worauf ein vierschrötrger Markauer
in flaiumender Eirtrüstrmg ob dieser unerhörten Zumu-
tiiug iu die Worte ausbrach: „Tum Dunuerslag! weun
eck hie en de Kiärke (Kirche) geihn sall, denn kann eck dat
völl better tuhuhse (zu Hause) dauhu." — Eru auderer
Eiseurecker wurde aufgefordert, sich eiuem Besuche Karros
auzuschüeßen, was er jedoch höchst betreten mir der Er-
wägmrg ablehiite: „Den Deucker ook; ech häff jo ut de
Trhdung seiu (aus der Zeituug ersehen), dat en Kairo de
Cholera es."

— Schlcchtes Tcutsch. Ter „Tägl. Rundsch." wird
geschrieben: Uusere schöne Muttersprache wird nrcht mrr
iir Asieu und Afrika, sondern auch ber uns in Europa
mißhaudelt. Jch hatte Gelegenheit, das Lebeu und Trei-
beu deutscher Famrüeu iu London zu beobachteu, wobei
ich dauu zu dem sehr betrübendeu Lchluß kam, daß sie
die deutsche Sprache arg vernachlässigen und es geradezu
schön und „gebrldet" fiuden, sie mit engüscheir Wörtern
zu vermischen. So hörte ich z. B. eine Mutter ausrufen:
„Kinder habt ihr Vatern nicht ge-meet-et?" uud: „Wer
voir euch hat die schrecküche maß auf dem Tisch gemacht?"

— „Gehst du heute zur church?" und „Haben Sre nrcht
ernen match?" sind ganz geläufige Ausdrücke. Eigerr-
artig berührte es mich aber, als ich bei eiirem Lpazier-
gaug eine deutsche Lehreriu ausrufen hörte: „L-eheu Sie
doch den wundervolleu nrist (leichter Nebel) dort!" Aber
auch die Herreu sprecheu rn dieser Werse. Ein Varer
sagte ganz ernsrhast: „Meiu boy hat die mumps, wir
müssen den Doktor fetch-en", und zu ernem verwuudert
dreürschaueirdeil neuen Gast aus Deutschland: „Wemr Sä
abends nach Hause kommen, bell-en Sie nur." Dies nick
einige der vielen Beispiele.

Kandel und Aerkeyr-

Biehmarkt in Mannheim vom 11. August. Zufuhr:
Ochstn 23 Stück. Es wurden bezahlt für 50 Ko. Schlacyü
gewicht: a. vollfleischige, ausgemästcte, höchsten Schlachtwertes'
höchstens 7 Jahre alt, 70—72 b. junge fleischige, nicht aus'
gemästete, und ältere ausgemästete 67—69 Bullen (Farrem
59 Stück: a. vollfleischige, höchsten Schlachtwertes 60—62
b. mäßtg genährte jüngere und gut genährte Lltere 56—58 >0
Färsen (Rtnder) und Kühe 997 Stück: s. vollfleischige, ausgemästetr
Färsen, Rinder höchsten Schlachtwertes 68—70 b. vollfletschige-

Aus den Lürmen schlug es die Stunden, sie achreren lanlls
nicht darauf. Endlich aber, als Hildes Zähne infolge de^
feuchten Kälte und eine sich plötzlich einstellenden Nervcnn^
spannung aufeinander schlugen und ein Beben ihren ganze,
Körper schüttelte, wachte Hans aus seiuem finstcren Grübei'
auf.

„Du mutzt nach Hause!" Du erkälrest dich aus den Tod '
sagte er, sich rasch erhebend.

„Nach Hause?" .

Zu ihren Eltern? Das war völlig unmüglich. Und >ej,
hätte sie auch nur für eine Nacht -en reizbaren, leberkranks.
Vater belügen können? Unter welchem Vorwande sollte sie I
spät abends dort erscheinen?

Wohin also? ,

„Jch bringe dich in cin Hotel und hole dich morgen f>^^
ab," sagte Hans niedergedrückt. ,

War es nicht seltsam, datz sie beide fühlten, als stä>'^
plötzlich ein geheimnisvolles Ctwas erkältend zwischen ihne'j
Nicht eine Zärrlichkett hatten sie ausgetauscht, seitdem sie
Haus" verlassen; ihnen war zu Mute, als schämten sie sich e>>"
solchen.

Sobald sie im Wagen satzcn — Hans hatte dem KutM^,
die Adresse eines feinen, kleinen Hotels gegeben, in westnsi^
nur Stammgäste, jahrelange Besucher des Hauses, verkeh>n
— brach sich bei Hilde die Verzweiflung Bahn.

„Hans — latz uns sterben!" flehte sie.

„Sterben? Das wäre eine Wonne im Bergleich zu dP,
was wir jeht vor uns haben l Sterben mit der Grabschrift: 'd
meine Verräterl" O nein, das giebt es für uns nickit. ' .j)
müssen leben — lebcn und unsere Strafe tragen; armsclig
gcdrückt, Tag aus, Tag ein schleppen wir unsere Schuld bis
Endc —also tragen wir sie nnd werfen sie nicht als en
Feiglinge mit dem Leben von uns." .

„Aber die Schande, Hans! Was ist dagegen dcr Tod?"
melte sie mit Fieberschütteln.

(Fortsetzung folgt.)
 
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