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ÄS VSrMS«««».
b o ^t wohl selten ,emand den Zusall von seiner
»rann ^"esten Seite so kennen gclernt wie der Kauf-
spierre Meunier aus Rouen
es nA^s^reunier ist ein kleiner Kaufmann, aber er lätzt
rig ,7 nehmen, wenigstens einmal im Iahr nach Pa°
Mr f-i die nsuesten Muster anzusehen und Waren
o öu kausen. Man schreibt daS Iahr
barr», ^udwrg der Fünszehnte und seine Freundin Du-
^h regwren Frankreich.
Da 71^' Tage lang streift Herr Meunier durch Paris.
visl- „ "i" Stosfen sür Damenkleider handelt, hat er
iu kws E>äuser zu besuchen und eine linmengc Waren
Lyy^j^hlen, die man aus China, aus Denedig oder
rmportiert hat.
(z»s^"blich trifft sr seine Auswahl und schließt seine
sü»"?"sle ab. Cr bestellt einen Platz in der Postkutsche
^aük^ uächsten Morgen und begibt
sich in seinen
^asthos.
sei„^E>err Meunier ist ein echter Franzose, das heiht,
Unv ^h^lvorstechendstsn Cigenschaften sind Dparsamkeit
i» .-^^uligsamkeit. Infolgedessen wohnt Herr Meunier
ein».Ä? kleinen, bescheidenen Gasthof dritten Ranges in
len ^^"rsladt. And obwohl er sich es durchaus gestat-
lvobn. "Ee. ein Zimmer im ersten Stock zu benutzen, be-
^ cinen winzig kleinen Raum unter dem Dach.
sort i einsm einfachen Abendbrot bsgibt er sich so-
Di» Ä s/lne Kammer, zieht sich aus und legt sich zu Vett.
au» < ^llampe löscht er aus, dsnn Nachdenken kann er
^ lm Dunkeln, und er ist, wis gssagt, sehr sparsam.
D<, ^läuschenstill liegt Zerr Meunier in seinem Vett,
surren "^lt es auf der Treppe, Türen klappen, Stimmen
r»ds - Dndlich wird eS still. Herr Meunier will ge-
Dhr ^Aschlafen, da drrngen erneut Stimmen an sein
> p xK Gegen seinen Willen wird er Zeuge eines G e -
Die das in erner Nebenkammer geführt wird.
Wände der Mansardenkammer sind dünn.
verlj'l x "n du bloß nicht im letzten Augenblick den Mut
erst," läßt sich eine Baßstimme vernehmen.
Kr„r?r Glaube an unsere Sache qibt mir die
derri»/' die ich brauche, um mein blutiges Werk zu
jun„"len," antwortet eine energische, siegesbewußte
^Stimme.
Dp ^er Kaufmann richtet sich entsetzt auf, drückt sein
sprz-3egen die Wand, belauscht den Fortgang des Ge-
cz begrcift die Zusammenhänge, erkennt, worum
Uichts dandelt. Seine bsiden Nachbarn beabsichtigten
de^ ^??niger als ein Attentat auf die Person
ser „dnigs. And Herr Meunier wird Mitwis-
die Cinzelbsiten, er erfährt den Ort. dis Stunde,
Uep ^mssen, die Namen der Helfer und Mitverschwore-
llw ^Ugeduldia erwartct der Kaufmann den Morgen.
i.leri, ^ bereits macht er sich auf den Wsa zum Mini-
sSmwU des Innern und verlangt den Herrn Minister per-
"lh zu sprcchen.
angä'Seine Cxzellenz ist vor elf Llhr nicht zu sprechen,"
?"et ihm der Lakai.
U>ichi; r Meunier wird dringlich. „Ich komme in einer
»Ntz Aen Sache, die Seine Cxzellenz persönlich angeht
er „ nicht den geringsten Äufschub verträgt," erklärt
"Ufgeregt.
eiy.D^r Lakai betrachtet den Mann, dsr die Merkmale
ksi, d Kleinstädters zur Schau trägt, mit prüsenden Vlik-
ern' Dann entfernt er sich gemeffenen Schritts und kehrt
Uiinjs?^ einer halben Stunde zurück. Der Herr Polizei-
gex "er, berichtst er, schlafe noch, der Kammerdiener wei-
u>„ Uch. Seins Cxzellenz zu wecken, der Herr möge sich
Elf ilhr einsinden.
Herr Meunrer ahnt, daß er um elf Ahr einen ähn-
lichen Bcscheid erhalten wird, er begibt sich deshalb eilig
in sein Hotel zurück und setzt ein langes Schreiben auf,
in dem er das erlauschte GesprLch wortwörtlich wieder-
gibt.
Punkt elf Ahr findet er sich erneut auf dem Mini-
sterium ein und erhält richtig die erwartete Antwort:
Seins Cxzellenz sei mit wichtigcn Angelegenheiten be-
schäftigt, der Herr möge am nächsten Tag wiederkom-
men.
Lächelnd zieht Herr Meunier sein Schreiben aus der
Taschs und übergibt es dsm Lakai unter nochmaliger
Betonung der Dringlichkeit. Dann läßt er sich ins
Wartezimmer führen und hält sich zur Verfügunq. Da-
bei fällt ihm ein, daß die Dostkutsche, die ihn an diesem
-^ag nach Rouen zurückbesördern sollte, Paris bereits ver-
lassen hat.
Den Verlust der zwei Louisdors, die das Villet nach
Rouen gekostet hat, bedauert der sparsame Herr Meunier
nicht im geringsten; angesichts einer so bsdeutenden Mis-
sion wie die, die das Schicksal ihm anvcrtraut hat, habsn
kleinlichs Vedenken zu verstummen. Vielleicht, spekuliert
er, vielleicht wird man ihm den Verlust ersetzen. Mchr
als das, man wird ihn belohnen. Ieden Augenblick wird
sich die Tür öffnen, in jeder Sekunde kann der Sskretär
das Wartezimmer betreten und ihn zu Seiner Cxzellenz
befehlen.
Dann wird Herr Meunier der wichtigste
Mann des Tages sein, und die kleinen Verluste,
wie das verfallene Billet und die Spesen des weiteren
Aufenthalts, werden tausendfach wettgemacht durch die
Bedeutung, die seiner Person für alle Zukunft zufallsn
wird.
Von guten Gedanken erfüllt, wartet Herr Meunier.
Cs wird Mittag, es wird Nachmittag. Er wartet noch
immer.
Cndlich öffnet sich die Tür, aber es ist der Lakai, der
eintritt, um Herrn Meunier mitzuteilen, daß Seine Cx-
zellenz plötzlich abberufen wurde; der Herr Minister
wäre bereits fortgefahrsn; der Zcrr möge stch, wie ge-
iagt, am nächsten'Tag wieder einfinden.
Der Kausmann ist entseht. „Hat denn der Herr
Minister meinen Brisf nicht gelesen?" fragt er zittsrnd.
Der Lakai zuckt lächelnd die Achseln.
Da fällt Herrn Meunisr ein, der Minister werde
seine Zeilen gelesen haben, und nichts anderes als^ die
Anzeige könne der Grund sein, aus dsm Seine Cxzellenz
to eilig fortgefahren^wäre. Cr erklärt sich für befriedigt,
kehrt rn sein Hotel zurück und belegt für den nächsten
Morgen einen Plah in dsr Postkutschs. Beruhigt geht
er zu Bett, friedlich schläft er ein, sorglos wacht er auf
und fährt ab.
V« kr«vkrk« sr»
Während die Diligence über die holprige Sandftraße
dahinrumpelt, kracht einSchuß imPark von
Versailles, also zu eben der Stunde und an eben
dem Ort, die Herr Meunier in seinem Bericht angegeben
hat. Das Attentat hat planmäßig stattgefunden.
Cin Zufall rettet dem König das Leben. Die Kugel
prallt an der goldensn Tabäkdose ab, die dsr König in
der Tasche seiiier Wsste trägt.
Sofort eilen Kuriere nach Paris, um den Po-
lizeiminister. zu verständigen. Aber dis Boten finden
Seisis Cpzellenz keinsswegs im Gebäude des Ministeri-
ums, sondern an eben dem Ort, zu dem der Herr Mmi-
ster gestern so dringend abberufen wurde, nämlich in der
Wohnung seiner Geliebten. Diese Dams hatte Seiner
Cxzellsnz zu Chren ein Fest veranstaltet, das die ganze
Nacht hindurch gedauert und fein Cnde auch am neuen
Tag noch nicht erreicht hatte.
Der Herr Minister wird aus der Schar der fröhlich
tanzenden und schmausenden Damen und Herren her-
ausgeriffen.
Auf schnellstem Weg begibt er stch in seine Kanzlei.
Hier findet er bereits einen zweiten Kurier vor, der ihm
einen Vricf des Königs überbringt. Das Schreiben ent-
hält den Au'sdruck der allerhöchstenÜngnads
und das Verbot, Paris zu verlaffen.
Ieht endlich hat Seine Cxzellenz Mutze, die Post
durchzusehen, die seit dem Morgen des vergangenen Ta-
ges auf ihn wartet. An erster Stelle fällt ihm derVrief
des Herrn Meunier indie HLnde.
Der Minister ist entseht. Wenn der Mann
aus Rouen plaudert, ist Seine Cxzellenz die
längste Zeit Polizeiminister gewesen. Seine
Majestät wird erfahren, datz der für die Sicherheit der
königlichen Person Verantwortliche es vorzog, auf einem
Fest seiner Geliebten zu tanzen, statt Meldungen über
Attentatspläne entgegenzunehmen und das Verbrechen zu
vereiteln. Man wird ihn mit Schimpf und Schande da-
vonjagen.
Eilig steckt er das belastende Schreiben zu sich, wirft
sich in s'einen Wagen, rast in die nächste Kaserne, alar-
miert einen Rittmeister und befiehlt ihm, sofort mit sei-
ner Schwadron aufzusitzen, nach Rouen zu jagen und den
Kaufmann zurück nach Paris zu schaffen.
In gestrecktem Galopp jagen die Dragoner davon.
Cinige Stunden später holen ste die Postkutsche ein und
halten sie an.
„Sind Sie der Kaufmann Meunier aus Rouen?"
fragt der Rittmeister den einzigen Insaffen.
„Iawohl, mein Herr," antwortet Meunier strahlend,
„der bin ich."
Ieht bekomme ich meine Belohnung, denkt er. Habe
ich nicht den König gerettet? Die Dragoner werden mich
im Triumpb nach Versailles begleiten, werden mich zu
Seiner Majsstät führen, der König wird mich belohnen,
vielleicht sogar in den Adelsstand . . .
ekai Wksrkrsi?.
Herr Msunier kommt nicht dazu, seinen Gedanken zu
Cnde zu denken. Ia, er hat nicht einmal mehr die Zeit,
seiner Verwunderung Ausdruck zu geben, nicht den klein-
sten Schrei vermag Herr Meunier auszustoßen. Che er
begreift, was mit ihm geschieht, verschließt ihm ein Kne-
bel den Mund und Feffeln legcn sich um seine Gelenke.
In der Tat, die Dragoner bgleiten ihn nach Paris. Aber
nicht, um ihn zum König nach Versailles zu bringen, son-
dern um ihn dem Kerkcrmeister der Vastille zu über-
antworten.
Als sich der Rittmeister bei dem Herrn Polizeimini-
ster melden lätzt, spricht ihm dieser seincn Dank aus.
Seine Cxzellenz atmet auf, der Kaufmann Meunier aus
Rouen wird nicht mehr plaudern. Niemand wird Seine
Cxzellenz einer Nachläffigkeit in der Führung seiner
Amtsqeschäste bezichtigen.
Veruhigt übergibt er den Vericht den Flammsn sei-
nes Kamins. Der wehrlose Herr Meunier wäre sonst
sür alle Zeiten unschädlich gemacht. Aber leider kommt
es darauf nicht allein an. Alle seine Rücksichtslostgkeit
und Brutalität reicht nicht aus, um dem Herrn Polizei-
minister sein Amt zuerhalten. Der Zorn Seiner Majs-
stät läßt sich nicht abwenden, der Minister mutz sein
Amt verlassen.
Mit saurer Miene übergibt der tzerr Minister sei-
nem Amtsnachfolger Schlüffel und Sisgel, überreicht ihm
Akten und Instrüktionen und weiht ihn in die Geheim-
niffe seines neuen Amts ein.
Die Verhaftung des Herrn Meunier aus Rouen
allerdings bindet er seinem Amtsnachfolger nicht auf die I
Nase. Der könnte gar zu leicht auf den Gedanksn kom-
men, sich diesen Häftling näher anzusehen, woraus dem
Herrn Polizeiminister außer Diensten neue schwere iln-
annehmlichkeiten erwachscn würden. Nein! Mag der
Kaufmann weiterhin im Gefängnis schmachten und dar-
über nachdenken, daß man seine Nase nicht in Sachen
stecken foll, die einem nichts angshen.
Aeberdies... man kann nicht wiffen, ob die Lau-
nen Seiner Majestät den heute abgesetzten Polizeimini-
ffter morgen nicht vielleicht erneut mit einem großen Po-
sten betrausn. Diese Möglichkeit muß man sich offsnhal-
ten. Bis dahin bleibt der Fall Meunisr im Dunkel.
Cine schriftliche Änterlage existiert nicht mshr, und was
nicht in den Akten steht, das ist bekanntermatzen auf die-
ser Welt nicht vorhanden . . .
AF««»r«r vsi?Lfe««v».
Die Iahre kommen, die Zahre vergehen. Der ein-
stige Polizeiminister, der den Herrn Meünier aus Rouen
einspsrren lietz, ist in kein Amt mehr berufsn worden.
Cr ist längst vergeffen. Cin dritter, ein vierter, schlictzlich
ein fünfter Polizeiminister hat seinen Plah inzwischen
eingenommen. Ludwig der FLnfzehnte stirbt, Ludwig
dsr Sechzehnte hesteigt den Thron. Marie Antoinette
zieht als Königin in Paris ein.
Die Könige und Königinnen haben gewechsslt, die
Polizeiminister wechseln weiter. Auch die Kerkermeister
sterben oder gehen in Pension. Alles verändert stch.
Rur Herr Meunier bleibt auf dem
gleichen Fleck.
llnunterbrochen stht er in der Dastille. Man hat
ihn vergesfen. Man mutzte ihn ja vergeffen, denn
es existiert doch kein Aktenstück über ihn!
Wenn dem königlichen Herrscherpaar eine Prinzesstn
geboren wird, erhalten Diebe und RLuber die Freiheit.
Für Hsrrn Meunier gibt es keine Gnade. Keine
Amnestie trifft auf seinen Fall zu. Die HelfershLlfer
jenes längst vergeffenen Attentäters werden begnadigt
und kehren an das Licht der Sonne zurück. Herr Meü-
nier bleibt. Wutzts man schon bei seiner Cinliefe-
rung nicht, weshalb er ins Gsfängnis geworfen war, so
vergaß man allmählich, datz man rne einen Grund gehabt
hatte, ihn einzukerkern.
Fürwahr ein furchtbarer Lohn für di« Msicht, ein
furchtbares und gefährliches Geheimnis rechtzeitig wei-
terzugebsn und ernen Mord zu verhüten! Der Zufall
hatte dem kleinen Kaufmann Meunier aus Rouen ein
Geheimnis anvertraut, an dem sein Leben zerbrechen
sollte.
AacL» «krsr«»«F«Fi?«iLrsf ^abrv».
Nach dreiunddreitzig Iahren dringen die
ersten menschlichen Laute in dis Zelle des Anglücklichen.
Die Vastille ist gestürmt worden und das Volk besreit
die Gcfangenen. Von derr sieben Menschen, die man in
den überalterten und vermorschten Gebäuden vergeffen
hat, ist Herr Meunier eincr.
Cin Greis, der mit blöden Augen ins Licht blin-
zelt, der nicht mehr weiß, was ihm geschehen ist, der nicht
mehr angeben kann, aus wslchem Grund er in den Ker-
ker gekommen ist! Nicht nur die Welt hat ihn, er hat
sich selber vergefferi. Freilich, er hätte ja auch drciund-
dreitzig Iahre zuvor keinen Grund angeben können, wa-
rum man ihn einsperrte. Ieht gehen seine wirren Re-
den unter in dern wirren Geschrei einsr verwirrten
Menge.
Der Wahnsinnigs verschwindet in der Menge der
Wahnsinnigsn, ein Opfer der Laune eines Zufalls, der
für ihn Schicksal wurde.
R«rg«n:
Sie Spivnin.
Ale..Modellbörse" dsr Filmbauten.
Wle sehen ble Briesküslen ln London aus? - Gesangnisse, Sotels und Narlamonts.
Ledüu-e tn Mavven.
°^ise i» 56 000 Bildern.
wl^ Filmarchitekt, im Vorspann der Filme
Teff vermerkt und mit seiner Arbeit für den grotzen
"öeraü Publikums ein Buch mit sieben Siegeln, mutz
i Hause sein, mutz Menschen und Länder im
cwg.-A. der Zeit kennen und, einem Zauberer gleich,
kirr. j^uklich auf den Wink des Regisseurs hin innerhalb
8rist die Bauten, echt in Milieu und Stil, unter
Prixs?°.""en der Jupiterlampen erstehen laffen können.
tzenx'.^uen in London, Haltestellen in Schanghai, Stra-
dgz sj in Buenos Aires, Hotelhallen im Orient —
einige der Dinge, deren Kenntnis der Film vom
^hnj/Ewn berlangt und die normalerweise eine ausge-
Studienreife erfordern.
Parr^"v.z Schroedter, der neben anderen auch die
sämtlichen Filmen des Staatspreisträgers Carl
^vlin? errichtete, hat sich die ganze Welt im Arbeits-
v l S » Iusammengestellt. Ueber 3S0 Mappen mit mehr
olley -,.000 Bildern aus aller Herren Länder und
cherin^^^ stud ihm wertvolle Unterlagen, stellen glei-
Kitn, "°en eine „M odellbörse" dar, die für seine ver-
8<rh»,^ungsvolle Arbeit unentbehrlich ist. Vor rund 15
i den ii»"egann er mit dem Ausbau dieser Bibliothek,
min^ ^aterial zum grötzten Teil auf eigenen Reisen ge-
wurde und die innerhalb weniger Stunden eine
^erse ermoglicht. bei Ler ihm nicht nnr die all
!ditt^" ^ugänglichen Merkmale irgendeines Erdteils
'd ">>rd, sondern die darüber hinaus auch einen
^ ^rborgensten Dinge gestattet.
ber-
Blick
im Land ohne Diebe.
^ebt ^!"!.ualstoffe waren im Film zu allen Zeiten be-
nz üben auch heuts noch eine grohe Anziehungskraft
Mss „'e Mappen „Gerichtswesen" enthalten beispiels-
svas der Filmarchitekt zur Ausstattung solcher
^uötigt. Neben Abbildungen von der Ausrüstung
batr^MNten Polizei der Welt einschlietzlich Kamelreiter-
?btejs^aen jq hex Libyschsn Wüste und einer Gasmask-m-
ivs» Polizei in Manila auf den Philipinen, fin-
^I«N Photographien von den bedeuteudsten Gerichts-
jsstitsx "b 'dxrei, Aburtsikungsmethoden. Ein paar Seiten
:?dsivx^>cheint xjq Bambus-Blockhaus auf den Phi-
k dortige Gefängnis, aus dem „wsgen seiner
Lags und dem angenehmen Aufenthalt Flucht-
Äe nismals borgekommen sind", wie dis lakoni-
Iari /q?Vschrift besagt. Auch das Staatsgefängnis von
,°rdpersien) erscheint in dieser einzigartigen
z Es sst nicht viel größer als ein altmodischer
a "d tzO.,^rotofen und stehi seit ü'ber fünf Jahren leer,
HZ N h Kehört. so entnehmen wir der Unterschrift, zum
Diebe! Daz Staatsgefänanis in
Mch, d-,E>n-er mit Maschinengewehren bsstückten Festung
berüchtigte Newyorker „Sing-Sing" und eine
-j'chtbsji^iuahme des Richtblocks mit Henkersmaske und
jO^gz., Urs dem Tower in London bilden weitere Anzie-
der Miniaturreise beim Filmarchitekten und
" ^ins»,^?uf. für eine Nachbildung crus Gips und Pappe
» Ein er Modell zu stehsn. .
^eil des menschlichen Lebens spielt stch rn
Fir fft es zu verstehen, datz es wohl kaurrx
Wroni,Hotelhallen gibt. Und die international«
lbiegelt sich ebenfalls in der Bibliothek dss
I, r^rcihion wieder. Einss der grotzen Frsmdenhäuser
Eio» ^^s Shepeards-Hotel mit seiner der natio-
uenart des Lanides entsprechenden autzergewöhn.
lichen Bauart ist mit mehreren Abbildungen vertreterr.-
Weiter blättern wir zum bekannten „Bismarck-Hotel" in
Chicago und schliehlich zu einem Milliardärs-Hotel in
Palm Beach in Florida, wo der Luxus besonders in einem
kilometerlangen Marmor-Schwimmbecken für die Gäste
seinen Ausdruck gefunden hat. Den Höhepunkt aber bil-
den Abbildungen eines Gebirgshotels inJapan,
das im Winter und Frühjahr von den vornehmen Fapa-
nern aüfgesucht wird. Hier gibt es als Gesellschaftsraum
nur das gemeinsame Badebecken, wo stundenlairg Unter-
haltungen im Wasser gepflegt wevden unü die Zeit des
„Fünf-Uhr-Tees" verbracht wird.
Wie wohnt die Welt?
Auch dieRegierrrngsgebäude aus allsr Welt
mit ihren vedeutendsten Jnnenräumen können auf der
Weltveise beim Filmarchitekten besucht werden: das
Foreign Office (Auswärtige Amt) in London, der Parissr
Quai d'Orsay, die frühere Deutfche Botschaft in Peters-
burg, die Vorzimmer des Kaisers, der Zarskoje Sselo
(Privatgemacher des Zaren) üder das Arbeitszimmer
Franz Josephs mit dem historrschen Porträt der Kaiserin
Elisabeth.
Wohnräume bei Arm und Reich, aus allen Län-
dern, bilden emennicht weniger wichtigen Bestandteil die-
ser einzigartigen Bibliothek. Von der Vergangenheit über
die historischen Schlöffer und Burgen bis zur Jetztzeit,
zeigt sich hier alles, was mit dem kulturhistorischen Begriff
„Wohnen" verbunden ist. Wie lebt der Japaner? Eige
zu allgemeine Frage, die der Filmarchitekt nicht aner-
kennt. Er nnll mehx wissen. So finden wir eine Zusam-
menstellung lapanischer Wohnungseinrichtungen und Le-
bensgepflogenheiten, jg ^iach der Höhe 'des Einkommens.
Wir sehen die emeinhalb Zimmerwohnuna des kleinen An-
gestellten mit emem Gehalt von etwa 150 Mark, die nach
europäischem Muster m die Wand einklappbare Betten
enthält, wir sehen den vornehmen lungen Japaner seineu
Mittagsschlaf auf dem Teppich halten, eingehüllt in eine
Decke, und erfahren. datz im Winter ein geschlossener
Koksofen unter dsr Decke das Liegen auf dem Futzboden
angenehmer macht. Chinesische Dschiimken, Limehouse in
London (Elendsviertel), deutsche Siedlungen mit ihrer
Klarheit und Konsequenz bis zur seltsamen Wohnkultur
Amerikas, die m einem Damenankleidesessel
aus S ch l fffi 3 e n h a „ t und einer Quaste im Lud-
wig XVI.-sm m der Toilstte in ost abscheulichem Stil-
snobismus — alles ist hier zu finden.
Diese 56 000 Bilder des Filmarchitekten sind nicht nur
als reine Vorlagen gedcM. sondern vielmehr als Hilfs-
msttel, um w i r k lichkeitsechte Filmbautenzu
gestalten, die mmk znm srsten Male Schrittmacher für die
Wohnkultur emer Zeit geworden sinL, wie beispielsweise
die Stahlmöbel, oie dex Film erst populär machte.
Wone für diese Zeit.
Eine volle und mächtige Seeke wird nicht nur mit
schmerzhasten, selbst furchtbarsn Verlufien, Entbehrungen,
Beraubungen, Derachtungen sertig: sie kommt aus sol-
chen Höllen mit grötzersr Fülle und Mächtigkeit heraus,
und um das Wesentlichste zu sagen, mit einem neuen
Wachstum in dcr Seligkeit der Liebe.
Friedrich Ristzsch«.
Ritter Kadlbutz ttndet endlikb Rube.
Ser Giassarg von Kamvkhi. - Ein begrüßrnswerter EntsAuß der Bebörden.
Der seit 140 Jahren in der Dorfkirche von
Kampehl 'bei Neustadt a. d. Dosse ambe-
wahrte unverwesliche Leichnam des am o. Nov.
1702 verstorbenen Ritters Kahlbntz wird nun-
mehr, nm eine weitere öffentliche Zurschaustel-
lung zu unterbinden, in einem geschlosse-
nen Glassarg untergebracht und nur,mehr
bei ganz besonderen Anlässen zur Besichtigung
freigegeöen.
Zahllose Legenden und Spukgeschichten ranken sich um
die Person des unglücklichen brandenburgischen Ritters
Kahlbutz, der nach dem Volksglauben sich selbst durch
einen grauenhaften Meineid um die ewige Ruhe brachte.
Als ein Leichnam, der nicht zerfällt, geistert „der Kahl-
butz", wie man ihn in seiner Heimat kurzweg nennt, durch
die Jahrhunderte. Doch lassen wir lieber statt der Fama
alte Geschichtschroniken berichten!
Ein Rätsel für die Wiffenschaft.
Jm Jahre 1794 wurdc das Rittergut Kampehl
zwischen Wustsrhausen und Neustadt an der Dosse, das
lange Zeit der Familis Kahlbutz gehört hatte, durch den
kgl. Stallmeister Krell übernommen. Jn der Grabkapelle
der noch aus dem 18. Jahrhundert stammenden Dorfkirche
entdeckte man hierbei drei Särge. Zwei bon ihnen
enthielten vollständig verweste und zerfallene Leichen,
währcnd im letzten der Körper des vor fast hundert Jah-
ren verstorbenen brandenburgischen Cornets Christian
Friedrich v. Kahlbutz in so unversehrtemZustand
vorgefunden wuvde, als schliefe -der Ritter nnr und müßte
jeden Augenblick wiedererwachen. Diesen ohne äutzerlich
erkennbare Ursachen vollständig mumifizierten Leichnam
bettete man in einen Tannensarg, der wiederum von
einem Eichensarg umschlossen war und setzte ihn neuer-
dings in der Familiengruft bei. Dort ruht er noch heute
auf einem dürftigen Lager von Hobelspänen.
Der brandenburgische Cornet soll zu Lebzeiten ein
Liebesverhältms mit der Tochter eines Schirrmeisters
unterhalten haben, die ihre Zuneigung gl-eichzeitig jedoch
auch einem Schäfer zuwandte. Als Kahlbutz davon erfuhr,
srschlug er angeblich den Nebenbuhler nachts auf freiem
Feld. Nach einer andcren Lesart soll die Untat im Ver-
lauf eines Streites um einen Weideplatz an der Schwenze,
einem Bächlein bei Wusterhausen, geschehen sein. Wie
dem cmch sei: der Ritter wurde jedenfalls, obwohl keine
Tatzeugen vorhanden waren, der Mordtat verdächtigt und
hatte ffch oor dem Gericht in Neustadt an der Dosse zu ver-
antworten. Dort soll er nun in seiner Bedrängnis den
furchtbaren Eid geschworen haben, dah er nach seinem Tod
niemals verwesen wolle. falls er den Schäfer
wirklich srmordet habe. Es lätzt sich heute nicht mehr fest-
stellen, ob Kahlbutz damals tatsächlich auf diese Weise sich
von jedem Verdacht zu reinigen verstand, doch ist es ur-
kundlich nachgewiesen, dah jener Mordprozetz, in dem der
Rittex als Angeklagter auftrat, wirkliÄ stattgefunden hat.
Noch um dis Mitte des vergangenen Jahrhunderts waren
dis Gerichtsakten vorhaniden, sie sind jedoch seitdem spurlos
verschollen.
D«S Gästevuch der Sakristei.
Während die Bevölkerung der Mark Brandenburg und
weff darüber hinaus an ein Gottesgericht glaubt, hält die
Wlssenschaft dre Unverweslichkeit des Ritters natürlich für
Naturphänomen. Allerdings ist es weder Vir -
chow. noch.anderen medizmischen Kapazitäten, die den
^eichnam eingshend untsrsuchten. gclungen, dis Ursachen
sewer wunderbaren Erhaltung festzustellen. Jrgendwelche
Anzeichen für eine Einbalsamieruns sind nichk vorhanden.
Weder eine besonders grotze Lufttrockenheit, noch eine
Radioaktivität der Wände, durch die unter Umständen die
Verwesung verhindert worden sein könnte, kommen in Be-
tracht, zumal die in der gleichen Grufl aufbewahrten ande»
ren Leichsn längst zerfallen sind. Selbst die Wissenschaft
steht fomit vor einem Rätsel.
Leider ist mit dem Ritter Kahlbutz, der jahrhuuderte»
lang das Objekt billiger Schaulust und Sensations-
g i e r war, mancher Unfug getrieben worden. Andenken-
jäger aus aller Herren Länder bemächtigten sich zuerst
seiner Sporen und des Degens und schnitten ihm dann
sogar Stiefel und Kleidung stückweise vom Leibe. Der
Ritter liegt daher heute nur noch in armselige Leinwand-
fetzen gehüllt, die jedoch seine Jnitialen tragen, in
der Wundergruft. Jeder Zweifel an der Persönlichkett
des Toten ist somit ausgeschlossen.
Tausende von Besuchern sind im Lauf der Jahrhun-
derte an dem schlichten Sarg mit dem unverweslichen
Leichnam vorübergezogen. Viele von rhnen haben sich in
das in der Sakristei der Dorfkirche aufliegende „G ä st e -
b u ch" eingetragen, auch Postkarten und sogar Schallplat-
ten, die dem traurigen Schicksal des Cornets gewidmet
sind, gibt es in Kampehl. Jn einem Gasthof „Zum Ritter
Kahlbutz" trafen sich die Fremden, wenn sie ihre Schcrulust
befriedigt hatten.
Endlich Ruhe!
Diesen unwürdigen Zuständen wird nunmehr durch
einen begrüßenswerten Entschluh der Behörden ein Ende
bereitet. Nachdem die ursprünglich geplante Erdbestattung
auf Widerstände gestotzen ist, wird nach vorheriger Jn-
standsetzung der Sarg Glaswände und einen gut
fchlietzbaren Deckel erhalten. Dadurch kann der Leichnam
Swar ständig von berufenen Augen auf seinen Zustand
bin untersucht werden, ohne jedoch ein sensationelles
Schaustück für allzu Reugierige zu sein. Auherdem wivd
die Gruft wüvdig ausgestaltet und nicht mehr jedermann
zugänglich sein.
Wenn Ritter Kahlbutz im Lauf früherer Jahrzehnte
manchmal von sonderbaren Propheten mitzbraucht wurde
— selbst Wcißenberg hat schon mit seinen Anhängsrn in
der Wundergruft seinen Hokuspokus getrieben und den
Leichnam als „Medium" gebraucht — so ist jetzt durch die
von der interessierten Bevölkerung sehr beifällig aufge-
nommene behördliche Entscheidung endlich die Gewähr da»
für gegeüen, datz der seltsame Cornet seine Ruhe findet.
Als Km-derschreck und Popanz abergläübifchsr Gemüter
wird er jedoch wahrscheinlich noch lange weiterleben und
eine Hauptroll« in Sagen und Geistergeschichten spielen.
Allerlei aus allkr Well.
. Di« Stadt Vennsckenstein im Harz, die Sitz
Trainingslagers der Olympiaboxer war, hat be-
Ichloffen, Max Schmeling zu ihrem Chrenbür-
ger zu ernennen. Die Aeberrerchung des Chrenbürger-
briefes wird am 28. November durch Negierungspräsi-
dent Staatsrat Dr. Weber erfolgen.
Paul Poiret, der einstmals weltberühmt«
Modediktator von Paris, hat jetzt endlich nach bitterer
Notzsit eine Stellung als Varmixer bei einem seiner
ehemaligsn Manneqüins qefunden. Cr schsint vor einem
neuen Aufstieg zu stehcn, denn dic neu cröffnctc Bar, dis
nach seinen Cntwürscn ausgestattet wurdc, erfreut sich
grogcr BeliebLhtit.
ÄS VSrMS«««».
b o ^t wohl selten ,emand den Zusall von seiner
»rann ^"esten Seite so kennen gclernt wie der Kauf-
spierre Meunier aus Rouen
es nA^s^reunier ist ein kleiner Kaufmann, aber er lätzt
rig ,7 nehmen, wenigstens einmal im Iahr nach Pa°
Mr f-i die nsuesten Muster anzusehen und Waren
o öu kausen. Man schreibt daS Iahr
barr», ^udwrg der Fünszehnte und seine Freundin Du-
^h regwren Frankreich.
Da 71^' Tage lang streift Herr Meunier durch Paris.
visl- „ "i" Stosfen sür Damenkleider handelt, hat er
iu kws E>äuser zu besuchen und eine linmengc Waren
Lyy^j^hlen, die man aus China, aus Denedig oder
rmportiert hat.
(z»s^"blich trifft sr seine Auswahl und schließt seine
sü»"?"sle ab. Cr bestellt einen Platz in der Postkutsche
^aük^ uächsten Morgen und begibt
sich in seinen
^asthos.
sei„^E>err Meunier ist ein echter Franzose, das heiht,
Unv ^h^lvorstechendstsn Cigenschaften sind Dparsamkeit
i» .-^^uligsamkeit. Infolgedessen wohnt Herr Meunier
ein».Ä? kleinen, bescheidenen Gasthof dritten Ranges in
len ^^"rsladt. And obwohl er sich es durchaus gestat-
lvobn. "Ee. ein Zimmer im ersten Stock zu benutzen, be-
^ cinen winzig kleinen Raum unter dem Dach.
sort i einsm einfachen Abendbrot bsgibt er sich so-
Di» Ä s/lne Kammer, zieht sich aus und legt sich zu Vett.
au» < ^llampe löscht er aus, dsnn Nachdenken kann er
^ lm Dunkeln, und er ist, wis gssagt, sehr sparsam.
D<, ^läuschenstill liegt Zerr Meunier in seinem Vett,
surren "^lt es auf der Treppe, Türen klappen, Stimmen
r»ds - Dndlich wird eS still. Herr Meunier will ge-
Dhr ^Aschlafen, da drrngen erneut Stimmen an sein
> p xK Gegen seinen Willen wird er Zeuge eines G e -
Die das in erner Nebenkammer geführt wird.
Wände der Mansardenkammer sind dünn.
verlj'l x "n du bloß nicht im letzten Augenblick den Mut
erst," läßt sich eine Baßstimme vernehmen.
Kr„r?r Glaube an unsere Sache qibt mir die
derri»/' die ich brauche, um mein blutiges Werk zu
jun„"len," antwortet eine energische, siegesbewußte
^Stimme.
Dp ^er Kaufmann richtet sich entsetzt auf, drückt sein
sprz-3egen die Wand, belauscht den Fortgang des Ge-
cz begrcift die Zusammenhänge, erkennt, worum
Uichts dandelt. Seine bsiden Nachbarn beabsichtigten
de^ ^??niger als ein Attentat auf die Person
ser „dnigs. And Herr Meunier wird Mitwis-
die Cinzelbsiten, er erfährt den Ort. dis Stunde,
Uep ^mssen, die Namen der Helfer und Mitverschwore-
llw ^Ugeduldia erwartct der Kaufmann den Morgen.
i.leri, ^ bereits macht er sich auf den Wsa zum Mini-
sSmwU des Innern und verlangt den Herrn Minister per-
"lh zu sprcchen.
angä'Seine Cxzellenz ist vor elf Llhr nicht zu sprechen,"
?"et ihm der Lakai.
U>ichi; r Meunier wird dringlich. „Ich komme in einer
»Ntz Aen Sache, die Seine Cxzellenz persönlich angeht
er „ nicht den geringsten Äufschub verträgt," erklärt
"Ufgeregt.
eiy.D^r Lakai betrachtet den Mann, dsr die Merkmale
ksi, d Kleinstädters zur Schau trägt, mit prüsenden Vlik-
ern' Dann entfernt er sich gemeffenen Schritts und kehrt
Uiinjs?^ einer halben Stunde zurück. Der Herr Polizei-
gex "er, berichtst er, schlafe noch, der Kammerdiener wei-
u>„ Uch. Seins Cxzellenz zu wecken, der Herr möge sich
Elf ilhr einsinden.
Herr Meunrer ahnt, daß er um elf Ahr einen ähn-
lichen Bcscheid erhalten wird, er begibt sich deshalb eilig
in sein Hotel zurück und setzt ein langes Schreiben auf,
in dem er das erlauschte GesprLch wortwörtlich wieder-
gibt.
Punkt elf Ahr findet er sich erneut auf dem Mini-
sterium ein und erhält richtig die erwartete Antwort:
Seins Cxzellenz sei mit wichtigcn Angelegenheiten be-
schäftigt, der Herr möge am nächsten Tag wiederkom-
men.
Lächelnd zieht Herr Meunier sein Schreiben aus der
Taschs und übergibt es dsm Lakai unter nochmaliger
Betonung der Dringlichkeit. Dann läßt er sich ins
Wartezimmer führen und hält sich zur Verfügunq. Da-
bei fällt ihm ein, daß die Dostkutsche, die ihn an diesem
-^ag nach Rouen zurückbesördern sollte, Paris bereits ver-
lassen hat.
Den Verlust der zwei Louisdors, die das Villet nach
Rouen gekostet hat, bedauert der sparsame Herr Meunier
nicht im geringsten; angesichts einer so bsdeutenden Mis-
sion wie die, die das Schicksal ihm anvcrtraut hat, habsn
kleinlichs Vedenken zu verstummen. Vielleicht, spekuliert
er, vielleicht wird man ihm den Verlust ersetzen. Mchr
als das, man wird ihn belohnen. Ieden Augenblick wird
sich die Tür öffnen, in jeder Sekunde kann der Sskretär
das Wartezimmer betreten und ihn zu Seiner Cxzellenz
befehlen.
Dann wird Herr Meunier der wichtigste
Mann des Tages sein, und die kleinen Verluste,
wie das verfallene Billet und die Spesen des weiteren
Aufenthalts, werden tausendfach wettgemacht durch die
Bedeutung, die seiner Person für alle Zukunft zufallsn
wird.
Von guten Gedanken erfüllt, wartet Herr Meunier.
Cs wird Mittag, es wird Nachmittag. Er wartet noch
immer.
Cndlich öffnet sich die Tür, aber es ist der Lakai, der
eintritt, um Herrn Meunier mitzuteilen, daß Seine Cx-
zellenz plötzlich abberufen wurde; der Herr Minister
wäre bereits fortgefahrsn; der Zcrr möge stch, wie ge-
iagt, am nächsten'Tag wieder einfinden.
Der Kausmann ist entseht. „Hat denn der Herr
Minister meinen Brisf nicht gelesen?" fragt er zittsrnd.
Der Lakai zuckt lächelnd die Achseln.
Da fällt Herrn Meunisr ein, der Minister werde
seine Zeilen gelesen haben, und nichts anderes als^ die
Anzeige könne der Grund sein, aus dsm Seine Cxzellenz
to eilig fortgefahren^wäre. Cr erklärt sich für befriedigt,
kehrt rn sein Hotel zurück und belegt für den nächsten
Morgen einen Plah in dsr Postkutschs. Beruhigt geht
er zu Bett, friedlich schläft er ein, sorglos wacht er auf
und fährt ab.
V« kr«vkrk« sr»
Während die Diligence über die holprige Sandftraße
dahinrumpelt, kracht einSchuß imPark von
Versailles, also zu eben der Stunde und an eben
dem Ort, die Herr Meunier in seinem Bericht angegeben
hat. Das Attentat hat planmäßig stattgefunden.
Cin Zufall rettet dem König das Leben. Die Kugel
prallt an der goldensn Tabäkdose ab, die dsr König in
der Tasche seiiier Wsste trägt.
Sofort eilen Kuriere nach Paris, um den Po-
lizeiminister. zu verständigen. Aber dis Boten finden
Seisis Cpzellenz keinsswegs im Gebäude des Ministeri-
ums, sondern an eben dem Ort, zu dem der Herr Mmi-
ster gestern so dringend abberufen wurde, nämlich in der
Wohnung seiner Geliebten. Diese Dams hatte Seiner
Cxzellsnz zu Chren ein Fest veranstaltet, das die ganze
Nacht hindurch gedauert und fein Cnde auch am neuen
Tag noch nicht erreicht hatte.
Der Herr Minister wird aus der Schar der fröhlich
tanzenden und schmausenden Damen und Herren her-
ausgeriffen.
Auf schnellstem Weg begibt er stch in seine Kanzlei.
Hier findet er bereits einen zweiten Kurier vor, der ihm
einen Vricf des Königs überbringt. Das Schreiben ent-
hält den Au'sdruck der allerhöchstenÜngnads
und das Verbot, Paris zu verlaffen.
Ieht endlich hat Seine Cxzellenz Mutze, die Post
durchzusehen, die seit dem Morgen des vergangenen Ta-
ges auf ihn wartet. An erster Stelle fällt ihm derVrief
des Herrn Meunier indie HLnde.
Der Minister ist entseht. Wenn der Mann
aus Rouen plaudert, ist Seine Cxzellenz die
längste Zeit Polizeiminister gewesen. Seine
Majestät wird erfahren, datz der für die Sicherheit der
königlichen Person Verantwortliche es vorzog, auf einem
Fest seiner Geliebten zu tanzen, statt Meldungen über
Attentatspläne entgegenzunehmen und das Verbrechen zu
vereiteln. Man wird ihn mit Schimpf und Schande da-
vonjagen.
Eilig steckt er das belastende Schreiben zu sich, wirft
sich in s'einen Wagen, rast in die nächste Kaserne, alar-
miert einen Rittmeister und befiehlt ihm, sofort mit sei-
ner Schwadron aufzusitzen, nach Rouen zu jagen und den
Kaufmann zurück nach Paris zu schaffen.
In gestrecktem Galopp jagen die Dragoner davon.
Cinige Stunden später holen ste die Postkutsche ein und
halten sie an.
„Sind Sie der Kaufmann Meunier aus Rouen?"
fragt der Rittmeister den einzigen Insaffen.
„Iawohl, mein Herr," antwortet Meunier strahlend,
„der bin ich."
Ieht bekomme ich meine Belohnung, denkt er. Habe
ich nicht den König gerettet? Die Dragoner werden mich
im Triumpb nach Versailles begleiten, werden mich zu
Seiner Majsstät führen, der König wird mich belohnen,
vielleicht sogar in den Adelsstand . . .
ekai Wksrkrsi?.
Herr Msunier kommt nicht dazu, seinen Gedanken zu
Cnde zu denken. Ia, er hat nicht einmal mehr die Zeit,
seiner Verwunderung Ausdruck zu geben, nicht den klein-
sten Schrei vermag Herr Meunier auszustoßen. Che er
begreift, was mit ihm geschieht, verschließt ihm ein Kne-
bel den Mund und Feffeln legcn sich um seine Gelenke.
In der Tat, die Dragoner bgleiten ihn nach Paris. Aber
nicht, um ihn zum König nach Versailles zu bringen, son-
dern um ihn dem Kerkcrmeister der Vastille zu über-
antworten.
Als sich der Rittmeister bei dem Herrn Polizeimini-
ster melden lätzt, spricht ihm dieser seincn Dank aus.
Seine Cxzellenz atmet auf, der Kaufmann Meunier aus
Rouen wird nicht mehr plaudern. Niemand wird Seine
Cxzellenz einer Nachläffigkeit in der Führung seiner
Amtsqeschäste bezichtigen.
Veruhigt übergibt er den Vericht den Flammsn sei-
nes Kamins. Der wehrlose Herr Meunier wäre sonst
sür alle Zeiten unschädlich gemacht. Aber leider kommt
es darauf nicht allein an. Alle seine Rücksichtslostgkeit
und Brutalität reicht nicht aus, um dem Herrn Polizei-
minister sein Amt zuerhalten. Der Zorn Seiner Majs-
stät läßt sich nicht abwenden, der Minister mutz sein
Amt verlassen.
Mit saurer Miene übergibt der tzerr Minister sei-
nem Amtsnachfolger Schlüffel und Sisgel, überreicht ihm
Akten und Instrüktionen und weiht ihn in die Geheim-
niffe seines neuen Amts ein.
Die Verhaftung des Herrn Meunier aus Rouen
allerdings bindet er seinem Amtsnachfolger nicht auf die I
Nase. Der könnte gar zu leicht auf den Gedanksn kom-
men, sich diesen Häftling näher anzusehen, woraus dem
Herrn Polizeiminister außer Diensten neue schwere iln-
annehmlichkeiten erwachscn würden. Nein! Mag der
Kaufmann weiterhin im Gefängnis schmachten und dar-
über nachdenken, daß man seine Nase nicht in Sachen
stecken foll, die einem nichts angshen.
Aeberdies... man kann nicht wiffen, ob die Lau-
nen Seiner Majestät den heute abgesetzten Polizeimini-
ffter morgen nicht vielleicht erneut mit einem großen Po-
sten betrausn. Diese Möglichkeit muß man sich offsnhal-
ten. Bis dahin bleibt der Fall Meunisr im Dunkel.
Cine schriftliche Änterlage existiert nicht mshr, und was
nicht in den Akten steht, das ist bekanntermatzen auf die-
ser Welt nicht vorhanden . . .
AF««»r«r vsi?Lfe««v».
Die Iahre kommen, die Zahre vergehen. Der ein-
stige Polizeiminister, der den Herrn Meünier aus Rouen
einspsrren lietz, ist in kein Amt mehr berufsn worden.
Cr ist längst vergeffen. Cin dritter, ein vierter, schlictzlich
ein fünfter Polizeiminister hat seinen Plah inzwischen
eingenommen. Ludwig der FLnfzehnte stirbt, Ludwig
dsr Sechzehnte hesteigt den Thron. Marie Antoinette
zieht als Königin in Paris ein.
Die Könige und Königinnen haben gewechsslt, die
Polizeiminister wechseln weiter. Auch die Kerkermeister
sterben oder gehen in Pension. Alles verändert stch.
Rur Herr Meunier bleibt auf dem
gleichen Fleck.
llnunterbrochen stht er in der Dastille. Man hat
ihn vergesfen. Man mutzte ihn ja vergeffen, denn
es existiert doch kein Aktenstück über ihn!
Wenn dem königlichen Herrscherpaar eine Prinzesstn
geboren wird, erhalten Diebe und RLuber die Freiheit.
Für Hsrrn Meunier gibt es keine Gnade. Keine
Amnestie trifft auf seinen Fall zu. Die HelfershLlfer
jenes längst vergeffenen Attentäters werden begnadigt
und kehren an das Licht der Sonne zurück. Herr Meü-
nier bleibt. Wutzts man schon bei seiner Cinliefe-
rung nicht, weshalb er ins Gsfängnis geworfen war, so
vergaß man allmählich, datz man rne einen Grund gehabt
hatte, ihn einzukerkern.
Fürwahr ein furchtbarer Lohn für di« Msicht, ein
furchtbares und gefährliches Geheimnis rechtzeitig wei-
terzugebsn und ernen Mord zu verhüten! Der Zufall
hatte dem kleinen Kaufmann Meunier aus Rouen ein
Geheimnis anvertraut, an dem sein Leben zerbrechen
sollte.
AacL» «krsr«»«F«Fi?«iLrsf ^abrv».
Nach dreiunddreitzig Iahren dringen die
ersten menschlichen Laute in dis Zelle des Anglücklichen.
Die Vastille ist gestürmt worden und das Volk besreit
die Gcfangenen. Von derr sieben Menschen, die man in
den überalterten und vermorschten Gebäuden vergeffen
hat, ist Herr Meunier eincr.
Cin Greis, der mit blöden Augen ins Licht blin-
zelt, der nicht mehr weiß, was ihm geschehen ist, der nicht
mehr angeben kann, aus wslchem Grund er in den Ker-
ker gekommen ist! Nicht nur die Welt hat ihn, er hat
sich selber vergefferi. Freilich, er hätte ja auch drciund-
dreitzig Iahre zuvor keinen Grund angeben können, wa-
rum man ihn einsperrte. Ieht gehen seine wirren Re-
den unter in dern wirren Geschrei einsr verwirrten
Menge.
Der Wahnsinnigs verschwindet in der Menge der
Wahnsinnigsn, ein Opfer der Laune eines Zufalls, der
für ihn Schicksal wurde.
R«rg«n:
Sie Spivnin.
Ale..Modellbörse" dsr Filmbauten.
Wle sehen ble Briesküslen ln London aus? - Gesangnisse, Sotels und Narlamonts.
Ledüu-e tn Mavven.
°^ise i» 56 000 Bildern.
wl^ Filmarchitekt, im Vorspann der Filme
Teff vermerkt und mit seiner Arbeit für den grotzen
"öeraü Publikums ein Buch mit sieben Siegeln, mutz
i Hause sein, mutz Menschen und Länder im
cwg.-A. der Zeit kennen und, einem Zauberer gleich,
kirr. j^uklich auf den Wink des Regisseurs hin innerhalb
8rist die Bauten, echt in Milieu und Stil, unter
Prixs?°.""en der Jupiterlampen erstehen laffen können.
tzenx'.^uen in London, Haltestellen in Schanghai, Stra-
dgz sj in Buenos Aires, Hotelhallen im Orient —
einige der Dinge, deren Kenntnis der Film vom
^hnj/Ewn berlangt und die normalerweise eine ausge-
Studienreife erfordern.
Parr^"v.z Schroedter, der neben anderen auch die
sämtlichen Filmen des Staatspreisträgers Carl
^vlin? errichtete, hat sich die ganze Welt im Arbeits-
v l S » Iusammengestellt. Ueber 3S0 Mappen mit mehr
olley -,.000 Bildern aus aller Herren Länder und
cherin^^^ stud ihm wertvolle Unterlagen, stellen glei-
Kitn, "°en eine „M odellbörse" dar, die für seine ver-
8<rh»,^ungsvolle Arbeit unentbehrlich ist. Vor rund 15
i den ii»"egann er mit dem Ausbau dieser Bibliothek,
min^ ^aterial zum grötzten Teil auf eigenen Reisen ge-
wurde und die innerhalb weniger Stunden eine
^erse ermoglicht. bei Ler ihm nicht nnr die all
!ditt^" ^ugänglichen Merkmale irgendeines Erdteils
'd ">>rd, sondern die darüber hinaus auch einen
^ ^rborgensten Dinge gestattet.
ber-
Blick
im Land ohne Diebe.
^ebt ^!"!.ualstoffe waren im Film zu allen Zeiten be-
nz üben auch heuts noch eine grohe Anziehungskraft
Mss „'e Mappen „Gerichtswesen" enthalten beispiels-
svas der Filmarchitekt zur Ausstattung solcher
^uötigt. Neben Abbildungen von der Ausrüstung
batr^MNten Polizei der Welt einschlietzlich Kamelreiter-
?btejs^aen jq hex Libyschsn Wüste und einer Gasmask-m-
ivs» Polizei in Manila auf den Philipinen, fin-
^I«N Photographien von den bedeuteudsten Gerichts-
jsstitsx "b 'dxrei, Aburtsikungsmethoden. Ein paar Seiten
:?dsivx^>cheint xjq Bambus-Blockhaus auf den Phi-
k dortige Gefängnis, aus dem „wsgen seiner
Lags und dem angenehmen Aufenthalt Flucht-
Äe nismals borgekommen sind", wie dis lakoni-
Iari /q?Vschrift besagt. Auch das Staatsgefängnis von
,°rdpersien) erscheint in dieser einzigartigen
z Es sst nicht viel größer als ein altmodischer
a "d tzO.,^rotofen und stehi seit ü'ber fünf Jahren leer,
HZ N h Kehört. so entnehmen wir der Unterschrift, zum
Diebe! Daz Staatsgefänanis in
Mch, d-,E>n-er mit Maschinengewehren bsstückten Festung
berüchtigte Newyorker „Sing-Sing" und eine
-j'chtbsji^iuahme des Richtblocks mit Henkersmaske und
jO^gz., Urs dem Tower in London bilden weitere Anzie-
der Miniaturreise beim Filmarchitekten und
" ^ins»,^?uf. für eine Nachbildung crus Gips und Pappe
» Ein er Modell zu stehsn. .
^eil des menschlichen Lebens spielt stch rn
Fir fft es zu verstehen, datz es wohl kaurrx
Wroni,Hotelhallen gibt. Und die international«
lbiegelt sich ebenfalls in der Bibliothek dss
I, r^rcihion wieder. Einss der grotzen Frsmdenhäuser
Eio» ^^s Shepeards-Hotel mit seiner der natio-
uenart des Lanides entsprechenden autzergewöhn.
lichen Bauart ist mit mehreren Abbildungen vertreterr.-
Weiter blättern wir zum bekannten „Bismarck-Hotel" in
Chicago und schliehlich zu einem Milliardärs-Hotel in
Palm Beach in Florida, wo der Luxus besonders in einem
kilometerlangen Marmor-Schwimmbecken für die Gäste
seinen Ausdruck gefunden hat. Den Höhepunkt aber bil-
den Abbildungen eines Gebirgshotels inJapan,
das im Winter und Frühjahr von den vornehmen Fapa-
nern aüfgesucht wird. Hier gibt es als Gesellschaftsraum
nur das gemeinsame Badebecken, wo stundenlairg Unter-
haltungen im Wasser gepflegt wevden unü die Zeit des
„Fünf-Uhr-Tees" verbracht wird.
Wie wohnt die Welt?
Auch dieRegierrrngsgebäude aus allsr Welt
mit ihren vedeutendsten Jnnenräumen können auf der
Weltveise beim Filmarchitekten besucht werden: das
Foreign Office (Auswärtige Amt) in London, der Parissr
Quai d'Orsay, die frühere Deutfche Botschaft in Peters-
burg, die Vorzimmer des Kaisers, der Zarskoje Sselo
(Privatgemacher des Zaren) üder das Arbeitszimmer
Franz Josephs mit dem historrschen Porträt der Kaiserin
Elisabeth.
Wohnräume bei Arm und Reich, aus allen Län-
dern, bilden emennicht weniger wichtigen Bestandteil die-
ser einzigartigen Bibliothek. Von der Vergangenheit über
die historischen Schlöffer und Burgen bis zur Jetztzeit,
zeigt sich hier alles, was mit dem kulturhistorischen Begriff
„Wohnen" verbunden ist. Wie lebt der Japaner? Eige
zu allgemeine Frage, die der Filmarchitekt nicht aner-
kennt. Er nnll mehx wissen. So finden wir eine Zusam-
menstellung lapanischer Wohnungseinrichtungen und Le-
bensgepflogenheiten, jg ^iach der Höhe 'des Einkommens.
Wir sehen die emeinhalb Zimmerwohnuna des kleinen An-
gestellten mit emem Gehalt von etwa 150 Mark, die nach
europäischem Muster m die Wand einklappbare Betten
enthält, wir sehen den vornehmen lungen Japaner seineu
Mittagsschlaf auf dem Teppich halten, eingehüllt in eine
Decke, und erfahren. datz im Winter ein geschlossener
Koksofen unter dsr Decke das Liegen auf dem Futzboden
angenehmer macht. Chinesische Dschiimken, Limehouse in
London (Elendsviertel), deutsche Siedlungen mit ihrer
Klarheit und Konsequenz bis zur seltsamen Wohnkultur
Amerikas, die m einem Damenankleidesessel
aus S ch l fffi 3 e n h a „ t und einer Quaste im Lud-
wig XVI.-sm m der Toilstte in ost abscheulichem Stil-
snobismus — alles ist hier zu finden.
Diese 56 000 Bilder des Filmarchitekten sind nicht nur
als reine Vorlagen gedcM. sondern vielmehr als Hilfs-
msttel, um w i r k lichkeitsechte Filmbautenzu
gestalten, die mmk znm srsten Male Schrittmacher für die
Wohnkultur emer Zeit geworden sinL, wie beispielsweise
die Stahlmöbel, oie dex Film erst populär machte.
Wone für diese Zeit.
Eine volle und mächtige Seeke wird nicht nur mit
schmerzhasten, selbst furchtbarsn Verlufien, Entbehrungen,
Beraubungen, Derachtungen sertig: sie kommt aus sol-
chen Höllen mit grötzersr Fülle und Mächtigkeit heraus,
und um das Wesentlichste zu sagen, mit einem neuen
Wachstum in dcr Seligkeit der Liebe.
Friedrich Ristzsch«.
Ritter Kadlbutz ttndet endlikb Rube.
Ser Giassarg von Kamvkhi. - Ein begrüßrnswerter EntsAuß der Bebörden.
Der seit 140 Jahren in der Dorfkirche von
Kampehl 'bei Neustadt a. d. Dosse ambe-
wahrte unverwesliche Leichnam des am o. Nov.
1702 verstorbenen Ritters Kahlbntz wird nun-
mehr, nm eine weitere öffentliche Zurschaustel-
lung zu unterbinden, in einem geschlosse-
nen Glassarg untergebracht und nur,mehr
bei ganz besonderen Anlässen zur Besichtigung
freigegeöen.
Zahllose Legenden und Spukgeschichten ranken sich um
die Person des unglücklichen brandenburgischen Ritters
Kahlbutz, der nach dem Volksglauben sich selbst durch
einen grauenhaften Meineid um die ewige Ruhe brachte.
Als ein Leichnam, der nicht zerfällt, geistert „der Kahl-
butz", wie man ihn in seiner Heimat kurzweg nennt, durch
die Jahrhunderte. Doch lassen wir lieber statt der Fama
alte Geschichtschroniken berichten!
Ein Rätsel für die Wiffenschaft.
Jm Jahre 1794 wurdc das Rittergut Kampehl
zwischen Wustsrhausen und Neustadt an der Dosse, das
lange Zeit der Familis Kahlbutz gehört hatte, durch den
kgl. Stallmeister Krell übernommen. Jn der Grabkapelle
der noch aus dem 18. Jahrhundert stammenden Dorfkirche
entdeckte man hierbei drei Särge. Zwei bon ihnen
enthielten vollständig verweste und zerfallene Leichen,
währcnd im letzten der Körper des vor fast hundert Jah-
ren verstorbenen brandenburgischen Cornets Christian
Friedrich v. Kahlbutz in so unversehrtemZustand
vorgefunden wuvde, als schliefe -der Ritter nnr und müßte
jeden Augenblick wiedererwachen. Diesen ohne äutzerlich
erkennbare Ursachen vollständig mumifizierten Leichnam
bettete man in einen Tannensarg, der wiederum von
einem Eichensarg umschlossen war und setzte ihn neuer-
dings in der Familiengruft bei. Dort ruht er noch heute
auf einem dürftigen Lager von Hobelspänen.
Der brandenburgische Cornet soll zu Lebzeiten ein
Liebesverhältms mit der Tochter eines Schirrmeisters
unterhalten haben, die ihre Zuneigung gl-eichzeitig jedoch
auch einem Schäfer zuwandte. Als Kahlbutz davon erfuhr,
srschlug er angeblich den Nebenbuhler nachts auf freiem
Feld. Nach einer andcren Lesart soll die Untat im Ver-
lauf eines Streites um einen Weideplatz an der Schwenze,
einem Bächlein bei Wusterhausen, geschehen sein. Wie
dem cmch sei: der Ritter wurde jedenfalls, obwohl keine
Tatzeugen vorhanden waren, der Mordtat verdächtigt und
hatte ffch oor dem Gericht in Neustadt an der Dosse zu ver-
antworten. Dort soll er nun in seiner Bedrängnis den
furchtbaren Eid geschworen haben, dah er nach seinem Tod
niemals verwesen wolle. falls er den Schäfer
wirklich srmordet habe. Es lätzt sich heute nicht mehr fest-
stellen, ob Kahlbutz damals tatsächlich auf diese Weise sich
von jedem Verdacht zu reinigen verstand, doch ist es ur-
kundlich nachgewiesen, dah jener Mordprozetz, in dem der
Rittex als Angeklagter auftrat, wirkliÄ stattgefunden hat.
Noch um dis Mitte des vergangenen Jahrhunderts waren
dis Gerichtsakten vorhaniden, sie sind jedoch seitdem spurlos
verschollen.
D«S Gästevuch der Sakristei.
Während die Bevölkerung der Mark Brandenburg und
weff darüber hinaus an ein Gottesgericht glaubt, hält die
Wlssenschaft dre Unverweslichkeit des Ritters natürlich für
Naturphänomen. Allerdings ist es weder Vir -
chow. noch.anderen medizmischen Kapazitäten, die den
^eichnam eingshend untsrsuchten. gclungen, dis Ursachen
sewer wunderbaren Erhaltung festzustellen. Jrgendwelche
Anzeichen für eine Einbalsamieruns sind nichk vorhanden.
Weder eine besonders grotze Lufttrockenheit, noch eine
Radioaktivität der Wände, durch die unter Umständen die
Verwesung verhindert worden sein könnte, kommen in Be-
tracht, zumal die in der gleichen Grufl aufbewahrten ande»
ren Leichsn längst zerfallen sind. Selbst die Wissenschaft
steht fomit vor einem Rätsel.
Leider ist mit dem Ritter Kahlbutz, der jahrhuuderte»
lang das Objekt billiger Schaulust und Sensations-
g i e r war, mancher Unfug getrieben worden. Andenken-
jäger aus aller Herren Länder bemächtigten sich zuerst
seiner Sporen und des Degens und schnitten ihm dann
sogar Stiefel und Kleidung stückweise vom Leibe. Der
Ritter liegt daher heute nur noch in armselige Leinwand-
fetzen gehüllt, die jedoch seine Jnitialen tragen, in
der Wundergruft. Jeder Zweifel an der Persönlichkett
des Toten ist somit ausgeschlossen.
Tausende von Besuchern sind im Lauf der Jahrhun-
derte an dem schlichten Sarg mit dem unverweslichen
Leichnam vorübergezogen. Viele von rhnen haben sich in
das in der Sakristei der Dorfkirche aufliegende „G ä st e -
b u ch" eingetragen, auch Postkarten und sogar Schallplat-
ten, die dem traurigen Schicksal des Cornets gewidmet
sind, gibt es in Kampehl. Jn einem Gasthof „Zum Ritter
Kahlbutz" trafen sich die Fremden, wenn sie ihre Schcrulust
befriedigt hatten.
Endlich Ruhe!
Diesen unwürdigen Zuständen wird nunmehr durch
einen begrüßenswerten Entschluh der Behörden ein Ende
bereitet. Nachdem die ursprünglich geplante Erdbestattung
auf Widerstände gestotzen ist, wird nach vorheriger Jn-
standsetzung der Sarg Glaswände und einen gut
fchlietzbaren Deckel erhalten. Dadurch kann der Leichnam
Swar ständig von berufenen Augen auf seinen Zustand
bin untersucht werden, ohne jedoch ein sensationelles
Schaustück für allzu Reugierige zu sein. Auherdem wivd
die Gruft wüvdig ausgestaltet und nicht mehr jedermann
zugänglich sein.
Wenn Ritter Kahlbutz im Lauf früherer Jahrzehnte
manchmal von sonderbaren Propheten mitzbraucht wurde
— selbst Wcißenberg hat schon mit seinen Anhängsrn in
der Wundergruft seinen Hokuspokus getrieben und den
Leichnam als „Medium" gebraucht — so ist jetzt durch die
von der interessierten Bevölkerung sehr beifällig aufge-
nommene behördliche Entscheidung endlich die Gewähr da»
für gegeüen, datz der seltsame Cornet seine Ruhe findet.
Als Km-derschreck und Popanz abergläübifchsr Gemüter
wird er jedoch wahrscheinlich noch lange weiterleben und
eine Hauptroll« in Sagen und Geistergeschichten spielen.
Allerlei aus allkr Well.
. Di« Stadt Vennsckenstein im Harz, die Sitz
Trainingslagers der Olympiaboxer war, hat be-
Ichloffen, Max Schmeling zu ihrem Chrenbür-
ger zu ernennen. Die Aeberrerchung des Chrenbürger-
briefes wird am 28. November durch Negierungspräsi-
dent Staatsrat Dr. Weber erfolgen.
Paul Poiret, der einstmals weltberühmt«
Modediktator von Paris, hat jetzt endlich nach bitterer
Notzsit eine Stellung als Varmixer bei einem seiner
ehemaligsn Manneqüins qefunden. Cr schsint vor einem
neuen Aufstieg zu stehcn, denn dic neu cröffnctc Bar, dis
nach seinen Cntwürscn ausgestattet wurdc, erfreut sich
grogcr BeliebLhtit.