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Mannheimer Zeitung — 1824

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No. 61 - No. 91 (1. Maerz - 31. Maerz)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44352#0358

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Zuletzt mußte Jedermann lachen, daß er es Frank-
reich für ein Verbrechen anrechnete, daß man zu Ca-
lais ſeinen Tbchtern die Ueberſchiffung nach England
nicht erlaubt hatte.

Herr Littleton widerſetzte ſich der Motion und ver-
langte, die Kammer ſollte erklären, daß man mit
dem Betragen des Ministeriums zufrieden sey, und
keine Urſache habe, zu fürchten, Frankreich werde
Spanien ewig beſetzt halten.

Der Miniſter Canning ſprach endlich noch lang und
mit allgemeinem Beyfall über dieſe Gegenstände und
endete mit folgenden Worten:

"So ſehr wir uns berechtigt glauben , zu befürch-
ten, Frankreich ſpicle unter der Dee und habe mit
Spanien Abſichten nach America , so ſind dieſes blos
Muthmaßungen, die man von wirklichen Thalſſachen
zu unterſcheiden hat. Was die Occupation anbelangt,
so liegt weder in der Anzahl der Truppen, noch in
ihrer Vertheilung, noch in der Art der Beſcetzung,
noch in ihrem bisherigen Betragen ; ferner weder in
den Rathſch ägen und Thatfolgcen der franzbsiſchen
Regierung, noch in den Erklärungen der spaniſchen
der mindcſte Anſchein vor Augen, daß Frankreich,
etwas dergleichen im Schilde ſühre. Man ſehe nur
recht die Documente an, die auf dem Büreau der

Kammer vorliegen, und man wird erkennen, daß

Frankreich mit England in Ansehung der ſüdamerica-
niſchen Colonieen bceynahe gleich gesinnt iſt. Mit de-
nen, die unaufhdrlich ſchreyen, wir ſind betrogen,
wir dürfen uns nicht auf Frankreich verlaſſen, iſt es
unmöglich gletche Sprache zu führen. Was mich be-
trifft : „ich gründe meine Urberzcugung von den auf-
cichiigen Geſinnungen Frankreichs auf die Erklärung
des franzöſiſchen Großborhſchafters, den ich person:
lich kenne, und den keine irdiſche Grwalt zwingen
würde , etwas zu ſagen, was er nicht ſelbſt für wahr
halie. ( Hört! Hört! ) |
Denkt die französiſche Negierung nicht ganz grade
so, wie die Unſserige, ſo iſt ſie dennoch in ipren
Fdeen den Unſerigen näher, als jede andere europäie
ſc<he Macht, und zwiſchen unſern poliliſchen Syſte-
men in Betreff des ſpaniſchen America's kdnnen
nur in ſo fern Abweichungen obwalten, als ſoiche
durch einen verſchi denen Standpunct begründet ſind.
Was die Furcht betrift, die "übrigen Mitglieder der
europäiſchen Confdderation mdchten in Hinſicht Eng-
lands und Frankreichs einerſeits, und des ſpaniſchen
America?s andererſcits, eine Dazwäüſchenkunfi eintrets

ten laſſen, ſo halte ich dieſelbe für unsinnig; denn,

wenn ſie auch die Abſicht dazu hätten, so würde ihs
nen die Macht fehlen Ich glaube aber, daß Sie eins
ſehen, wie gefährlich eine ſolche Unternehmung wäre,
und wie weit vorthellhafter es iſt, dieſe neue Staa-
ten in Ruhe zu laſſen. (lauter Bcyfall.)

( Von der Don au, den 20. März.

Es iſt außer allem Zweifel, daß die vielen und groſ-
ſen Unlehen, welche ſeit dem franzdſiſchen Revolu-
nionskriege zu 55 bis 85 Procent abgeſchloſſen wur-
den, ſeyr Vieles zur Lähmung der Induſtrie und zur

Störung des eigentlichen Welthandels ~ des Waa-
renhandels , beitrugen. Um Käufer für diese unge-
heuren Anlehen zu finden, mußten deren Papiere als
Waare auf alle Geldmärkte Europa’s gebracht, da-
ſelbſt gekauft und verkauft werden, und von einem
Platze zum andern gehen. Dieses neue Geſchäft bes
hagte wegen ſeines leichten und schnellen Absatzes.
Der Gewinn reitzte und lokte nach und nach nicht
nur dir Bankiers und Kapitaliſten, ſondern auch ri-
nen großen Theil der Waarenhändler und anderer

Gewerbsleute an, lhre Gelder in dieſen Effektenhans-

del zu verwenden. Die Entziehung so vieler und
großer Kapitalien aus der Induſirie und dem Waas
renhandel wußie jene lähmen, und diesen zerrütten ;
auf der andern Seite aber ſteigerie der Zuſammen-
fluß unermeßlicher Kapitalien auf Einen Geſchäf1s-
zweig ~ auf den Papierhandel ~ die Curſe ter
Staatspapiere zu einer ſo'chen Höhe, daß aus dieſem
Uebel ſelbſt jetzt das Heilmittel entiſpringen muß, um

. dieſen unnatürlichen Zuſtand zu ordnen und die Sa-

ce nach und nach wieder ins Gleichgewicht zu brin-
gen. Siteigen die Zprocentigen Staaispapiere auf
112 oder 118, woran nicht zu zweifeln iſt, ſo werden
die Staatsregierungen in den Stand gesetzt, solche
auf eine leichte Weiſe gegen 4procentige ~ und wahr-
ſcheinlich 1päterhin die 4procentige gegen Zprocentige
einzuldſen, wodurch ein gedoppelter großer Vortheil
entſtehi: 1. Werden die S.aatsfinanzen für ihre

theuren und koſtbaren Anl hen, die ſie in Zeiten der

Roih zu machen gezwungen waren, wieder entſchä-

digt 2. Geht durch diese Operation unvermerkt

wieder cin großer Thiil der Kapitalien zur Induſtrie
und in den Waarenhandel über. Uußer dieſem iſt
aber noch ein großes Urbel zu heben. Seit 1810
haben die Zuflüſſe von Gold und Siijbcr nach Euro-
pa dermaßen abgenommen , daß die jährlichen Be-
dürfniſſe für den Kolonialhand l für Gold- und Sils
ber gerä:he und Galanterirwaaren, und was ſich ſonſt
jährlich abſorbirt und abnutzt, bei Weitem nicht er-
ſetzt und gedeckt werden, ſo daß dadurch im gewdhn

lichen Veirk-:hr ein empſindlicher Geldmangel herbci-

geführt wurde, d.r ſchwer auf der Induſtrie und
dem Akerbau laſtet, und nicht anders gehoben wer-
den kann, als durch baldige Beruhigung Südameri-
ca'sz damit die reichen Minen von Peru nnd Meri. o
wieder bearbeitet werden , und deren Ausdeute uns

wicder aufs neue zufließen können. Soll aber Alles

wieder ganz gut werden, o iſt freier Handel mit der
neuen Welt unumgänglich ndthig ; denn was nützen uns
unsere Induſtrie und unſere vielen Producte, wenn
wir dazu keinen Ausweg keinen Abſatz haben,
als nur in dem kärglichen Austauſch unter uns ſelbſt :
Zuletzt müßten wir , ſo zu sagen, in unserm eigenen

Fett erſticken, und so früh oder ſpät doch zu Grunde

gehn! Um diesem Urbel zuvorzukommen, iſt die Uns
abhängigkeit Südamerica's und der freye Handel mit
demselben unentbehrlich. England, das dle weiſe
Maxime hat, die großen Handelsintereſſen ſtets in
Einklang mit der Politik zu bringen, ſieht gar wohl
cin, wo es fehlt, und daß das, was zu thun Noth
 
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