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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 1/2
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Schmidt, Paul Ferdinand: Georg Wilhelm Kolbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0028

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GEORG WILHELM KOLBE
Mit vier Abbildungen Von PAUL F. SCHMIDT
Tm Jahre 1825 erfchien von dem Radierer Karl Wilhelm Kolbe „Mein Lebenslauf“, eine
der reizvollften Selbftbiographien der deutfchen Literatur, die an Selbftbekenntniffen
fo reich ift. Der Mann wie der Künftler zeigt fich darin als eine ftarke und originelle
Perfönlichkeit; und greift man zu feinen Radierungen, fo erftaunt man von neuem, was
für eine Fülle eigenartiger und hochwertiger Menfchen Berlin um die Wende des
19. Jahrhunderts hervorgebracht hat. Für die Gegenwart gewinnt das Büchlein noch
ein ganz befonderes Intereffe durch die als Anhang abgedruckte Schrift „Über Wort-
mengerei“, die zuerft 1809 erfchien und lebhaft, auf unterhaltende Weife, gegen die
eingeriffene Unfitte loszieht, lateinifche und franzöfifche Brocken in die deutfche Sprache
einzufchieben. Die deutliche und angenehme Schreibart Kolbes bildet die befte Emp-
fehlung feines Eifers für Sprachreinheit: der deutfche Sprachverein könnte nichts Befferes
tun, als diefes Schriftchen wieder abzudrucken. Es mag in manchem veraltet fein;
der echt deutfche Geift, der es erfüllt, die glühende Liebe zur Sprache der Heimat, ift
heute noch darin fo lebendig wie vor 110 Jahren und macht es zeitgemäß, ja vor-
bildlich für alle Zeiten.
Kolbe war kein Dilettant; von Haufe aus ift er Philologe gewefen. Er wurde am
20. November 1757 in Berlin geboren, fein Vater war Goldfticker und Tapetenfabrikant;
und da feine Mutter, eine geborene Rollet, aus der franzöfifchen Kolonie in Berlin
ftammte, fo wurde er auf das franzöfifche Gymnafium gefchickt und wuchs unter dem
Einfluß der allmächtigen Kultur Frankreichs auf. Seine Mittellofigkeit hinderte ihn am
regelmäßigen Studiengang an der Univerfität; nicht an wiffenfchaftlicher Unterfuchung
auf eigene Fauft: und vielleicht ift dies Autodidaktentum gerade die Quelle feiner
wiffenfchaftlichen Originalität geworden, wie es bei fo vielen großen Geiftern der Fall
war. Er war lange Jahre Lehrer an dem berühmten Philanthropin zu Deffau, dazwifchen
Forftfekretär und Bibliothekar des Minifters von Scfiulenburg-Kehnert; fühlte fich aber,
zumal, als es mit dem Philanthropin um 1790 bergab ging, nicht fehr wohl im Beruf
und fattelte noch im 36. Lebensjahre um. Er hatte von Jugend auf gezeichnet, die
fchöne Umgebung Deffaus förderte feine natürliche Neigung. Nun fchickte er Proben
diefer Tätigkeit an Chodowiecki, und diefer munterte ihn fogleich auf, nach Berlin zu
kommen. 1793 überfiedelte er nach feiner Vaterftadt und wurde an der Akademie
aufgenommen.
Er war bereits zu alt, um fich noch der technifchen Schwierigkeiten der Malerei ge-
wachsen zu fühlen. Zwar holte er noch mit raftlofem Fleiß nach, was ihn die regel-
mäßigen Kurfe der Akademie lehren konnten, namentlich im Figürlichen, wo er der
Schule des Direktors Meil Wefentliches verdankte, bis ihm diefer felbft erklärte, er
könne nichts mehr auf der Akademie lernen. Aber in männlicher Selbfterkenntnis be-
fchloß er, fich auf das Erreichbare zu befchränken, worin er auch ein Höchftes erreichen
konnte: nämlich auf die Radierung, die er in den leßten Jahren an der Akademie auto-
didaktifch geübt hatte, und zwar im engen Anfchluß an Geßner, Waterloo und Potter.
Und in diefer Selbftbefdheidung auf eine höchft deutfche und feiner befonderen Be-
gabung angemeffene Kunftübung durfte er noch einen vollen Erfolg erleben und von
fich fagen: „In diefem engen Kreife habe ich es nun allerdings zu einiger Fertigkeit
gebracht.“ Rühmend darfs der Deutfche fagen: Selbft erfchuf er fich den Wert.
Aber bevor wir uns zu den Werken diefes gediegenen und groß angelegten Mannes
wenden, müffen wir noch einmal auf feinen erften Beruf zurückkommen, in dem er
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