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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 1/2
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Schmidt, Paul Ferdinand: Georg Wilhelm Kolbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0030

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GEORG WILHELM KOLBE


Äbb. 2. G. W. Kolbe, Kräuterblatt.

Werkes; darunter find die von ihm und unzweifelhaft auch von den Sammlern am
höchften gefchätjten die mächtigen „Kräuterblätter“. Sie allein genügen, um ihn als
Radierer wahrhaft bedeutend erfcheinen zu laffen. Den ganzen Raum des Blattes füllen
Vordergrundpflanzen aus, Schilf, Lattich u. dgl.; darin bisweilen eine Staffage: Liebes-
paar am Brunnen oder Kühe. Und diefe ftillebenhafte Natur ift von einer ftrotjen-
den Lebendigkeit, einer faft brutalen Unmittelbarkeit, die im 18. Jahrhundert ganz un-
erhört ift. Eine unendliche Liebe zum Kleinleben fpricht aus ihnen; aber mit einer
Größe der Äuffaffung, die im umgekehrten Verhältnis zur Größe des Gegenftandes
fteht und fchlechthin monumental wirkt. Es ift nicht der ungewöhnliche Maßftab allein,
der diefen Eindruck bedingt: die Dinge find mit wahrer Größe gefehen, die Gefinnung
Kolbes ift monumental. Eine Radierung Potters gab ihm die Anregung zu diefen
Studien: und Potter allein ift es auch, diefer Heros der Tierdarftellung, mit dem fie fich
vergleichen können. Zeichnerifch bis ins letzte vollendet, als ob fie unmittelbar vor der
Natur entftanden wären, legen fie Zeugnis ab von der mächtigen Vorftellungs-
kraft ihres Schöpfers, der ja niemals vor den Urbildern felber gearbeitet, fondern alles
aus dem Kopf gefchaffen hat. Und fo felbftverftändlich erfcheint auch ihre graphifche
Qualität: die hervorragende Charakterifierung des Stofflichen in jeder einzelnen Pflanze,
die Schönheit ihrer Oberfläche mit ihrer verfchnörkelten kraufen Plaftik; die Lichtver-
teilung, die diefes fchwierige Gewebe von taufend Dingen ordnet und plaftifch greifbar
macht; die kräftigen und fatten Schwärzen, die ohne Hilfe des Stichels erreicht find.

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