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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 7
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Kunstpolitik
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0210

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K u n ft p o 1 i t i k

raliftifcßen £Ueltordnung,die immerhin noch Mög-
lichkeiten bot, daß [ich) Genies — wenn fie Glück
batten — vor ibrem Code entfalteten und frucht-
bar werden konnten. Diefer neue akademifcbe
Sozialismus der Kunft ift unerträglich, ift ein
Narrenfpiel auf einem morfcben Boden, der reif
ift zum 3ufammenbrucb. Fjalbe Konzeffionen
find fcbbmmer als die bartnäckigfte Reaktion. —
Denn fie find Fjemmfcbub auf einer Bahn, die
aus unfruchtbarer Bergeshöhe in die freie, leuch-
tende Ebene führt. - (Uie wenig Geift aber die
deutfcbe Revolution letzten Endes befitjt, er-
härtet kaum ein Beifpiel diefer Lage in ähnlich
erfcbreckender COeife wie diefe Gefcbicbte einer
toten Akademie, die eben partout nicht fterben
mag. Cincinnatus.
Ein Staatsamt der [ctjönen Künfte
in Deutfdj-Öfterreidj?
Hm 23. Januar unterbreitete das Präfidium des
Vollzugsausfcbuffes der bildenden Künftler
Deutfch-Öfterreichs dem Staatsrat eine Denk-
fchrift, in der die Errichtung eines eigenen
Staatsamtes für fcböne Künfte gefordert wird.
Es wird darin ein felbftändiger Verwaltungs-
körper unter einem eigenen Staatsfekretär und
mit einer möglicbft geringen 3af>l von Beamten
für die Angelegenheiten der fcbönen Künfte
verlangt. Die Förderung der Kunft fei eine
wichtige Geldfrage. Ein einziger hervorragender
Künftler wird oft von der größten Bedeutung
für das Volksvermögen feines Landes; denn
von den Schöpfungen der Kunft gehen auf ge-
werbliche und induftrielle Betriebe vielerlei An-
regungen aus. Legt man fiel) die Frage vor,
wer mehr Pfände befcl)äftigt und was für den
Staat erträgnisreicber ift, unfere großen in-
duftriellen Betriebe oder die CUerke eines be-
deutenden Künftlers, fo mag es verblüffend er-
febeinen, daß diefe Frage zugunften des letzteren
entfebieden werden muß. Denn diefe (Herke
bieten dem Volke nicht nur hohen ideellen Ge-
nuß, fondern verhelfen auch zahlreichen Men-
feben zu einem Broterwerb, öüir betrachten
mit Staunen ein Riefeninduftrieunternehmen,
etwa Krupp in Effen, das viel Laufende von
Arbeitern befebäftigt, aber doch verfebwindet
die 3al)l derfelben hinter jener der Arbeiter,
die etwa von Dürer, Mozart, Beethoven, Schubert,
Goethe, Richard öUagner, Johann Strauß ufw.
feit vielen Jahrzehnten in Bewegung gehalten
wird. Nach ähnlichen Ausführungen in betreff
der Baukunft werden in der Denkfcbrift die
Forderungen der Künftlerfcbaft in fecßs Punkten
kurz zufammengefaßt. Im Staatsamt für fcböne

Künfte folle eine eigene Sektion für bildende
Künfte unter einem Unterftaatsfekretär vorge-
feßen fein. Sie zerfalle in eine Kunftgruppe
und in eine Gefcßäftsgruppe und bilde einen
felbftändigen Verrechnungskörper mit eigener
Dotation. 3ur Entfcßcidung in allen öffentlichen
Kunftangelegenßeiten fei ißr ein aus der Künftler-
fcbaft frei gewählter Kunftrat beigegeben. Die
Vertreter der Staatsleitung verfpraeßen weiteft-
geßende Berückficßtigung, erklärten aber, der
neuzuwählenden Nationalverfammlung, die über
Bildung und Gliederung der gefamten Staats-
verwaltung endgültig zu entfeßeiden habe, nicht
vorgreifen zu können.
Die Angelegenheit wurde in der Kliener Preffe
eingehend behandelt und eingewendet, daß für
neue Ämter kein Geld da fei. Auch muffe für
die ungleich kleineren Vcrßältniffe des neuen
Staates Deutfcß-Öfterreicß ein für Kultus und
Unterricht gemeinsames Minifterium, dem auch
die Kunftangelegenßeiten unterteilt wären, erft
reeßt genügen, da doch eine fo große Monarchie
fo lange damit ausgekommen fei.
Die Künftler erklärten dagegen, daß der billigfte
Verwaltungsapparat geringften Umfanges ßin-
reieße, nur müffe eine gewiffe Selbftändigkeit
und Beftändigkeit durch eine dem politifcßen
Leben entrückte Perfönlicßkeit, die ißr Amt als
Lebensaufgabe betrachte, als Leiter des neu zu
feßaffenden Amtes gewäßrleiftet fein. Ferner
müßten die Künftler durch ißre felbftgewäßlten
Vertreter auf wichtige Entfcßeidungen in Sachen
der bildenden Kunft Einfluß nehmen können.
Noch feien moderne Erzeugniffe der bildenden
Kunft als Ausfußrgegenftände bisher noch gar
nicht reeßt in Frage gezogen worden, wogegen
fo und fo viele bedeutende Künftler im Laufe
der 3eit durch falfcße ftaatlicße Kunftpolitik
verärgert ihr Vaterland verlaßen hätten, wodurch
dem Staatswefen große Einnahmen entzogen
worden feien. Einzelne könnten da zur Änderung
diefer ganzen Richtung und Neuauffrifcßung des
Kunftlebens wenig ausrießten, nur eine groß-
zügige fletige Kunftpolitik des Staates könne
helfen.
Das letzte ülort behielt die Preffe, die auf die
bisherige „ftändige Kunftkommiffion“ des Mi-
nifteriums ßinwies. ln diefem feit Jahren be-
gehenden Ausfcßuß hätten Sitj und Stimme:
Fj. v. Angeli. R. Bacher, Fj. Bitterlich, J. Engel-
hardt, Ed. v. Fjellmer, R. Junk, J. Müllner, Fr. Ob-
mann, K. v. Pocßwalski, F. Scßmufeer, V. Stauffer,
M. Swabinski, Otto Ulagner, der jeweilige Di-
rektor der Modernen Galerie, Graf Lanckoronski
und Fjofrat Dr. Swoboda (Kirchliche Kunftinter-
effen). Damit wäre die fachliche Richtigkeit der

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